Angst

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Die Angst kroch durch das dunkle Haus, kroch in jede Ritze des knarrenden Parkettbodens, bis sie Julias Bett erreicht hatte und es wie eine dunkle Wolke umschloß. Julia hüllte sich noch fester in die Bettdecke, die sie über den Kopf gezogen hatte, und versuchte vergeblich, die Geräusche des Hauses aus ihrem Kopf auszuschließen.
Die Angst kam jede Nacht, seit Tom weg war, so fest Julia auch alle Türen und Fenster schloß und verriegelte. Er war Montag abgereist zu der Fortbildung, „nur eine Woche, mein Schatz“, hatte er gesagt. Heute war Donnerstag. Der vierte Tag. Noch zwei weitere Nächte ohne ihn, allein in dem großen Haus, das ihr schon immer etwas zu weit abseits gelegen gewesen war. Aber Tom war begeistert gewesen, also hatten sie es gekauft. Schließlich war es ja sein Geld. So war es schon immer gewesen, bei allen gemeinsamen Entscheidungen.

Der Parkettboden in der Diele knarrte ungewöhnlich laut, und Julias sowieso schon erhöhter Pulsschlag beschleunigte sich, verstärkte sich, so daß sie ihn an ihrem Hals dröhnen fühlte, ohne mit der Hand hinzufassen. Die Wolke aus Angst, die sie umschloß, und die die Bettdecke nicht abzuhalten vermochte, verdichtete sich.
Da! Ein erneutes Knarren! Doch diesmal auf den Treppenstufen, die zu ihrem Schlafzimmer im ersten Stock hochführten. Julia griff nach der kleinen Pistole, die sie die letzten Nächte immer mit ins Bett genommen hatte, griffbereit unter dem Kopfkissen deponiert. Tom wußte nicht, daß sie die Waffe besaß, sie war sich sicher, er hätte kein Verständnis dafür gehabt, hätte sie wieder als Feigling beschimpft.
Und plötzlich, kurz bevor sich die Tür zu ihrem Zimmer öffnete, wußte Julia, daß jemand im Haus war. Sie richtete sich im Bett auf, und als die Tür leise aufgeschoben wurde, hatte sie die Pistole schon entsichert und auf die Stelle gerichtet, wo jetzt der Einbrecher stand. Ein Schemen in der Dunkelheit. Julias Gedanken überschlugen sich panisch. Sollte sie jetzt einfach schießen? Oder mußte sie ihn vorher warnen? Hätte sie dann noch eine Chance? Aber sie sah so wenig, und die Dunkelheit machte ihr Angst.
Und plötzlich hörte sie sich selber sprechen und war überrascht, wie ruhig ihre Stimme klang.
„Ein Schritt vorwärts, und ich schieße. Mach das Licht an, und ja keine falsche Bewegung.“
Der Schemen erstarrte.
„Ich...“
„Klappe. Mach das Licht an.“
Julia hörte sich ungläubig selber zu, und ein seltsames Erregungsgefühl durchflutete sie und mischte sich in ihre Angst. Der Mann tastete nach dem Lichtschalter, ziemlich weit unten neben der Tür, da, wo sie sich erst lange daran hatte gewöhnen müssen, ihn zu suchen.
„Julia...“
„Halt die Klappe, Tom.“
Das Licht ging an, und Julia sah in Toms verunsichertes Gesicht, auf dem sich deutlich auch eine nicht übersehbare Portion Angst spiegelte. Doch dann lächelte er, lächelte sein charmantes Lächeln, mit dem er sie schon immer eingewickelt hatte, in allen Lebenslagen, sie und alle anderen Menschen in seinem Umfeld.
„Julia, Schatz, ich bin es! Du kannst die Pistole jetzt weglegen.“
Er lächelte noch strahlender und ging einen Schritt auf das Bett zu. Julias Hand, in der sie die Pistole hielt, machte eine kleine, aber deutliche Bewegung.
„Keinen Schritt weiter, habe ich gesagt.“
„Julia, was ist los?“
Er erhob die Stimme.
„Hör augenblicklich auf mit dem Unsinn! Und jetzt leg dieses Spielzeug weg – woher hast du das Ding eigentlich?“
Julia hörte, wie die Angst in seine Stimme zurückkehrte, und jetzt war es an ihr zu lächeln.
„Ich muß mich doch vor Einbrechern schützen, wenn du es nicht tust. An einsamen Abenden wie heute zum Beispiel, wo mein lieber Gatte auf Fortbildung ist.“
„Julia, was soll der Blödsinn? Ich bin’s, Tom, und ich stehe hier in deiner Tür!“
„Die Fortbildung geht bis Sonntag, du kommst erst in drei Tagen wieder.“
Julia stieg aus dem Bett und trat ein paar Schritte zur Seite. Sie machte eine richtungsweisende Bewegung mit der Pistole.
„Bitte, mach es dir bequem.“
Zögernd trat Tom in das Zimmer und ließ sich schließlich auf dem Bett nieder, den Blick auf die Pistole in ihrer Hand fixiert.
„Julia...“
„Du sollst die Klappe halten. Obwohl, nein, erzähl mir von der Fortbildung, und warum du schon zurück bist.“
Tom starrte sie an, und Julia stellte zufrieden fest, daß der letzte Rest seiner unverwüstlichen Selbstsicherheit aus seinem Gesicht gewichen war.
„Ok, ich war nicht auf Fortbildung.“
Julias Hand zuckte. Ein panischer Unterton mischte sich in Toms Stimme und ließ sie fast hysterisch klingen.
„Julia, hör mir zu: Ich liebe dich! Da gab es eine andere Frau, aber ich bin heute Nacht zurückgekehrt, weil ich erkannt habe, daß ich nur dich liebe, daß du die Frau für mich bist, weil ich dir alles erzählen wollte. Julia, bitte!“
„Eine andere Frau“ – Julia lächelte bedrohlich - „ich weiß, Tom. Denkst du, ich hätte nie ihr Parfüm an dir gerochen, nie ihre Berührungen noch auf deiner Haut gespürt, wenn ich dich küßte?“
„Was hast du jetzt vor?“
Angst. Nackte Angst in seiner Stimme und seinen Augen. Sie zögerte einen Moment, doch nur einen ganz kurzen.
„Zieh dich aus.“
Er schaute sie ungläubig an.
„Sofort.“
Zögernd löste er seine Krawatte und knöpfte sein Hemd auf.
„Beeil dich.“
Hastig zog er es über den Kopf.
„Weiter.“
Mit nervös zitternden Fingern entkleidete er sich ungeschickt, bis er schließlich nur noch in Unterhosen im Bett lag.
„Was ist? Schüchtern?“
Sie grinste spöttisch, doch ohne eine Spur von Wärme in ihren Augen.
Tom streifte nach einem kurzen Zögern schnell auch noch die Unterhose ab, und jetzt lag er völlig nackt und schutzlos vor ihr. Julia betrachtete ihn nachdenklich. Er sah immer noch verdammt gut aus. Ja, sie wußte, was sie an ihm gefunden hatte, immer noch fand. Und er war erregt, auch wenn er sie fast panisch ansah.
Julia holte tief, aber leise, Luft.
„Und jetzt werde ich dich ficken.“
Ungläubigkeit mischte sich in Toms ängstlichen Blick. Das war nicht mehr die Julia, die er kannte, dachte sie zynisch grinsend.
„Hände hinter den Kopf!“ befahl sie, und er gehorchte.
Langsam trat sie auf das Bett zu, zog sich hoch, und dann setzte sie sich auf ihn und führte sein hartes Glied ein. Er stöhnte.
„Vorsicht. Wenn du zu früh kommst, erschieße ich dich.“
Er sah sie einen Moment ungläubig an, fast, als ob er lachen wollte, doch der Ausdruck auf seinem Gewicht verwandelte sich gleich wieder in Angst, als sie ihn unbewegt anschaute, die Pistole beständig auf seine Brust gerichtet.
Langsam begann Julia, sich auf ihm zu bewegen, und sie genoß es, ihm ihren Rhythmus aufzuzwingen. Tom stöhnte und wand sich unter ihr, doch ein Blick und ein Zucken der Hand, in der sie die Pistole hielt, und er wagte es nicht sie anzufassen, sich ihrer Kontrolle zu widersetzen.
Die Mischung aus Angst und Geilheit in seinen Augen erregte sie, und sie bewegte sich schneller und schneller auf ihm, ritt ihn, bis sie selber fast die Kontrolle über sich verlor, und dann kam sie, wie sie noch nie bei ihm gekommen war.
Befriedigt rollte sie sich nach einem kurzen Moment von ihm herunter und griff nach der Pistole, die ihr irgendwann aus der Hand geglitten war.
Toms Glied war immer noch steif, und eine seiner Hände, die er die ganze Zeit hinter dem Kopf verschränkt gehalten hatte, wanderte nach unten.
„Raus aus meinem Bett.“
Lächelnd richtete Julia die Pistole wieder auf ihn. Tom starrte sie erst verständnislos, dann ungläubig an, und mit dem Begreifen kehrte die Furcht in seine Augen zurück.
„Julia... bitte...“
„Zieh dich an und verschwinde. Du hörst morgen von meinem Anwalt.“
Julia wedelte nachlässig mit der Pistole, und nach einem kurzen Zögern zog Tom sich hastig an und verließ das Zimmer nahezu fluchtartig. Wenig später hörte Julia unten die Haustür ins Schloß fallen. Tom hatte nicht abgeschlossen, doch das störte sie nicht. Sie wußte, ab heute Nacht würde die Angst nicht mehr zu ihr kommen.

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