Die afrikanischen Schwestern

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Die afrikanischen Schwestern

Die afrikanischen Schwestern

Yupag Chinasky

Im Zentrum angekommen, hat er Glück, denn er findet gleich einen freien Parkplatz. Sie steigen aus, und weil er merkt, dass die Frau nichts Bestimmtes vorhat und wohl auch nicht weiß, wo sie hin soll, fragt er sie, ob sie Lust auf einen Kaffee habe. Sie nickt und gemeinsam überqueren sie den großen Marktplatz und betreten einen dieser umfunktionierten Bäckerläden, in denen es café to go und süße Stückchen gibt, ein Stehkaffee in einem Stehcafé, in dem es aber auch ein paar Sitzplätze gibt. Sie bestellt einen großen Milchkaffee und deutet auf eine Schneckennudel. Er hat keinen Hunger, zwei Hotdogs reichen ihm als Mittagessen, aber Kaffee kann er immer vertragen, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Sie setzen sich und setzten ihr Gespräch fort. Ihm fällt ein, dass er ihren Namen noch nicht kennt und dass es ganz gut wäre, sich selbst vorzustellen. Ihr Name sei Nancy und sie komme aus Ghana, erfährt er, und dass sie erst seit einem Monat hier in dieser Stadt sei. Sie wohne in einem großen, alten Haus zusammen mit ihren Schwestern. „I have two sisters, you know. We are three, living together.“ Da fällt ihm ein, dass sie ja den Geldbeutel verwechselt hatte an diesem Morgen, dass sie den leeren ihrer Schwester mitgenommen hatte. Er erfährt von Nancy weiter, dass sie hier noch niemanden so richtig kennen würden, dass sie auch keine Arbeit und deswegen kaum Geld hätten, nur das bisschen Unterstützung vom Ausländerarmt und das würde kaum reichen, weil hier alles so teuer sei. Hier sei alles anders als in ihrer Heimat, vieles sei besser, aber manches viel schlechter als daheim. Bei diesen Worten schaut sie verklärt in die Ferne. Er vermutet, dass sie Heimweh hat, ohne dass sie das Wort kennt. Ob sie einen Freund habe, ob sie verheiratet sei und Kinder habe. Sie verneint, schüttelt heftig den Kopf, nein sie sei ledig. Es scheint, dass ihr diese Fragen unangenehm sind, denn ganz unvermittelt sagt sie, dass sie nun gehen müsse. „My sisters are waiting. They are hungry. May I take some cookies with me?“ Er nickt und Nancy lässt sich einige der süßen Stückchen einpacken, während er den Blick nicht von ihr lösen kann, von diesem Busen, diesem Hintern. Sie gefällt ihm, er will sie wiedersehen und deswegen schreibt er seine Handynummer auf den Papieruntersetzer der Kaffeetasse. Als er ihr den Zettel gibt, sagt sie bedauernd, dass sie kein Handy habe. „Too expensiv, you now, no money for mobile“. Ob er sie sich morgen wieder sehen könnten, will er nun wissen, hier, in diesem Café, wieder so gegen zwölf Uhr? Sie nickt. „You will come?“ „Yes, of course!“ „Sure?“ „Yes, sure and thank you once more for helping me. Bye, bye.“

Am nächsten Tag ist er schon um halb zwölf in dem Café, Nancy ist noch nicht da. Er wartet, ist aber zuversichtlich, dass sie kommt. Er wartet eine halbe Stunde, seine Zuversicht schwindet. Sie kommt auch in der darauf folgenden halben Stunde nicht und jetzt ist er doch ziemlich enttäuscht. Als er sich schon in sein Schicksal fügen will, er soll wohl mit dieser Frau nicht in Kontakt kommen, schon entschlossen ist, zu gehen, betritt sie das Café, schaut sich um, sieht ihn, kommt direkt auf ihn zu. Ihr Gesicht strahlt, Küsschen links, Küsschen rechts. „I am so sorry to be late“, das reicht als Entschuldigung, keine weitere Erklärung, warum sie so spät dran ist. Dann geht sie zurück zur Tür und zwei weitere Frauen betreten das Café. „These are my sisters“, stellt sie die beiden vor. „This is Mona and this is Betty.“ Die Schwestern kommen nacheinander an seinen Tisch, geben ihm die Hand und auch jeweils ein Küsschen auf die Wangen. Beide haben keinerlei Ähnlichkeit mit Nancy. Mona ist klein und kompakt, trägt ein buntes Wickelkleid und sieht darin sehr pummelig aus, mit großem Busen und sehr breitem Hintern. Ihr Gesicht ist flach und nicht besonders hübsch. Nur die helle Schminke und die Betonung der Augen durch dieselbe violette Farbe erinnern an Nancy. Sie hat keine Pickel im Gesicht, dafür aber einen deutlichen Leberfleck auf der Oberlippe und einen kleinen Ring in einem Nasenflügel. Die vollen Haare sind zu zwei Zöpfen geflochten, die von einem Netz auf dem Kopf gehalten werden, das sieht irgendwie witzig und ziemlich altmodisch aus, findet er. Betty ist augenscheinlich die Jüngste. Ein hochaufgeschossener, schlaksiger Teenager, mit dünnen Armen und sehr schlanken, fast schon dürren Beinen. Die krausen Haare türmen sich, zu einem Knoten gebunden, auf ihrem Kopf. Sie hat im Gesicht weder Pickel noch braucht sie Schminke und ist vermutlich deswegen die dunkelste von den Dreien. Sie trägt enge Jeans und ein weites, rotes T-Shirt mit dem Logo einer Metzgerei. Sie scheint weder einen Busen noch einen nennenswerten Hintern zu besitzen, stellt er auf die Schnelle fest, das was ihr fehlt, ist anscheinend alles bei Mona gelandet. Nancy hat dieselben Sachen an wie am Tag zuvor, dieselben wie bei ihrem ersten Aufeinandertreffen auf der Rolltreppe im Kaufhaus. Enger Rock, enge Bluse mit Ausschnitt, diesmal wieder Netzstrümpfe und Sandalen. Als sie sich umdreht, um an der Theke zu bestellen, sieht er das Loch im Muster der Strümpfe und auch wieder das kleine Dreieck am Rockbund, das diesmal allerdings weder leuchtend rot noch cremeartig weiß, diesmal füllt es ihre braune Haut aus.

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