Die Maschine vibrierte, als der Pilot die Schubhebel nach vorne drückte. Sanft rollte die Boing die Startbahn entlang und nahm langsam Fahrt auf. Die Triebwerke waren erstaunlich leise. Ich konnte mir das nur so erklären, dass hier, in der ersten Klasse, einfach alles ein bisschen stärker isoliert war. Wie sich alles um mich herum deutlich von dem unterschied, was ich bisher gewohnt war.
Es begann schon heute morgen mit der Anreise zum Flughafen, die ich für gewöhnlich in einem Zug antrat, oder mit dem Auto, wenn ich in den Urlaub geflogen war. Heute fuhr uns Shiva mit dem Rover zum Hangar, in dem der Hubschrauber von Chris untergestellt war. Der Heli war ein jetzt erst gelüftete Geheimnis, von dem ich zwar wusste, das ich aber noch nie mit eigenen Augen gesehen hatte. Eine Bell 206 Jet Ranger III, in dunkelblau-weiß lackiert. Eine wunderschöne Maschine, wie ich fand und deren technische Daten fester Bestandteil von Chris‘ Unterhaltung mit mir waren. Mir sagte das alles nichts, Wellenturbine, Startgewicht …, ‚Böhmische Dörfer‘. Nur mit der Höchstgeschwindigkeit konnte ich was anfangen und die Bedeutung der Begriffe: Reisegeschwindigkeit und Reichweite, erschlossen sich mir auch.
Der Pilot hatte sich unser Gepäck geschnappt und verladen. Nun saß er auf seinem Sitz, mit einem Helm auf dem Kopf, und spulte sein Startritual ab. Noch nie war ich Hubschrauber geflogen, entsprechend nervös und aufgeregt war ich. Mein Fazit: Ich bin schon schlechter gereist. Zu wissen, dass ich diesen Luxus nun öfter genießen durfte, machte mich schon ein wenig stolz, obwohl ich mir ja nichts aus solchen Statussymbolen machte, oder doch? Mittlerweile hatte ich eine andere Sichtweise auf verschiedene Dinge gewonnen. Wenn die Annehmlichkeiten doch nun schon mal da waren, warum sie dann nicht auch nutzen. Wäre ja dumm, aus falschem Stolz darauf zu verzichten.
Wie in einem Luftbus schwebten wir davon, wie von einer Sänfte getragen, wie eine Feder im Wind. Von hier oben sah die Welt ganz anders aus, so klein und ohne Probleme. Menschen wurden zu gesichtslosen Punkten, Gebäude zu kleinen, gemauerten Höhlen, in denen die Punkte verschwanden und wieder ausgespuckt wurden.
Der Pilot und Chris unterhielten sich angeregt. Ich hatte auch so ein Headset auf dem Kopf, mit Kopfhörer und einem Mikrophon vor dem Mund. Aber abgelenkt von den Eindrücken, die völlig neue Empfindungen in mir zu Tage förderten, konnte ich den Männern nicht zuhören. Die ganze Zeit starrte ich aus dem Seitenfenster, suchte nach neuen Zielen, staunte Bauklötze, wenn ich welche gefunden hatte und bekam den Mund nicht mehr zu, wenn ich Bekanntes aus der Vogelperspektive betrachtete. Völlig fasziniert und gleichsam begeistert, war ich abgerückt.
Durch einen Seiteneingang hatten wir das Flughafengebäude betreten, wurden vom Sicherheitspersonal durchgecheckt und dann zum Schalter begleitet.
Eine junge Frau in einem schicken Kostüm und einer Art Schiffchen auf dem Kopf begrüßte uns freundlich. Sprach uns sogar direkt mit Nachnamen an und blieb an unserer Seite, bis wir in unser Flugzeug durften. First-Class-Service nannte die Flugbegleiterin das, als ich sie darauf ansprach, warum sie das denn tue.
Alles roch frisch, anders als der Muff in der Businessklasse. Der Platz zwischen den Reihen war mehr als üppig.
Die Ledersessel ließen sich elektrisch verstellen, hatten eine Fuß- und Nackenstütze und auf Wunsch wurden mir Kissen und Decke gebracht.
Die Sitze im Heli waren schon erste Sahne, Sportsitzen nicht unähnlich, aber diese Teile hier waren wirklich First-Class. Ermöglichten sogar, dass man fast in eine Liegeposition fahren konnte, ohne dem Hintermann die Beine zu quetschen.
In der Rückenlehne vor mir war ein Monitor eingebaut, daneben ein Kopfhöreranschluss. Der Wahlschalter für die einzelnen Kanäle, dazu der passende Lautstärkeregler befanden sich über mir in einer Art Konsole, zusammen mit den Luftauslässen der Klimaanlage.
Die Stewardess freundlich, zuvorkommend, nahm ihren Job sehr genau. Schon vor dem Start verwöhnte sie uns mit einem Glas Sekt, als freundlichen Gruß der Airline, umsorgte uns, als wären wir berühmte Staatsoberhäupter oder Schauspieler. Jedenfalls fühlte ich mich so.
‚Bitte anschnallen‘ leuchtete auf und die Maschine rollte ihren markierten Weg entlang, bog ein oder zweimal ab, und kam dann in ihrer Startposition zum Stehen. Vermutlich funkte der Pilot mit dem Tower, holte sich die Startfreigabe, oder er prüfte ein letztes Mal seine Checklisten durch, oder wir mussten warten, weil eine andere Maschine Vorrang hatte. Es kam mir endlos vor, bis das Vibrieren einsetzte, dass ich eingangs beschrieb. Eine unsichtbare Kraft presste mich in das weiche Leder, als wir die Startbahn entlang jagten. Ein kleiner Ruck zeigte mir an, dass wir abgehoben hatten.
Die Anspannung löste sich langsam, genau wie der Knoten unserer Finger. Das Kissen nutze ich als Polster an Chris‘ Schulter, gegen die ich meinen Kopf legte.
„Hab ich dir heute schon gesagt, dass ich dich sehr liebe?“, flüsterte ich ihm zu.
„Gesagt noch nicht, aber gezeigt.“, antwortete er leise.
Chris hatte einen Arm um meine Schulter gelegt und sorgfältig dafür gesorgt, dass die Decke wie eine zweite Haut um mich lag.
Unser Flug ging bis nach Nizza. Dort sollte angeblich ein Hubschrauber für uns bereitstehen, der uns dann nach Monaco zum Heli-Port bringen sollte. Bis zur Wohnung mussten wir ein Taxi nehmen. Das einzige Stück Weg auf unserer ersten, gemeinsamen Reise, ohne jeglichen Luxus ... haha.
****
Der Blick von hier oben verschlug mir die Sprache. Die Wohnung war nicht so groß, wie ich sie mir vorgestellt hatte, aber dafür war die Lage fantastisch. Schräg vor mir lag der Hafen von Monaco, ruhig dümpelten die Boote und Yachten in den Liegeplätzen. Je weiter ich auf die Wasserfläche sah, desto größer wurden die Boote, die nach meinem
Verständnis schon wie ausgewachsene Schiffe aussahen.
„Welches ist deins?“, sah ich über meine Schulter in sein Gesicht.
„Das da!“, zeigte er mit dem Zeigefinger.
Wirklich erkennen, welches genau er meinte, konnte ich nicht. Es war mir eigentlich auch schnurzpiepegal, spätestens morgen würde ich auf dem Deck herumlaufen, mich sonnen, und wenn es gut für mich lief, mich auf dem Boot auch richtig geil durchbumsen lassen.
„Liegen hier immer so viele und große Boote?“
„Ne, eigentlich nicht, etwa die Hälfte. Aber dieses Wochenende ist hier ein Formel 1 Rennen. Und manche von den Fahrern kommen dann mit ihren Kuttern. Alles Angeber, Poser. Einer will den anderen übertrumpfen. Ist nicht so meins, aber ein echtes Spektakel. Du wirst ne Menge Promis sehen. Leute mit Geld und welche, die so tun, als hätten sie welches.“
Ich drehte mich in seinen Armen, sah ihn verliebt an und strich mit dem Daumen über seine Augenbraue.
„Womit habe ich dich verdient?!“
„Ist doch egal, vielleicht sollte es so sein. Muss man sich immer alles verdienen? Sieh dir Leon und Freya an, das war vorbestimmt!“
„Stimmt, die beiden verbindet wirklich eine besondere Story. Uns auch irgendwie, wenn ich so an meinen Absturz denke. Nicht auszudenken, wenn du nicht gewesen wärst.“
„Thats right, mein Schatz, uns auch. Hast du Lust auf einen Spaziergang?“
„Viel lieber würde ich jetzt mit dir kuscheln, aber dazu ist später auch noch Zeit. Zeigst du mir die Stadt?“
„Auch! Allerdings müssen wir dir noch ein schickes Abendoutfit kaufen.“
„Wozu das denn? Ich hab doch alles mit!“
„Ne Maus, mit deinen Sachen kommst du hier nicht ins Casino. Und das musst du unbedingt gesehen haben. Völlig abgehoben, sag ich dir!“
„Und was ist mit Schuhen? Ich kann schlecht in meinen Sneakers dahingehen.“
„Kaufen wir auch.“
„Und Schmuck? Jetzt überlege gut was du sagst … kaufen kommt nämlich nicht in Frage.“
„Ok, dann nicht! Den werden wir dann wohl leihen müssen. Ich wüsste auch schon wo.“
Überall standen schon die Fangzäune für das Rennprogramm am Wochenende. Rot-weiße Baken, Absperrungen an jeder Ecke und kleine Häuschen für die Streckenposten am Streckenrand.
Verkehrsregeln waren völlig außer Kraft gesetzt und die ursprüngliche Straßenführung kaum noch zu erkennen.
In einer Gasse, die wohl auch als Boxengasse dienen sollte, schwirrten Männer und Frauen in verschiedenster Teamkleidung wie wild gewordene Ameisen herum. Was auf mich wie heilloses Chaos wirkte, war anscheinend ein eingespielter Ablauf. Türme von Werkzeugwagen, Gestelle mit Monitoren, Reifen und was weiß ich nicht sonst noch alles, wurde von den LKWs in die Hallen geschoben.
Irgendwo wurde mit einem ohrenbetäubenden Krach ein Motor gestartet. Der Sound war beeindruckend und ich musste zugeben, ich hatte in dem Moment eine Gänsehaut. War das die Faszination, die von diesem Sport ausging, der Männer und Frauen gleichermaßen fesselte? Mich nicht, ich konnte dem Ganzen nicht viel abgewinnen.
Mich störte der Hype, der darum gemacht wurde. Die geheuchelten Lobeshymnen über die mehr oder weniger arroganten Fahrer konnte ich schon nicht mehr hören. Und nicht zuletzt die in meinen Augen wahnsinnige, maßlos übertriebene Geldverschwendung. Mir war bewusst, dass das nur meine persönliche Meinung war, und dass Millionen von Fans den Rennen jede Woche aufs Neue entgegenfieberten.
Mich beeindruckte das alles nicht, aber Chris blieb oft stehen, versuchte irgendeinen Promi zu sehen. Vielleicht suchte er auch noch nach anderen Highlights, ich wusste es nicht, und es interessierte mich auch nicht sonderlich. Er bemerkte nicht, wie oft ich genervt-gelangweilt die Augen verdreht hatte. Schon an den Wochenenden, an denen die Live-Übertragungen im Fernsehen hoch- und runterzusehen waren, und seine Augen Stunde um Stunde förmlich am Bildschirm klebten, nervten mich. Mir war das meistens zu blöd und verzog mich dann mit Falk und Franzi in den Wellnessbereich der Villa. Aber nun hatte ich den ganzen Rennzirkus sogar live und in Farbe.
Chris bemerkte dann doch irgendwann, wie wenig mich das alles beeindruckte, ja sogar tierisch langweilte. Zärtlich legte er seinen Arm um meine Hüfte, drückte mir ein zartes Küsschen auch die Wange und zog mich weiter.
Allein das Wissen in Monaco zu sein, ließ die Straßen noch beeindruckender wirken, als sie es sowieso schon waren. Alles war gepflegt und sauber, nirgends ein achtlos weggeworfenes Fitzelchen Papier. Alle Häuser in tadellosem Zustand, jede Fassade für sich genommen strahlte schon Reichtum aus.
Hier gab es Geschäfte, die hatte ich selbst in den nobelsten Gegenden Berlins noch nie gesehen. Die meisten mit einer livrierten Person vor dem Entree, die den reichen, oft versnobten, hochnäsigen Kunden mit einem tiefen Diener die Tür aufhielt. So auch bei Cartier.
Chris schob mich durch die perfekt geputzte Glastür. Nicht der kleinste Fingerabdruck war darauf zu erkennen, was wohl damit zu erklären war, dass der Diener weiße Stoffhandschuhe trug und diese Tür sonst niemand anfassen durfte.
Selbst die bildschöne Verkäuferin begrüßte uns mit einem galant vorgeführten Knicks und bot uns ein Glas Champagner an, als Chris nach einem Collier mit passenden Ohrringen für das Wochenende fragte.
Doch bevor auch nur ein Schmuckstück auf den Verkaufstresen gelegt wurde, nahm ein Herr im schwarzen Anzug die Kreditkarte von Chris und ließ sie auf ausreichende Deckung prüfen.
Mir fielen ehrlich gesagt die Augen raus, als ich die vielen funkelnden Edelsteine ansehen durfte. Das waren nicht einfach nur Halsketten, das waren Kunstwerke, eines schöner als das andere. Ich kannte mich in Sachen Edelsteinen nicht aus, aber was ich wusste war, dass die Reinheit und der Schliff den Preis bestimmten.
Für den Preis jedes einzelne Geschmeides, hätte man sich gutausgestattete Ein- oder Mehrfamilienhäuser in günstiger Lage kaufen können. Nun konnte ich nicht sagen, dass mich der Schmuck nicht auch fasziniert hatte. Ich glaubte sogar, dass mein Mund die ganze Zeit offen stand, denn er war mit der Zeit staubtrocken geworden.
Mit jedem Stein, der mir im gut ausgeleuchtetem Geschäft entgegen funkelte, wurde mir wieder klar, dass ich in eine andere Welt eingetaucht war. Eine Welt, in der nur zählte, wer das meiste Geld angehäuft hatte. Eine Welt, die so gar nicht meins war und auch nie sein würde.
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Nach außen strahlte ich eine von mir nie gekannte Schönheit aus. Mein bodenlanges, dunkelrotes Kleid, rückenfrei bis zum Po mit relativ tiefem Ausschnitt, dazu die passenden High Heels mit 8cm Hacken, auf denen ich nur mühsam wie ein Storch im Salat herumstakste. Eine perfekt gestylte Fassade, ein Vorzeigepüppchen für meinen Chris, der sichtlich stolz war, mich an seiner Seite zu haben.
Ich musste lachen, als ich mich umsah und das gleiche tat, wie alle hier, ich checkte die Leute ab. Männlein wie Weiblein, wobei die Frauen die weitaus lohnenswertere Beute abgaben.
Die Männer waren nämlich mehr oder weniger jung, was auch für die Frauen galt. Nur, dass diese auffällig unauffällig ihre gemachten Titten zur Schau stellten, ihre wulstigen U-Boot-Lippen, gestraffte Gesichter, diese rekonstruierten Körper, die kaum noch etwas Natürliches an sich hatten. Und dennoch waren sie an Arroganz und Hochnäsigkeit nicht zu überbieten, obwohl sie ohne die goldenen Kreditkarten ihrer Männer vermutlich irgendwo mit einer Kittelschürze am Herd stehen würden. Wie gesagt, mich belustigte das und war wohl auch das einzige, was mir an dem Abend die Langeweile vertrieb.
Schwer hingen die dicken Klunker an meinen Ohren und zogen mir unangenehm die Läppchen lang. Das Collier auf meinem Dekolletee fühlte sich an, als brenne es mir Löcher in die Haut. Wo lag der Reiz bei solchem Schmuck, mit dem man sich – ich zumindest – nicht wohlfühlte und der doch die meiste Zeit im Tresor liegen musste. Natürlich starrten die Männer dorthin, wo das Funkeln und Glitzern meine sonstigen weiblichen Vorzüge ‚brillant‘ in Szene setzten. Genau die Vorzüge, die ich wegen der rückenfreien Garderobe eben nicht in einen BH zwängen konnte, und die deshalb befreit jeder Unterwäsche gefällig in meinem Kleid herumschaukelten.
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