Amor porteño

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Amor porteño

Amor porteño

Tanguera

Lange haben wir heute gearbeitet, saccada atrás, boleo linear, schließlich eine Choreographie. Mir schwirrt der Kopf von soviel Training, Corazón de oro hallt in meinen Ohren, meine Füße schmerzen in den hohen Absätzen. Mitten in der Musik brechen wir synchron, beide sind wir zu erschöpft. Ich gleite am Türrahmen zu Boden. Endlich können sich meine Zehen wieder bewegen, ich trinke erstmal, genieße die Ruhe, dehne meine Muskeln. Wie ich sitzt du jetzt da, reibst dir die Füße, spannst aus. Dein anerkennendes Nicken zeigt mir, dass du zufrieden bist mit dem, was wir heute geschafft haben. Wir diskutieren, finden einige Änderungsmöglichkeiten – aber nicht mehr heute. Gemeinsames Schweigen.

Nach einigen Minuten richtest du dich auf, siehst mich fragend an: „Organic tango?“ Oh ja, das ist ein schöner Abschluss. Unser eigener Tanzstil, entdeckt nach einer langen, durchtanzten Nacht zwischen flirrender Begeisterung im Herzen und Müdigkeit. Tango ohne Schuhe, nicht in Tanzhaltung, sondern in inniger Umarmung. Nicht mehr ein technisch-ästhetisches Kunstwesen mit publikumswirksamen Posen, sondern erdverbunden, langsam, schwer wie Samt, den Boden liebkosend und von so intensiver Körperlichkeit, dass es wehtut.

Heute werde ich Gotan auflegen. Amor porteño. Diese Musik, die nicht in den Kopf, auch nicht in die Füße, sondern direkt in den Unterbauch geht und dort ein dumpfes Pochen hervorruft. Sinnlich-schwer, lustvoll…

Der Synthesizer quietscht in die Stille, langsam stehst du auf. Wie bewusst du dir deines Körpers bist. Jeder Muskel bewegt sich, zielgerichtet, kraftvoll, und doch mit Anmut. Das Schlagzeug setzt ein, harter Candombe-Beat. Du stehst da und wartest, selbstbewusst, stolz – und ich gehe auf dich zu. Setze Fuß vor Fuß, mit leicht nach außen gedrehten Zehen, spiele mit meinen Knöcheln. Mein Becken ist aufreizend erhoben, während meine Hand auf meiner Hüfte liegt. Die rauchige, volle Stimme setzt ein, sehnsüchtig und lockend in einem…

Una inquietante mirada...Dein Blick hebt sich zu mir, gleitet an meinem Hals hinab, rinnt über das Grübchen meines Schlüsselbeins, zwischen meine Brüste. Beunruhigend, ja, und erregend zu spüren. Meine Nippel richten sich auf, drücken sich dem Top entgegen, fangen deinen Blick… und meine Augen nehmen ihn auf, sehen dich an und lesen Lust. Ein Spiel… zwei, drei Schritte bin ich noch von dir entfernt – und du wirst sie nicht gehen, sondern warten.
De amor porteño…Amor porteño, die vielbesungene, unmögliche Liebe der Tangueros, die sich im Tanz ausdrückt, in der Wirklichkeit aber scheitert. Und auch die Lust, die, unausgelebt, sich vervielfältigt… ob du weißt, dass du für mich so eine Tango-Liebe bist? Dass mir deine Führung, die Verständigung unserer Körper im Tanz, Lust auf mehr macht?

Calid’ y cruel...Mit einem letzten Schritt bin ich bei dir, du willst mich schon an dich ziehen in unsere Tanzumarmung – und mit einem weiten Ocho-Hüftschwung drehe ich mich weg, bin nun an deiner Seite, lege meine Hand auf deine Schulter und liebkose deinen Nacken. Zärtlich und warm – und grausam, weil ich dir nicht gebe, worauf du wartest... Du bist verunsichert. Und gleichzeitig, das spür ich, beeindruckt dich, wie ich die Führung übernommen habe. Meine Hand rutscht über deine Schulter, meine Brüste schmiegen sich an deinen Rücken – und mein Bein legt sich um deine Hüfte, so dass du die Wärme, die zwischen meinen Schenkeln pulsiert, spüren kannst. Langsam lasse ich meinen Fuß über das Knie hinabwandern, setzte in elegantem Bogen auf, drehe mich direkt in deine Umarmung. Und du verstehst: jetzt darfst du mich führen. Saccada, mein zweites Bein fliegt in hohem Bogen über deine Hüfte, landet mit einem Haken auf dem Boden, und wir machen gemeinsam unseren ersten Schritt.

El misterio sensual…Jeder Schritt von dir streift meinen Oberschenkel, drängt sich zwischen meine Beine, streichelt die Innenseite meines Knies und löst in mir wohlige Schauer aus. Bei jeder Drehung lässt du deine Hand unnötigerweise auf meine Hüfte gleiten, legst sie um den Hüftknochen, streichelst mit deinem Daumen die Haut, die zwischen Top und Hose freigeblieben ist. Gänsehaut krabbelt über meinen Rücken, wartet darauf, dass deine Hand sie wegstreichelt.
Esa ilusión de amor porteño…Ist es ein Spiel oder Ernst, was hier geschieht? Ist das, was du tust, der perfekte Ausdruck der Musik – oder lebst du deine Lust aus, verkleidet in der Interpretation eines sinnlichen Tangos? Obwohl ich mir des Letzteren sicher bin, die Doppeldeutigkeit, die Unsicherheit ist ein Teil der Reizes. Wir wissen beide, dass wir Tango und Wirklichkeit nicht vermischen dürfen – oder doch?

Loco puñal, dulce, fatal…Dolch – leicht lächle ich, als ich diese Zeile höre. Du hast mich in einen enganche gezogen, so dass mein linkes Bein deinen Oberschenkel umklammert, und sich unsere Hüften aneinanderschmiegen. Und ich vermeine, mehr zu spüren - die Vorahnung dessen, was sein könnte, lässt in mir Lust aufsteigen, tief aus meinem Bauch.

Y yo que pensaba que no me importaba...Dass mich Tango jenseits des eigenen Erlebens erregen könnte, hatte ich nie angenommen – schließlich bin ich erfahren genug und weiß, was sein darf, was nicht. Du hast meine Grenzen verwischt, mich kopfüber gedreht – und ich genieße es. Mach weiter, du, führ mich diese unmöglichen Kombinationen, die meinen Körper erhitzen und meine Sinne Funken sprühen lassen. Und… lass mich dasselbe für dich tun.

Una caricia…Endlos spielt meiner an deinem Fuß, liebkost deinen Knöchel, zieht sich hoch, bis meine Zehen dein Knie berühren, um an der Innenseite wieder hinunterzugleiten, bevor ich dasselbe an meinem Standbein wiederhole, mich lasziv streichle, wie ich es mir von deiner Hand erwünschte, und mich endlich in den nächsten Schritt gleiten lasse. Dein hörbares Aufatmen zeigt mir, dass du es magst, wenn ich mitspiele...

Una señal, un deseo sutil...Wieder bringst du mein Bein dazu, sich um deins zu schlingen, wieder fügen sich unsere Hüften zusammen. Und nicht nur die. Dein Geschlecht legt sich zwischen meinen Schamlippen. Und auch wenn es durch den Stoff der Trainingshose ist – ich genieße das Gefühl, koste es aus und weiß, dass du es auch tust, als du anfängst, deine Hüften zu bewegen, deinen und meinen Körper in ein gleichmäßiges Kreisen bringst. Deine Bewegung, das sanfte Reiben, das meine Schamlippen anschwellen lässt. Meine Hand hat sich längst aus deiner gelöst, liegt auf deinem Po und drückt dich an mich, führt deine Bewegung. Du drehst deinen Kopf, legst ihn an meine Schulter, so dass du meinen Duft, der zwischen meinen Brüsten aufsteigt, in dich einsaugen kannst – herbes Parfum und der Duft meiner Haut, gemischt von der Wärme meines Körpers.
Längst sind wir stehengeblieben, hören nur noch auf die Musik, genießen die Bewegung des anderen und die Reaktion des eigenen Körpers. Vollkommenheit in diesem Moment und Unwirklichkeit jenseits davon. Geteiltes Erleben. Als die Musik endet, liegen wir uns immer noch in den Armen. Erschüttert von Geschehenen, unfähig, es zu verarbeiten. Langsam hebst du deinen Kopf, siehst mir sekundenlang in die Augen. Erregung, Glück, und verwirrte Trauer, weil wir dies nicht hätten teilen dürfen. Meine Hand versucht, sie aus deinem Gesicht zu streicheln, liebkost deine Wange zärtlich, beruhigend. Es ist gut, dass es geschehen ist.

Mit einer letzten, festen Umarmung will ich mich von dir lösen, mich verabschieden, als mich deine Arme zurückhalten. Deine Lippen tasten sich an meine Schläfe, hauchen einen Kuss darauf, wandern über meine Wange, über mein Kinn. Zärtlich, unendlich sanft, bis sie meinen Mund finden, ihn leicht berühren und – wir küssen uns. Ich bin zu verwirrt, und auch erschreckt über die Heftigkeit und Zärtlichkeit meiner Gefühle, als dass ich mich wehren wollte. Und mein Körper hat schon längst zugestimmt zu dem, was du tust. Meine Hände schlingen sich um dich, ziehen deinen Körper an mich, tasten über deinen Rücken, deinen Po, legen sich auf deine Brust. Meine Lippen spielen mit dir, wühlen sich zwischen deine, saugen, lassen los, nur um mit neuer Wildheit zurückzukommen.

Minuten, eine Viertelstunde, oder länger? Ich habe jede Empfindung verloren außer deinen Händen auf meinem Körper, deinen Lippen auf meinem Mund. Die Erfüllung einer Sehnsucht, die ich lange in mir trug. Und heute ist es geschehen. Ob es nur Ausrutscher war, ausgelöst durch die Musik, oder der Auftakt zu mehr? Ich weiß es nicht. Aber nach dem nächsten Training werde ich wieder Gotan auflegen.

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