Kröschenbrunnen liegt an einem kleinen Fluss, im Niemandsland zwischen Trubschachen und Wiggen.
Aber es gehört zu den Eigenheiten der Schweiz, dass ausgerechnet in den verlassensten und einsamsten Gegenden des Landes die schönsten Menschen geboren werden. Zu ihnen gehörte zweifellos Anna, das sechste Kind einer kinderreichen Familie, deren Vater kaum wusste, wie er seinen Nachwuchs durchbringen sollte. Weil es für ihn aber von der harten Arbeit auf dem Hof keinerlei Ablenkung gab und er sich Ausflüge in einen der Gasthöfe im nahen Trub keinesfalls leisten konnte, musste eben Käthe, seine Ehefrau, herhalten. Rolf war ausgesprochen besitzergreifend, und Käthe war sein. Auf dem Küchentisch, wenn die Kinder schliefen. Im Stall, während die erschöpfte Frau die Kälber tränkte. Vor dem Kachelofen, der wegen des fehlenden Holzes kaum Wärme hergab. Also holte sich Rolf die Wärme vom Körper der vielfachen Mutter, für ihn war sie die Quelle all dessen, was ihn befriedigen und glücklich machen konnte.
Damals war dies das Schicksal vieler Frauen, ein Schicksal, das heute lediglich noch von Philippinas geteilt wird, die in Manila leben. Jahr für Jahr für Jahr. Kind für Kind für Kind. 200 Geburten pro Stunde. Sex bis zur Besinnungslosigkeit, zugunsten der Männer, zu Lasten von Frauen wie Käthe. Und doch hatte sich deren Körper über all die Jahre sehr gut gehalten. Noch immer war ihr Fleisch straff, ihre Brüste folgten zwar der Schwerkraft, hatten aber nichts an Attraktivität eingebüsst. Und Käthe hatte ihren Prachtarsch an Anna, ihre mittlerweile 17jährige Tochter, weitervererbt. Weil aber Anna auf dem Hof gehalten wurde – ihr Vater tat sich schwer, sie zur Schule zu schicken, weil ihm dann eine wertvolle Arbeitskraft gefehlt hätte - wusste sie nichts über die damalige Gesellschaft, nichts über die Begierde, den Sexus, der jeden Mann dieser Welt um den Verstand bringt, nichts über die stolze Schönheit eines unnahbaren Frauenkörpers. Wie auch Annas Schwestern – es waren insgesamt 12 Geschwister, kannte sie keinerlei Scham. Es machte ihr nichts aus, sich draussen am Brunnen gänzlich auszuziehen und sich von Kopf bis Fuss zu erfrischen.
Derart atavistische Lebensweisen waren bereits am Anfang des 18. Jahrhunderts, in dem diese Geschichte spielt, längst überholt. Wer es vermochte, schickte seine Kinder zur Schule, auf dass sie wenigstens lernten, wie man schreibt und wie man mit Werkstoffen umgeht. Den Mädchen war das Stricken und das Nähen vorbehalten, zudem gab es in Trub einen wertvollen Webstuhl, an dem die jungen Frauen täglich das Weberschiffchen hin und her jagten, bis die Finger geschwollen waren oder sogar bluteten.
Nun begab es sich, dass auf dem etwas weiter entfernten Weberenhof, der mittlerweile abgebrannt und dem Nebel der Zeit anheimgefallen ist, Silas aufwuchs. Silas war geistig zurückgeblieben, aber ein herzensguter Kerl, der seinen Eltern zur Hand ging, wo er nur konnte. Silas war das einzige Kind der Weberfamilie, weil die Bäuerin vom einzigen Stier einen Tritt in den Bauch bekommen hatte, der leider zu Gebärunfähigkeit führte. Jonas und Sabine Weber liebten ihren Silas über alles, und ihm wurde wesentlich mehr Nähe zuteil als den elf Schwestern von Anna. Und in Silas entwickelte sich früh ein Sinn für das Schöne. Für kräftiges, geflochtenes Frauenhaar, wie es Annas Mutter Käthe trug. Haar, von der Sonne durchleuchtet, vom manchmal rauen Wind in der Gegend aufgefrischt. Und Silas hatte eine Schwäche für Rundungen. Im Grunde sieht das gesamte Emmental, wo er aufwuchs, aus wie ein Frauenkörper. Lockende Hügel, sanfte Anhöhen, zart von der Sonne gekitzelt, und die Bauernhöfe auf den lockenden Hügeln gemahnten an vom Wind versteifte Nippel.
Silas ging, wie Anna, ebenfalls nie zur Schule, weil seine Eltern ihn auf dem Hof brauchten – zum Holz hacken, zum Brennspäne schneiden, zum Wassertragen, zum Reinigen des Ziegen-, des Schweine- und des Kuhstalls. Gleichmütig verrichtete Silas Tag für Tag die ihm aufgetragenen Arbeiten. Er war von heiterem Gemüt, denn sein Verstand liess es gar nicht zu, das Sehnen, das Reissen, das Fernweh. Silas genügte sich selbst, und wäre er unsterblich gewesen, hätte er seine einfachen Arbeiten, zu Diensten seiner Eltern, wohl Jahrhunderte lang verrichtet. Silas war gleich alt wie Anna, und trotz seines einfachen Gemüts erkannte er die blendende Schönheit von Annas drallem Körper, als er eines Tages einen Kessel mit Milch zum Hof von Annas Eltern schleppte und der nackten Anna gewahr wurde, wie sie sich am Brunnen wusch.
Das Bild wäre ein Gemälde wert gewesen. Ein leicht grauer Morgenhimmel, der schlichte Steinbrunnen, davor Anna, allein, die sich nach unten bückte, um den Holzkübel mit frischem Wasser hochzuziehen. Natürlich hatte Silas noch nie eine nackte Frau gesehen, eine, die sich bückte, schon gar nicht. Annas riesige Arschbacken erinnerten ihn an das Brötchen, der ihm der Bäcker in Trub einst an einem der seltenen Ausflüge geschenkt hatte. Anna und Silas kannten sich, seit sie Kinder waren, und so kam es, dass sich Anna trotz ihrer Nacktheit vor ihrem Jugendfreund überhaupt nicht schämte. Sie wandte sich ihm zu, und Silas blieb der Mund offen, als er ihrer schweren Brüste gewahr wurde. Sie gemahnten ihn an die Euter von Lisi, seiner Lieblingskuh, und oftmals, wohl aus einem Instinkt heraus, tat er mehr, als Lisi nur zu melken. Er streichelte ihre Euter, massierte sie gar, was eine tiefe Vertrautheit zwischen ihm und dem milchgebenden Tier entstehen liess.
Nun also die nackte Anna. „Du... schön“, stammelte Silas mit gutturalen Lauten. Seine Spracharmut ermöglichte es ihm nicht, stärkere Emotionen auszudrücken, sehr wohl aber seine geweiteten rehbraunen Augen und seine unmissverständliche Körpersprache, die darauf hindeutete, dass Anna gerade daran war, ihn zu hypnotisieren. Als wollte Anna diese Emotion noch verstärken, griff sie sich ins Haar, kämmte es mit blossen Fingern nach hinten, um dann mehrmals den Kopf zu schütteln und so das Wasser stieben zu lassen – auch in Richtung von Silas, der regungslos stehen blieb. Er sah nicht etwa Wassertropfen, sondern kleine glitzernde Edelsteine, die Anna mit ihrem Haare schütteln von sich wegschleuderte. Auch Annas hübsches Wäldchen entging ihm nicht, und Silas atmete tief durch.
Er, dem Sprache schwerfiel, hatte aber eine sehr reiche Innenwelt, und Anna, das Bild, das er sich an jenem Morgen von ihr hatte machen dürfen, würde ihn sein ganzes Leben lang nie mehr verlassen. Wortlos stellte er den Milchkessel vor Anna hin. Dann übermannten ihn die Gefühle. Er machte rechtsumkehrt und rannte zurück auf den elterlichen Hof. Dort schloss er sich in seiner Kammer ein und erleichterte sich mit ein paar Hin- und Her- Reibbewegungen an seinem prallen Schwanz. Viel bedurfte es nicht, bis er an die wacklige Holztür spritzte, die ihn von der Aussenwelt abtrennte und ihm eine minimale Privatsphäre bot. „Anna“, schrie er. „Anna!!!“. Das hörte seine Mutter, die gerade draussen vorbeiging, und zuerst dachte sie, er schreie sich einen Schmerz aus dem Leib, einen Schmerz aus den Tiefen seiner verletzten Seele, die sie als seine Mutter niemals würde ausloten können. Aber sie liebte ihren Sohn und drückte auf die rostige Türfalle. Im letzten Moment gelang es Silas, seine schwere, dunkle Hose hochzuziehen, dann begegnete er schwer atmend seiner Mutter. „Silas...“, sagte diese nur, und ihr schwante Unheimliches. „Silas... Brei“, sagte sie. Haferbrei war die Mahlzeit, die sich damals auch die ärmsten Bauernfamilien leisten konnten.
Das Privileg von Silas aber war, dass auf dem Weberenhof drei Bienenstöcke standen. Silas' Vater war ein erfahrener Imker, und so wurde der stets etwas trockene Haferbrei mit Honig aufgeweicht und versüsst.
Dann weihnachtete es. Es ging die Kunde, dass am Rand der Truber Gemeinde, in einem leerstehenden Gebäude, ein Krippenspiel aufgeführt werden sollte. Greta, die junge Frau, die die Maria hätte spielen sollen, war akut an einer Lungenentzündung erkrankt – damals ein sehr häufiges Ereignis. Der ansässige Pfarrer, ein 60jähriger Lüstling, der die Bibel zu seinen persönlichen Zwecken auslegte, liess es sich nicht nehmen, persönlich von Hof zu Hof zu eilen, um einen Ersatz für Greta zu finden, die mit hohem Fieber darniederlag. Er schreckte nicht einmal davor zurück, den Elgerenhof, wo die arme Greta auf einer Strohmatte lag, aufzusuchen, ihr das leinene Nachthemd aufzuknöpfen und ihre nackten Brüste mit Weihwasser zu besprenkeln – im Namen des Heiligen Geistes.
Dieser widerwärtige alte Mann machte sich nun auf den Weg über die Hauptstrasse nach Kröschenbrunnen, weil ihm die Kunde zugetragen worden war, dass dort sehr viele junge Mädchen lebten. Annas Eltern blieben der Kirche fern. Annas Vater war ein knurriger Bauer, der sich an den Sonntagen lieber mit seiner Frau beschäftigte als zu beten, Annas Mutter blieb der Kirche aus demselben Grund fern. Ihr Mann beschäftigte sich mit ihr, auf dass dem Rolfenhof, wie der Hof nach dem Namen des Familienoberhaupts benannt wurde, weiterer Kindersegen beschert würde. Als der Pfarrer anklopfte, war es zuerst totenstill. Rolfs Familie war sich Besuch nicht gewöhnt – ein einziges Mal war der Dorfpolizist vorbeigekommen, weil er einen Verdacht hegte. Die Produktion von Absinth, streng verboten, aber in den Kellern der Emmentaler Bauernhöfe fleissig produziert, brachte der verarmten Bevölkerung eine kleine Einnahmequelle. Auch Rolf produzierte und verkaufte die so genannte „grüne Fee“, aber nicht im Kartoffelkeller, wo der Polizist nachschaute, sondern in einem Holzverschlag etwas ausserhalb des Familienhofs, mitten in einem zumeist nebligen Wald.
Annas Mutter öffnete die Tür und liess den hohen Besuch ein. Der Gottesmann wurde sofort der hübschen Anna gewahr, die sich soeben draussen am Brunnen gewaschen und sich Zöpfe ins Haar geflochten hatte. „Du sollst es sein“, sagte Pater Noster, wie der Mann sich unbescheiden nannte, und wies Anna auf, aufzustehen. „Du sollst die Maria in unserem Krippenspiel sein“. Anna schluckte leer, tat wie geheissen und stand auf. Der Pater Noster trat vor der wortlosen Familie auf sie zu und musterte sie von oben bis unten wie ein Stück Vieh. Dann forderte er Anna auf, ihre Bluse zu öffnen. Annas Mutter wollte Einhalt gebieten, wurde vom Vater aber daran gehindert. „Der Pfaff weiss schon, was sein muss“, knurrte er, als Annas Leinenbluse an ihr herabglitt und ihre prallen Brüste freigab. Der Pfarrer entnahm seinem Rock ein Fläschchen mit Weihwasser und träufelte ein paar Tropfen auf Annas Busen. Dann liess er seine Fingerspitzen kreisen und verteilte die Flüssigkeit auf Annas empfindlicher Haut. Ohne Anna aufzufordern, sich die Bluse wieder anzuziehen, strich der Gottesmann lüstern über Annas Hintern. „Morgen Abend im Sillerentenn“, sagte er knapp. Mit „Sillerentenn war das leerstehende Gebäude gemeint, in dem das Krippenspiel wenige Tage später stattfinden würde.
Als der Pfarrer die sprachlose Familie verliess, erblickte er draussen auf dem Hof den geistig beeinträchtigten Silas, im Grunde ein hübscher, gut gewachsener Bursche. „Du machst den Josef“, sagte der Pater Noster feierlich, aber bestimmt und machte sich auf den Weg zum Weberenhof, um Silas' Eltern zu informieren. Auch für unregelmässige Kirchgänger war der damalige Autoritätsglaube enorm, niemand hätte sich dem Pater Noster zu widersetzen gewagt, was dieser schamlos in seine Leidenschaft, was junge Frauen anging, ummünzte.
Einen Abend später war es so weit. Der Weg zum Sillerentenn wurde mit Fackeln erleuchtet, Anna nahm Silas, der ihr treu ergeben war, an der Hand und führte ihn zum Gebäude. Das Krippenspiel lebte weniger von auswendig gelernten Texten als eher von Stimmungen. Sogar zwei Esel waren herbeigeführt worden, ein frisch geborenes Kalb und ein kleiner Gabentisch. Darauf stand ein Holzgefäss, das die milden Gaben an die Kirche in sich aufnehmen würde – vor, während und nach dem öffentlichen Krippenspiel. Josef fand seine Rolle sofort. Er musste sich im Hintergrund halten, denn er hatte ja nur eine Nebenrolle inne. Durch ihn hindurch floss der Heilige Samen von Gott, unserem Schöpfer. Maria alias Anna hatte diesen Heiligen Samen mit ihrer güldenen, geheiligten Adnexe empfangen, durch sie hindurch würde nun die ewiglich währende Glut des Christentums fliessen. Das Jesulein wurde durch eine hübsch verpackte Strohpuppe dargestellt, und auch die drei Könige waren vorhanden, wobei es sich bei zwei von ihnen um als Patriarchen verkleidete Mädchen handelte, mit dichtem Haarwuchs und geschwärzten Gesichtern.
Zwei Tage später kam es zur Hauptprobe, an der der Dorfpfarrer die Rolle übernahm, bei den weiblichen Schauspielern die Kleider zu richten.
Dann war es so weit. Selbst der knurrige Rolf, Annas Vater, von kirchlichem Leben weitgehend abstinent, die erschöpfte Käthe, Annas Mutter, mit Ringen unter den Augen, aber so liebevoll zurecht gemacht, wie sie es eben vermochte, die Eltern von Silas, eine ganze Corona von Anna-Schwestern sowie zahlreiche Bürgerinnen und Bürger aus der Gemeinde Trub versammelten sich auf den Holzbänken. Die Fackeln bei der Eingangstür zauberten gespenstische Schatten auf die Bühne, das Halbdunkel verstärkte den Mythos der Hohen Geburt. Im Passgang führten zwei Bauernjungen die beiden Esel herein, das frisch geborene Kalb bockte am Anfang ein wenig, aber nach zwei gezielten Tritten in die Hinterbeine tat es, was es tun sollte, nicht aber ohne am Bühnenrand einen dampfenden Haufen zu hinterlassen. Derlei war sich aber die bäuerliche Bevölkerung gewöhnt, das Exkrement wurde geflissentlich ignoriert.
Die auf der Bühne Versammelten eröffneten den Reigen mit zwei schlichten Weihnachtsliedern, dann trat Maria aus dem Bühnenhintergrund nach vorn, faltete die Hände und beugte sich übers Jesuskind. Die sich bückende Maria löste in Silas etwas aus. Der als Josef Verkleidete, in einem langen, mit einer Kordel zusammengehaltenen dunklen Umhang, trat dicht hinter Maria und entsann sich des Moments, in dem er Anna nackt am Hofbrunnen gesehen hatte, sich in derselben Weise nach vorn bückend. Da hielt ihn nichts mehr zurück. Er fasste den Saum von Marias blauem Kleid, das von Ursina, einer geschickten Magd, genäht worden war, und zog ihn hoch. Dann schob er die leinene Hose der Hauptdarstellerin nach unten. Maria bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen – man bedenke nur den Tumult, den Silas-Josephs Aktion ausgelöst hätte. Joseph befreite seinen Speer unter dem Umhang und schob ihn zwischen Marias Schenkel. Im Grunde passte alles zusammen, denn der Heilige Abend und Weihnachten sind ja nichts anderes als ein Geben und Nehmen. Als Joseph Marias warmen Riesenhintern an seinem Bauch spürte, sagte er laut „Amen“, und drang mit einem kräftigen Ruck in die stehende Maria ein. Diese krallte sich an der Krippe fest. „Aaaamen“, echote sie, und noch einmal: „Aaaamen“. Mit kurzen, regelmässigen Stössen vögelte Silas seine Anna in den siebten Himmel, während dem, so will es die Sage, über dem Emmental für kurze Zeit ein Komet aufleuchtete. Dann sah Maria Farben, die sie noch nie gesehen hatte, die Patriarchen verneigten sich vor ihr, sie drückte das Jesulein an ihre Brust, während Silas sich in ihr drin bewegte und seinem ersten echten Orgasmus entgegen keuchte. Beide kamen gleichzeitig.
Das Publikum ahnte nichts. Selbstverständlich wurde da und dort bemerkt, dass Josef sehr nahe an Maria dran war, aber das ist der Geschichte geschuldet, dachten die Menschen.
Einzig der Pater Noster entdeckte später die Spermaflecken an Josefs Umhang. Er dachte sich aber nichts dabei und vermutete lediglich, es seien seine eigenen Spuren.
Und überall weihnachtete es sehr.
Annas Kehrseite
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