Anita

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Anita

Anita

Juline Carreaux

„Alle hast du vertrieben, vergrault mit deiner bissigen, gemeinen Art. Allein wirst du bleiben, einsam, ohne Kinder, ohne Familie, ohne Partner.“Die Zigeunerwahrsagerin schaute mich bestürzt an aus ihren kohlrabenschwarzen Augen, schaute wieder in meine Handfläche und nickte.
Ich gab ihr missmutig eine fast wertlose Münze und stand auf. Es war dunkel und windig geworden, die meisten Gäste waren gegangen. Die Taverne war fast leer. Blöde Kuh, dachte ich bei mir und torkelte die Straße entlang. Was weißt du schon von mir? Du weißt nichts.
Aber ich wunderte mich trotzdem in meiner tumben Weinseligkeit. Normalerweise sagen diese Zigeunerinnen nur Positives, um von einem Geld abzuzapfen. So Eine war mir noch nie begegnet und vielleicht war alles nur ein Tagtraum gewesen. Seitdem Anita weg war, hatte ich mich verändert. Die Welt war für mich zum feindlichen Ort geworden.
Vor vielen Jahren war ich verheiratet gewesen. Mit Anita. Sie sah gut aus. Sehr gut sogar. Dunkelblond mit hellen Strähnen im Sommer. Ihr Körper war füllig, aber er fühlte sich so weich an, wenn ich sie berührte, so verdammt weich. Wenn ich sie aus dem Studio anrief und sagte, du, Anita, heute ist wirklich ein Scheißtag, dann wartete sie tatsächlich in schwarzer Seidenunterwäsche auf mich, hatte Kerzen in allen Formen und Farben angezündet, Champagner kühl gestellt und sogar gekocht. Sie konnte zwar nur Spaghetti kochen, aber ich fand das damals süß.
Und dann kam der Absturz. Sie reichte die Scheidung ein, weil ich sie angeblich betrogen hatte. Mit Moni, einem Fotomodell aus dem Ruhrgebiet. Ich konnte mich auf den Kopf stellen, meine Unschuld beteuern, meine Liebe versichern, ihr Nougatkonfekt schicken und Rosen in allen Farben - es nützte alles nichts.
Plötzlich stand ich hier allein im Regen. Kotzte mir die Seele aus dem Leib. Geistig verwirrt vor Schmerzen und Einsamkeit. Ich hab gelitten wie ein Hund, wirklich. Ich fand alles so ungerecht, so verrückt, aber ich war machtlos.
Ich sperre die Tür zu meiner trostlosen Einzimmer-Wohnung auf. Alles kahl, leer. Keine Bilder an den Wänden, keine Pflanzen. Spiele im falschen Film mit. Schwarz-weiß. Kaputt. Keine Lust. Einfach keine Lust mehr.

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Gedichte auf den Leib geschrieben