Natürlich ging er nicht mehr in die Zweizimmerwohnung in der Schwarzwaldstraße. Auch nach einigem zeitlichen Abstand war er immer noch beleidigt. Am meiste ihn Nancys Bemerkung über sein erektiles Unvermögen gekränkt, das musste er sich bei Gott nicht bieten lassen. Aber irgendwann stellte er sich dann doch ernsthaft die Frage, ob das ganze Zerwürfnis vielleicht nur ein gewaltiges Missverständnis war. Konnte es nicht sein, dass Nancy, aus welchen Gründen auch immer, vielleicht war doch Rauschgift im Spiel, ausgeflippt war. Konnte es nicht sein, dass es wirklich ernsthafte Familienprobleme gegeben hatte, die sie aus der Fassung gebracht und sie unzurechnungsfähig gemacht hatten? Er kam zu dem Schluss, dass es an ihm war, einen Schritt auf sie zuzumachen, um wenigstens herauszufinden, was eigentlich los war. Außerdem musste er sich eingestehen, dass er die Treffen mit den Schwestern sehr vermisste, dass er seitdem unzufrieden und unbefriedigt war und sich diesen schönen Zustand wieder herbeisehnte. Da Nancy seine Telefonnummer nicht hatte, nie danach gefragt hatte und nicht einmal seinen Nachnamen kannte, hätte sie gar keine Möglichkeit gehabt, ihn anzurufen, sich vielleicht zu entschuldigen, für schönes Wetter zu sorgen, ihn um ein Treffen zu bitten, selbst wenn sie gewollt hätte. Er rang noch ein paar Tage mit sich, dann rief er sie an, bekam aber die Auskunft, dass die Nummer nicht mehr gültig sei. Nun wollte er es doch genauer wissen und fuhr in die Schwarzwaldstraße. Er klingelte, dort, wo er immer geklingelt hatte, ein Namensschild war nie vorhanden gewesen, aber das fehlte auch bei anderen Wohnungen. Nichts rührte sich. Er wartete, bis jemand aus dem Haus kam. Dann stieg er die vier Treppen hoch und horchte erst einmal an der Wohnungstür. Kein Laut. Schließlich klingelte er, dann klopfte er, keine Reaktion. Resigniert wollte er schon wieder gehen, als eine alte Frau aus der Nachbarwohnung kam. Ob sie wisse, was mit den Leuten los sei, die hier wohnten, ob sie vielleicht gar nicht mehr da seien, fragte er höflich. Die Frau sah ihn prüfend an, ja fast sogar wütend, dann legte sie los. Der Puff hier, der sei jetzt endlich geschlossen worden. Er müsse sich schon wo anders hinbemühen, um seinen perversen Lustgefühlen nachzugehen. Hier sei niemand mehr. Die drei Negerhuren hätte man an die frische Luft gesetzt. Es sei ja kein Zustand gewesen, jeden Tag dauernd diese Männer, Tag und Nacht und was für Typen, sie hätte sich kaum noch aus der Wohnung getraut, soviel Neger und Asoziale seien gekommen, Typen, denen sie nicht begegnen wolle, nicht einmal am Tag. Aber irgendwann hätte die Polizei zugeschlagen, weil sie nicht locker gelassen habe und ständig im Revier angerufen und sich beschwert habe. Sie sei denen da oben so lange auf die Nerven gegangen, bis endlich etwas passiert sei. Und dann sei alles ganz schnell gegangen. Sie hätte zugesehen, wie sie ausziehen mussten, wie sie ihre paar Sachen geschnappt hätten und ausgezogen seien und da habe sie sich richtig gefreut und ihnen noch im Nachhinein den Gottseibeiuns an den Hals gewünscht. Nachdem ihre größte Wut verpufft war, hatte sich die Frau wieder etwas beruhigt, und als er erklärte, er sei hier, weil er von der Stadtverwaltung geschickt worden sei, um nach dem Rechte zu sehen, wurde sie sogar richtig liebenswürdig. Die Verwaltung, da wisse die Rechte wohl auch nicht was die Linke mache, das hätte man ihm doch sagen müssen, dass man die drei an die frische Luft gesetzt habe, diese schwarzen Nutten. Nein, sie wisse nicht, wohin sie gebracht worden seien, wahrscheinlich in das städtische Asylheim, da müsse er schon einmal bei seinen werten Kollegen nachfragen. Dann nahm sie ihre Einkaufstasche und stieg die Treppen hinab.
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