Kapitel 3 aus: Tinas Geschichte |
Natürlich sah man uns, natürlich witzelte der eine oder die andere hierüber und über den weiteren Umstand von K.'s unrasiertem Erscheinen. Da musste er sich einiges anhören und in der Kaffeeküche neben meinem Archiv wurde schon frech hergezogen über uns, wenngleich alle schließlich alle Spekulationen verwarfen. Die doch nicht! hieß es wenig schmeichelhaft über mich. Mir traute also eigentlich niemand eine Nacht mit einem Mitarbeiter zu und K. trat ohnehin öfter in unrühmlicher Aufmachung die Arbeit an, so wurde dies letztlich nicht weiter vertieft. Wir ließen uns beim morgendlichen Meeting nichts anmerken, genauer gesagt, ich hatte kein Bedürfnis nach versteckten Blicken und Signalen und zog mein Pensum zielstrebig durch wie immer. K. schien ein wenig irritiert, hatte sich aber gut im Griff. Gut möglich, dass ihn die Liebesnacht verfolgte über den Tag und – alle Lust will Ewigkeit – sein Verlangen nach einer Wiederholung wuchs. Männer sind in der Mehrzahl doch zarter besaitet als sie zugeben mögen. Sie ergreifen vielleicht vor dem Morgen gern die Flucht. Mit dem unbekümmerten Umgang einer Frau anlässlich einer spontanen intimen Begegnung kommen sie aber auch nicht gut zurecht.
Ja und ich? Ich musste mir jetzt auch mehr Gedanken machen, als mir im sinnlich vernebelten Rausch des nächtlichen Verlangens bewusst war. Wer bis zum Morgen bleibt, mag wiederkommen – oder sehnt sich vielleicht sogar danach.
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K. hatte sich soweit in der Beherrschung, mich nicht grundlos aufzusuchen und zu drängen. Dazu war er dann doch zu unsicher und auch macht Derartiges Affären im Büro schnell zum öffentlichen Ereignis. Nun hatte ich ihm formal betrachtet, keine Hoffnungen gemacht. Ich hätte mich kühl darauf zurückziehen können: was soll's? Wir sind doch erwachsene Menschen! Aber das wäre nur die halbe Wahrheit. Er hatte es mir unerwartet mehr angetan, mein erotisches Interesse war nicht nur dem sexuellen Notstand an meiner neuen Wirkungsstätte zuzuschreiben. Ich ertappte mich dabei, immer wieder Sinnliches dieser Nacht zu erinnern, wo ich mich doch auf meine Arbeit konzentrieren sollte. Und K.'s verstohlener Dackelblick am Ende der Besprechung ließ mich erahnen, welche Tagträume über meine körperlichen Attribute, meinen Geruch, meinen Geschmack, meine Bewegungen, mein Atmen, meine Ekstase ihn quälen mussten.
Es half nix: jetzt war es in der Welt. Und wieso auch nicht? Für Never-fuck-the-company war es nun zu spät. Nach einem endlosen, stressigen Arbeitstag rief ich ihn aus einer noch ewig andauernden Besprechung an: Donnerstag um 20 Uhr bei mir? Hast Du Zeit und Lust? Knapp und leise war ich, es musste ja niemand mehr als nötig erschließen können. Tatsächlich fragte er: Wieso erst übermorgen? Es geht nicht früher, bis dann! antwortete ich etwas schroff und beendete das Gespräch, da mir schon wieder das Wort erteilt wurde. Morgen hatte ich mein Workout im Fitnessstudio. Das war mir heilig, dauerte bis spät abends und dann war mir nur nach Dusche und Bett, bisher jedenfalls. Ein zweites Date braucht einen ansprechenden Rahmen. Ein bisschen angefressen war ich schon, dass er eine Rechtfertigung einforderte. Andererseits ich verstand ihn auch, er hatte ja nur gefragt. Vielleicht wollte ich ja einfach nicht wie ein verliebtes Gör erscheinen, das einen älteren Mann anhimmelt. Das bin ich nämlich nicht.
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Ich öffnete die Tür, hielt ihm meine Wange zum Begrüßungskuss hin. Ich war nicht abweisend, aber K. war schon erstaunt, dass er meine Lippen nicht küssen durfte. Als er sich mir näherte, roch er an meinem Hals in weiteren ansprechenden Düften den meiner erregten Scham – das beste Parfüm, das ein Mann kennt, hatte ich im Wissen um seine außerordentliche Wirkung mit aufgetragen. K. schob seinen Kopf in den Nacken und stöhnte unwillkürlich noch in der geöffneten Tür, drückte sein Gesicht an meinen Hals und umarmte mich von Gesäß bis Nacken. Jetzt küsste ich ihn leidenschaftlich und alles war gut! Ich zog ihn leise lachend in die Wohnung, führte ihn zu dem wunderschön gedeckten Tisch, wies ihm seinen Platz zu und trug Nudeln mit herrlich duftender Soße auf. Ich hatte mir echt Mühe gegeben! Von der Begrüßung noch erotisiert machte es ihm nun doch nichts aus, dem einen körperlichen Genuss den anderen vorausgehen zu lassen, denn selbst wenn wir uns auf dem Esstisch lieben sollten, wären wir auch dann uneilig genug, Gläser und Teller zu ihrem Schutz beiseite zu schieben und nichts davon wäre kleinlich, bieder, Lust tötend oder sonst etwas.
Das Mahl war leicht und und K. lobte es überzeugend als köstlich, ebenso den Rotwein, und einem möglichen Nachtisch ging ein langes Gespräch voraus, nicht wortreich, sondern entspannt und spannend zugleich. Ich lotete mit nicht unmittelbar durchschaubaren Fragen aus, ob, wie und wie sehr er sich nach mir gesehnt hätte, und manche Frage konnte er nur mit verhaltenem Stöhnen beantworten. Wir hatten nicht das geringste Bedürfnis, dieses unglaublich sinnliche Liebesspiel durch irgendeine Form übereilter Initiative zu zerstören. Einander über den Tisch zugeneigt fanden unsere Lippen gehauchte Küsse, die mundeten wie der Wein. Redselig war er, nicht aufgekratzt. Er öffnete sich, weil er in mir eine vertrauensvolle, aufrichtige Gesprächspartnerin wahrnahm und mir erging es mit ihm genauso. Wir schütteten uns aus im Lästern über die Schrullen unserer Mitarbeiter und ich erfuhr viel Unausgesprochenes von seinen Gedanken über die Hintergründe unserer Arbeit, die er wesentlich ernster nahm, als es sein lässiges, zurückhaltendes Auftreten erahnen ließ.
Die hohen Schuhe hatte ich unter dem Tisch schon längst weggekickt und lief barfuß durch die Wohnung, wenn ich Nachschub aus dem Kühlschrank holte oder pinkeln ging. Mein Haar war längst zerzaust von den beiläufigen Schmusereien und meine Bluse längst offen von gelegentlicher Wanderschaft seiner Hände über meine Brüste. Ich hatte keinerlei Bedürfnis mehr nach sinnlicher Inszenierung, die ich insgeheim doch so liebe. Wir waren todmüde und doch hellwach. Es war so einfach, nicht gierig zu sein, denn dieser Abend war geprägt von dieser intimen Berührung der Seelen. Schließlich stand ich auf, nahm ihn mit einem leisen „Komm!“ einfach bei der Hand und führte ihn in mein Schlafzimmer und so wir endeten so nicht in wilder Gier auf dem Esstisch, sondern in endlosem Genuss von Haut und Lippen in meinem Bett.
Meine entspannt-lustvolle Gewissheit all dessen, was geschehen würde, wurde jäh beendet, als seine Zunge durch meine Spalte fuhr und auf meiner Perle zu vibrieren begann. Wie elektrisiert durchzuckten mich blitzartige Wellen und ich war wieder hellwach, aufgepeitscht, ergeben, willenlos. Mit weit geöffneten Schenkeln ließ ich ihn einfach gewähren, ihn der so einfühlsam jede Nuance meines Fühlens aufnahm, als wären wie schon Ewigkeiten zusammen. Ich kam schnell, mein Orgasmus war unglaublich intensiv, der konsequente Höhepunkt eines Abends, in dem jeder Augenblick für sich ein solcher gewesen war. K. hörte erst auf mich lustvoll zu quälen, als ich seinen Kopf weg schob von meiner Vulva. Komm, fick mich! hauchte ich sehnsüchtig. Er schob sich über mich, küsste mich leidenschaftlich mit dem Geschmack meiner Möse und glitt in mich. Ich hatte keinen Bedarf, die von mir eigentlich weniger geübte Missionarsstellung zu verlassen, nahm einfach meine Schenkel weit auseinander und ließ K. in mich hämmern. Ich genoss es einfach, so hemmungslos gefickt zu werden. K. kam schnell und heftig, da er doch schon lange erregt war und ich empfand keine vermessene Gier nach mehr und einer Steigerung des höchsten Gefühls über den Gipfel hinaus. Es war einfach schön, wie alles an diesem Abend, und nach dieser kurzen abschließenden Ekstase schliefen wir in ganz klassisch-konservativer Manier – deutlich weinselig – ein.
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Von da an trafen wir uns regelmäßig, die Zeitpunkte bestimmte fast ausschließlich ich, da ich dienstliche Auswärtstermine wahrzunehmen hatte und am Wochenende in meine Heimatstadt fuhr – wozu genau, sollte K. erst später erfahren. Ich hielt mich in vielem bedeckt, wollte nicht von einem Tag auf den anderen rechenschaftspflichtig sein. Mein seit jeher unabhängiges Leben stand nun auch in beruflicher Hinsicht auf eigenen Füßen, da war mir nicht nach kuscheligem Häschen, das nach Erlaubnis für selbständiges Ausgehen fragte. So angenehm die amouröse Wendung in meinem Leben war, ich wollte es für sie nicht umkrempeln. Zunächst drang K. nicht in mich zu erzählen, was nicht von alleine über meine Lippen kam. Das gefiel mir. Aber es war wohl nicht nur die souveräne Zurückhaltung eines Gentleman, der abwarten konnte. Mein Erfindungsreichtum und meine Schlagfertigkeit bei Gegenfragen konnten K. mehr verunsichern als alles andere, das wusste ich. Und ehrlich – ein bisschen gefiel mir das auch!
Warum K. mich binnen kürzester Zeit vergötterte? Bei mir war das Wünschen erlaubt und ein Spielverbot nicht in Sicht. Es war dieser unglaublich langsame Sex, der ihn – und mich – so sehr erregte. Oft ergibt sich ja bei solchen spontanen Begegnungen das Problem, dass man schon im Flur übereinander herfällt und ich bin nicht sicher, ob das immer nur Leidenschaft und Verlangen ist und nicht auch Verlegenheit, wie man miteinander umgehen soll jenseits der Türschwelle. Den schnellen Akt schätzte ich damals jedenfalls nur zwischendurch, wenn man sich schon besser kannte, nicht als übliche Praxis für die eigentliche erotische Beziehung. Mit K. hatte das Ganze schon anders begonnen und was folgte, war eine erotische Offenbarung, nicht unbedingt hinsichtlich dessen, was passierte, aber wie es mit ihm zu erleben war.
Eile und Hektik konnte ich noch nie mit Leidenschaft gleichsetzen, sie waren meiner wirklichen Lust abträglich. Ich meine, ich bin nicht zimperlich in sexuellen Dingen und kann auch guter Hausmannskost etwas abgewinnen. Aber mit K. war unbeschwert zu verwirklichen, wonach ich mich schon lange sehnte. Das Liebesspiel mit ihm war „die Entdeckung der Langsamkeit“. Jede meiner Bewegungen war ein bewusster Akt, der als solcher schon zu genießen war. Ich weiß, Männer wünschen sich Frauen, die wilden Raubkatzen gleich werden und sich im Bett – oder auf dem Küchentisch – so ganz anders verhalten als man es von ihrem Auftreten im Alltag her vermuten könnte. Das alles war ich auch und es fiel mir leicht, einen Mann derart zu entflammen. Doch mancher erotische Körpergenuss kam dabei dann zu kurz. Fliegen wollte ich und nicht nur den Gipfel erklimmen! Ich selbst fasste es für mich in dem Satz zusammen: Ich mag die milden Wilden, und mit ihm war es wohl genau das: er war wie ich durch so vieles erregbar und unsere Erregung hielt auf einem hohen Niveau an, dass uns Eile niemals geboten schien, wir vielmehr aus dem Hinausschieben des nächsten Schrittes und der dadurch verlängerten Vorfreude darauf zusätzlichen Lustgewinn bezogen. K. war fasziniert und äußerte mal die Vermutung, ich könne anscheinend allein durch meine Gedanken einen Höhepunkt erleben. Natürlich antwortete ich mit einer für mich typischen Gegenfrage: Du etwa nicht? Seine großen Augen bewiesen mir, dass er mir wirklich alles zutraute. Ich meinte das aber mehr als leisen Spott und versteckte Zurechtweisung, da er etwas thematisiert hatte, was mir wertvoller war zu spüren als zu bereden.
Mit dem Reden hatte ich es – tagsüber im Beruf eine brillante Rhetorikerin mit scharfer Zunge und druckreifem Duktus – eher weniger. Ich ließ mir zwar Komplimente über meine körperlichen Attribute gefallen, verschloss ihm aber dann doch meist mit Küssen den Mund, was ihm auch nicht unangenehm war. Ansonsten ließ ich mich verbal eher wenig befeuern, nur eines gefiel mir: K. hatte mich in der Hitze seine Dreilochstute genannt. Hierauf hatte ich ihn einschränkend zu Recht gewiesen, Stute sei ganz in Ordnung. K. nahm sich insoweit etwas zurück und hatte für sich, den gezähmten Vielredner, einen gestatteten Kosenamen, der, wie alles andere auch, nur uns gehörte. Eleganz, Anmut und Kraft dieses Geschöpfs glichen sehr meinem Wesen, flirtete K. überzeugend, so dass er mir, anders als mache sonst geläufigen Intimbezeichnungen, behagte.
Meine Erregung, meinen Genuss konnte er wahrnehmen, sehen, spüren und wenn er mich mit der Zunge hochjagte, auch hören. Über meinen Höhepunkt beim Vögeln jedoch war er sich, wie ich erfahren musste, anders als bei meinem lauten klitoralen Orgasmus oftmals im Unklaren – kein Schrei der Ekstase, kein lautes Stöhnen, keine letzten anfeuernden Worte, keine Anrufung von Gottheiten! Schließlich musste er, wie Männer halt so sind, doch danach fragen, mittendrin. Vor ihm kniend, blickte ich mit fragendem Blick über die Schulter zurück. Ich – komme – in einem – fort! keuchte ich verhalten unter seinen Stößen in selten erlebter Eindeutigkeit. Verdammt nochmal! dachte ich für mich. Man muss doch nicht immer alles bereden, man sollte seinem Gespür vertrauen!
Ich weiß von meinen Freundinnen, die meisten schließen die Augen, wenn sie Sex richtig genießen. Damit kann ich nun wenig anfangen. Ich beziehe einen Großteil meiner Erregung aus dem Sehen, also der Begegnung der Blicke, der Vorfreude auf Kommendes. Ich schloss bei K. so gut wie nie die Augen im Genuss versinkend, beobachtete ihn unentwegt. Ich war nicht herrisch dominant, weidete mich nicht an meiner Macht über ihn, denn ich übte niemals Zwang, erteilte keine Anweisungen. Ich bezog meine nicht enden wollende Erregung aus der Lust, die ich ihm bereitete und ich vermochte bei ihm, die Spannung über einen ganzen Abend hin zu steigern. Der Akt wurde endlos hinausgezögert, und oft war der Erguss das traurige Ende eines Geschehens, dem nur Ewigkeit angemessen wäre. Und K. fühlte wie ich.
Öffnete ich meine Bluse, betrachtete er fasziniert meine Brüste, wie meine Nippel sich langsam in Erregung aufrichteten. Er konnte hören, wie ich stärker und schwerer zu atmen begann, riechen, wie ich feucht wurde. Dem musste nichts unmittelbar folgen, es konnte schier unendlich dauern. Gleiches geschah, wenn er zwischen meinen Schenkeln kniete und nur meinen unverfälschten Duft einsog, schon ein angetäuschtes Bedecken meiner Lippen durch die seinen ließ mich stöhnen, als hätte er meine Scham liebkost.
Es war schön, ich wollte mehr – und ich würde es bekommen!
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