Sie nahm nach dem zweiten Klingeln ab. „Nancy here“. „Where are you? What have you done, why did you leave me alone?“ „Don‘t worry, I will come in a minute“. Dann legte sie auf, ohne noch etwas zu sagen oder etwas zu erklären oder sich gar zu entschuldigen oder das anzuhören, was er noch loswerden wollte. Und tatsächlich kam sie eine gute halbe Stunde später. Er war wieder in das Zimmer hinaufgegangen. Es klopfte, obwohl sie ja einen eigenen Schlüssel hatte. Er rief, sie solle eintreten. Sie öffnete die Tür, steckte erst zaghaft den Kopf in den Raum, sah sich um, sah ihn an, lächelte ihn an, dann betrat sie das Zimmer, ließ aber die Tür halb offen. Bevor er anfangen konnte, ihr Vorwürfe zu machen, sie zu befragen, sie auszuschimpfen, sah er den Mann. Es war ein junger, dunkelhäutiger Mann, etwa in ihrem Alter, der plötzlich im Zimmer stand. Der Mann war sehr schlank und ziemlich groß und sah durchaus sympathisch aus. Seine Frisuren bestand nur aus einem großen, dichten Haarbüschel mitten auf dem Kopf, alles anderes war abrasiert, fast eine Glatze. Er trug ein verwaschenes T-Shirt und weite, olivgrüne Schlabberhosen. Der Blick, mit dem er ihn musterte, war kalt, ja sogar hasserfüllt und seine Augen verkündeten die die Botschaft, „halt bloß die Klappe, du Arsch, sonst geht es dir dreckig“, ohne dass er ein Wort sagen musste. Dafür redete Nancy, „This is my cousin“, stellte sie ihn vor, ohne jedoch seinen Namen zu nennen. Er wohne schon längere Zeit hier und habe sie dringend um diesen Besuch gebeten, weil ein paar Familienangelegenheiten geregelt werden mussten, wichtige Geschäfte, sehr wichtige, für sie, für ihn, für die ganze Familie in Afrika. Das sei der Grund gewesen, um nach Lüttich zu fahren, aber das habe sie ihm natürlich nicht sagen können, deswegen die Ausrede mit dem Geburtstagsgeschenk, die Reise als Geburtstagsgeschenk. Erst wollte er gar nichts sagen, aber dann packte ihn doch die Wut und er schimpfte los, machte ihr Vorwürfe, sprach von Verarschung. Nancy wurde nun auch wütend und der Cousin blickte ihn noch böser an und seine Körperhaltung war unmissverständlich. Was er sich einbilde, keifte Nancy, was er glaube, wer er sei. Ein alter Arsch, der junge Weiber ficken wolle, sonst nichts. Einer, der noch nicht einmal seinen Schwanz richtig hochbekäme, ein Versager auf der ganzen Linie. Das stimmte definitiv nicht, er hatte immer eine saubere Erektion gehabt, wenn er Nancy gevögelt hatte, vielleicht nicht immer einen guten Orgasmus und oft auch keinen Abgang, aber an seinem Schwanz gab es nichts zu mäkeln und mit Monas Hilfe, stand er immer wie eine Eins. Seltsam, dass ihn ausgerechnet dieser Vorwurf so ärgerte. Er solle sich doch künftig selbst ficken, fuhr Nancy zeternd fort. Sie brauche ihn nicht mehr und er solle machen, dass er wieder in seine beschissene Stadt und in sein beschissenes, langweiliges Leben zurückginge. Er hatte sie noch nie so wütend gesehen und noch nie so laut schreien gehört. Hinzu kam, dass der Cousin sie inzwischen lautstark unterstütze, da aber sein Englisch noch viel schlechter als ihres war und er vor lauter Aufregung gar nicht richtig hinhörte, verstand er absolut nichts von dem, was dieser Kerl zu sagen hatte, aber allein der Ton und die immer bedrohlichere Körperhaltung reichten aus, um ihm Angst einzujagen. Das Treffen endete damit, dass Nancy ihre Tasche nahm, die noch nicht ausgepackt war und dass beide grußlos das Zimmer verließen. Was blieb ihm übrig, als ebenfalls zu gehen und mit dem nächsten Zug in seine beschissene Stadt und in sein beschissenes Leben zurückzukehren.
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