Hotdogs bei Ikea sind gut und billig, aber auch ziemlich klein, deswegen hat er immer noch Hunger. Bevor er sich an der Theke noch einen holt, muss er auf die Toilette, die Holunderlimo. Als er zurückkommt, hat sich vor dem Tresen eine kurze Schlange gebildet. Es ist Mittagszeit und viele Leute wollen jetzt essen. Direkt vor ihm steht die Frau, die er eben noch draußen gesehen hat. Während er wartet, hat er Zeit, sie genauer zu betrachten und auf einmal kommt ihm die Erleuchtung: ein knapper blauer Rock, ein kleines Dreieck aus Gürtel und wenig geöffnetem Reißverschluss, doch diesmal nicht rot sondern weiß oder cremefarben. Aber diesmal hat sie nicht die auffälligen Netzstrümpfe an, diesmal sind die Beine nackt. Aber er hat dennoch keine Zweifel, sie muss es sein, die Frau von der Rolltreppe. Langsam rückt die Schlange weiter und dann ist sie an der Reihe und bestellt eine Viertel Pizza Margerita. Die Verkäuferin nimmt ein Stück unter der Glasablage, legt es auf einen Pappkarton, steckt es in die Mikrowelle und drückt auf eine Taste. Es piept. „Einsfuffzich.“ Die dunkle Frau zückt ihr Portemonnaie, sucht das Geld, klaubt zusammen, was sie hat, merkt, dass es nicht reicht, durchwühlt ihre Handtasche, eine kleine Tasche aus braunem Leder. Sie sucht und sucht, findet aber keine weiteren Münzen. Die Mikrowelle piept erneut. Die Verkäuferin ist mittlerweile ungeduldig geworden. Sie nimmt die Pizza aus dem Ofen, legt sie auf die Glasfläche. Die Frau sucht immer noch und findet nichts. Die Leute in der Schlange werden ungeduldig. Ein älterer Mann, vermutlich ein Rentner, tönt laut: „Was’n da vorn los? Mach schon, geh weita. Mir han net ewig Zeit.“ Die Frau gibt ihre Suche auf, deutet mit bedauernder Geste auf die Pizza und schüttelt den Kopf. Offensichtlich will sie sie zurückgeben oder gar nicht erst annehmen. Die Verkäuferin ist nun richtig ärgerlich und fängt an, zu schimpfen. „Isch kann die net zurücknähme. Die isch heess und iIsch han die scho angfasst . Gsocks, ausländisches, bleibt doch wo ihr herkimmt.“ Wütemd will sie die Pizza nehmen und in den Müll schmeißen. Da meldet er sich als Retter in der Not. „Was fehlt denn noch?“ Er legt die paar Cent auf den Tresen. Die dunkle Frau dreht sich zu ihm um, schaut ihn dankbar an, murmelt etwas Unverständliches, nimmt das Stück Pizza und geht, aber nicht zu einem der Stehtische. Sie verlässt die Eingangshalle, vermutlich aus Scham, denkt er, als er ihr nachschaut, während er auf seinen zweiten Hotdog wartet. Dann holt er sich die zweite Limonade und stellt sich wieder an denselben Tisch, um erneut aus dem Fenster zu schauen, aber die Frau steht natürlich nicht auf dem Vorplatz. Er ärgert sich, dass er auch diese zweite Chance der Kontaktaufnahme, vergeben hat. Dann denkt er an die bescheuerten Reaktionen der Verkäuferin und des Alten in der Schlange. Aber als er nach einer weiteren Limo gelangweilt nach draußen schlendert, sieht er sie aber doch wieder.
Er sieht sie, als er auf dem Weg zu seinem Auto an der Bushaltestelle vorbei kommt, und sie sieht ihn. Sie wartet offensichtlich auf den nächsten Bus und erkennt ihn sofort, denn sie lächelt ihn scheu an. „Thank you for helping. I am so sorry to make problem. “ Er lächelt zurück, wehrt ab. „No problem for me. Self understandig.“ Dann erklärt ihm die junge Frau, dass sie versehentlich die Geldbörse ihrer Schwester eingesteckt habe, als sie morgens aus dem Haus ging, beide seien sich sehr ähnlich, nur dass die der Schwester fast leer war, bis auf ein paar Cent. Auf seine Frage, wie sie denn hierher gekommen sei, ohne Geld, gibt sie zur Antwort, mit dem Bus und fährt fort, dass sie noch nie eine Fahrkarte gekauft habe, weil die zu teuer seien. Sein Englisch ist mäßig und das der Frau hört sich ziemlich seltsam an, er versteht nicht alles, was sie sagt, doch das hindert beide nicht, ziemlich belangloses Zeug zu reden, wobei aber nur er es ist, der Fragen stellt. Woher bist du? Was machst du? Arbeitest du Arbeit. Während sie sich unterhalten, holprig, radebrechend, nichtssagend, hat er endlich die Gelegenheit, sie eingehend, nun auch von vorne, zu betrachten. Ihr Gesicht ist ziemlich hell, das war ihm ja schon aufgefallen, als sie sich vor dem Fenster kurz umgedreht hatte, heller als ihre Arme und Beine, die einen sehr schönen, schokoladebraunen Farbton aufweisen. Es ist hell, weil sie es ziemlich dick mit Schminke bedeckt hat, was man aber nur aus der Nähe deutlich erkennen kann. Vielleicht will sie heller sein, als sie von Natur aus ist, denkt er, so wie der berühmte Michael Jackson, der auch alles unternommen hatte, um heller zu erscheinen. Für manche Schwarze ist das vermutlich ein Schönheitsideal, das sie attraktiver macht, für ihn aber nicht. Er mag dunkle Haut, er findet dunkelhäutige Frauen viel interessanter und attraktiver als ihre bleichen Schwestern. Insbesondere nordische Blondinen kann er nicht ausstehen, er ist sogar der Meinung, dass an den unsäglichen Blondinenwitzen etwas dran ist. Es gibt aber noch einen anderen Grund für die viele Schminke, seine Gedanken kreisen weiter, während sie belangloses Zeug plaudern, vermutlich will sie ihre schlimmen Pickel verdecken. Sie hat ziemlich viele im Gesicht, stellt er kritisch fest. Pickel von der Stirn bis zum Kinn, von der linken zur rechten Wange, nur die breite Nase ist pickelfrei. Aber trotz der Pickel und der hellen Schminke sieht sie gar nicht so schlecht aus. Ihr Mund ist schön, keine wulstigen Lippen, eher schmal für ihren Typ. Sie hat nur etwas zu viel Rot aufgetragen und dieses Rot ist für seinen Geschmack auch noch viel zu intensiv, viel zu grell. Eine leuchtendrote Ellipse in einer zu hellen Kraterlandschaft. Wenn man diesen Mund küssen würde, seine Gedanken eilen in die Zukunft, würde man ganz schön angeschmiert sein, nein, eingeschmiert, nicht angeschmiert. Wenn sie sich überhaupt küssen lässt. Er hat keine Ahnung, ob Küsse bei Afrikanerinnen eher tabu sind, nicht die Wangenküsschen, die sie ständig austauschen, sondern die richtigen, erotischen Küsse, die ausschließlich der sexuellen Stimulation dienen. Das Schönste aber sind ihre Augen, fährt er in seinem inneren Monolog fort, während sich ihr äußerer Dialog um das Wetter und die hohen Preise hierzulande dreht. Ihre Augen sind wirklich sehr schön und sie schauen ihn interessiert und dankbar an, diese großen, schwarzen Augen, die durch die Eyeliner noch ausgeprägter wirken. Dunkle Farbe betont die ohnehin schon üppigen Brauen und das blasse Violett, sowohl auf den Lidern als auch hoch bis zu den Brauen, gibt ihr etwas leicht Verruchtes, das besonders ausgeprägt erscheint, wenn sie die Augen schließt und dadurch die violette Fläche verdoppelt. Ihr Gesicht, so sein Resümee, ist trotz der Pickel, trotz der Schminke, trotz der breiten Nase sehenswert.
Die afrikanischen Schwestern
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