Die afrikanischen Schwestern

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Die afrikanischen Schwestern

Die afrikanischen Schwestern

Yupag Chinasky

Eines Tages bat ihn Nancy, mit ihr eine Reise zu machen. Sie habe Geburtstag und wünsche sich sonst nichts, nur eine kleine Reise, nur drei, vier Tage und auch nicht sehr weit weg, nur nach Lüttich. Ein paar Tage nach Lüttich mit dem Zug, weil er einmal gesagt hatte, dass er nur noch ungern weite Strecken mit dem Auto fahren möchte. Warum gerade Lüttich, fragte er verwundert. Das sei eine schöne Stadt, die sie schon immer habe kennenlernen wollen und warum nicht Lüttich, was er denn gegen Lüttich habe. Sie versprach, während der Reise ganz besonders lieb zu ihm zu sein und wenn er wolle, dürfe er sie auch küssen, sie könne genauso gut küssen wie Mona, behauptete sie, aber, wie sie schon gesagt habe, wolle sie ihre Küsse für ihren boy friend und späteren Ehemann aufbewahren. Wenn sie diese Reise zusammen machen würde, sei er für diese Zeit ihr boy friend oder sogar ihr Ehemann, wenn ihm das lieber sei, und deshalb würde sie ihn küssen und alles andere wäre natürlich auch auf der Reise so wie immer. Wenn er die Kosten für die Bahn und das Hotel und das Essen tragen würde, wolle sie auch kein weiteres Extrageld von ihm und auch kein weiteres Geburtstagsgeschenk und am Hotel könnten sie auch sparen, ein ganz einfaches sei ihr recht und essen würde sie ja auch nicht viel, das wisse er ja, auch da könnten sie sparen. Das ganze klang einigermaßen vernünftig, wenn nicht gar verlockend, und weil er Lüttich noch nicht kannte und natürlich nichts gegen die Stadt hatte, willigte er ein. Sie war glücklich, eröffnete ihm aber umgehend, dass sie schon am nächsten Tag fahren wolle, ob das ginge. Auf seine Frage, warum so schnell, wusste sie keine Antwort, murmelte nur etwas wie „better today than tomorrow, otherwise may be too late, why not soon“. Da ihn vieles an Nancy nicht mehr wunderte und ihm im Prinzip ein Termin so recht, wie ein anderer war, sagte er auch das zu. Er würde sich um die Fahrkarten kümmern, aber das reichte ihr nicht, sie bedrängte ihn, mit seinem Handy nach einem Zug zu suchen und die Fahrkarten jetzt gleich zu kaufen, das gehe doch. Sie hatte inzwischen gelernt, mit ihrem Smartphone umzugehen und machte eifrig Gebrauch von den angebotenen Diensten. Ein Hotel, meinte sie, würden sie sicher vor Ort finden, am besten eines in der Nähe des Bahnhofs. Er tat, was sie wollte und sie verabredeten sich für den nächsten Morgen am Hauptbahnhof. Sie solle pünktlich um 7.15 da sein, eine Viertelstunde, bevor der ICE in Richtung Köln abfuhr. Das versprach sie ihm hoch und heilig und sie hielt sie auch daran. Warum ihre Schwestern eigentlich nicht mitkämen, wollte er noch wissen und ob sie sich keine Sorgen mache, wenn diese allein zurückblieben. Das sei kein Problem, Mona sei ja erwachsen und würde auf Betty aufpassen und sie blieben ja nicht lange, nur drei, vier Tage und außerdem wolle sie einmal mit ihm allein sein, nur sie beide, weil ihre Schwestern ihr manchmal auf den Nerv gehen würde, er aber nie, mit ihm wolle sie endlich und gerne einmal ganz allein sein. Das sagte sie mit einem gewissen Gurren in ihrer Stimme und einem, wie er meinte, scheinheiligen Augenaufschlag.

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