Als Anouk, die zierliche, feingliedrige Anouk, die ausladende Treppe zur psychiatrischen Klinik hochstieg, in der sie in den nächsten Wochen betreut würde, hätte niemand vermutet, welch strahlende, kräftige Frau bereits Mitte März des Jahres ebendiese Klinik wieder verlassen würde.
In einen unscheinbaren Trainingsanzug gekleidet, mit einer grün-orangenen Adidas-Tasche an ihrer Seite, betrat Anouk mit schleppendem Gang die Empfangshalle. Sie wusste es, und alle Beteiligten wussten es: Das Experiment konnte misslingen. Es konnte misslingen, diese junge Frau rund um die Uhr von Kleinwüchsigen betreuen zu lassen, in einer Art Symbiose. Die Kleinen, wie sie in dieser Erzählung genannt werden, konnten zur gertenschlanken jungen Frau hochblicken, was ihre Libido in nicht zu unterschätzendem Masse anregte. Anouk ihrerseits, die in der Gesellschaft nie wirklich ihren Platz gefunden hatte, konnte sich stark fühlen, indem die Menschen um sie herum ihr bestenfalls bis zur Brust reichten. Anouks Brüste. Unauffällige, aber hübsche Rundungen, die sie früher immer so gerne berührt hatte, vor dem Einschlafen. Anouks Schenkel. Auch da hatte sie sich gerne gestreichelt, bis sie der Lebensmut verlassen hatte.
Die Privatklinik Magerberg jedoch würde es wieder richten. Angesagt waren wochenlange Empathie, zahllose Gespräche, die Anouk in ihre Kindheit zurückführten, Hypnose, Meditation, Musiktherapie. Als Erstes wurde die junge Frau direkt in ihr Zimmer geführt, das sich zuhinterst in einem Korridor befand, im 3. Stock eines spätromantischen Gebäudes mit entsprechend verschnörkelter Treppe und Stukkatur an den Decken. Im ersten Moment befremdeten Anouk die kleinen Menschen um sie herum, bald aber nahm sie deren Offenherzigkeit als erwärmend und glücklich machend wahr. Selbstverständlich war sich Anouk bewusst, dass ihr Körper nicht ohne Reiz war und dass bestimmt der eine oder andere unanständige Gedanke durch die Hirne der Zwergwüchsigen rollte. Aber im Moment war es ihr egal. Anouk wollte Geborgenheit und Ruhe, Geborgenheit und Ruhe, Geborgenheit und Ruhe. Dies würde hier in vollem Masse gewährleistet sein. Sobald der Psychiater Dr. Spring und Anouks Betreuer, Andres Rothen, ihr Zimmer verlassen hatten, sah sie sich um. Der Raum hätte schöner nicht sein können. Die altrosa Farbe an den Wänden roch frisch, der Fussboden war geheizt, und vom Bett aus genoss Anouk die Aussicht auf eine weitschweifige Hügelkette, die im Abendlicht glitzerte. Sie legte sich aufs Bett und seufzte. Der Lebensmut hatte sie schon vor längerer Zeit verlassen, aber sie hatte dennoch darauf verzichtet, sich von ihrem Vertrauensarzt Psychopharmaka verschreiben zu lassen. Sie zog eine Intensivbehandlung an der psychiatrischen Privatklinik Magerberg biochemischen Heilungsprozessen vor.
Nach wenigen Tagen hatte die junge Frau sich akklimatisiert, und in ihrer Nähe gab es immer etwas zum Lachen. Lachen als Primärtherapie. Lachenden Menschen geht es gut. So die Prämisse. In den ersten Tagen ging es folgerichtig darum, Anouk zuerst ein Lächeln, dann ein Lachen zu entlocken. Bereits am zweiten Tag des Aufenthalts erwiderte Anouk das Lächeln, das die erfahrenen Kleinen in ihr evozierten. Es ging darum, Anouks Innerstes wieder zu Leben zu erwecken. Warum sie in ein derart tiefes Loch versunken war, hätte sie nicht zu sagen vermocht. Zuerst waren da die Stimmungsschwankungen gewesen, von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt. Dann hatten ihre schulischen Leistungen nachgelassen. Wie eine welke Blume hatte sie sich jeweils auf den Heimweg gemacht, allein, denn ihre Freundinnen hatten sich von der in sich versunkenen Frau längst abgewandt. Wer nie aufgehört hatte, sich für sie zu interessieren, war Herr Filcho, der 63jährige Hauswart, der ihr einmal in der Tiefgarage seine Zunge in die Mundhöhle gedrückt und ihr das T-Shirt hochgeschoben hatte, aber das ist eine andere Geschichte. «Du willst es doch», hatte er gekeucht, und das hatte ihr den Rest gegeben. «Du willst es doch.»
Der Kitzeltherapie, die am Magerberg in den ersten Tagen durchgeführt wurde, unterzog sich Anouk ohne Probleme. Klar, sie musste sich bis auf die Unterwäsche ausziehen und sich so ihr völlig unbekannten kleinen Männern zeigen. Diese behandelten sie aber derart seelenvoll, dass es Anouk noch nicht einmal etwas ausgemacht hätte, sich ganz auszuziehen. Die Kleinen schienen Anouks Grenzen genau zu spüren, und niemand nutzte die Situation aus und berührte Anouk ungebührlich. Wichtig war der Vertrauensaufbau, wichtig, wenn nicht sogar absolut zentral. Anouk entspannte sich, bekam weiche Knie, verwandelte sich zu Butter unter den zärtlichen Streicheleien der Kleinen, fünf bis sechs an der Zahl. Sie lag auf einem sanft beleuchteten Behandlungstisch, mit leicht gespreizten Beinen, und gab sich den Berührungen hin, Berührungen durch erfahrene Männer, die allesamt auf kleinen Holzpodesten standen. Zwölf Hände auf Anouks Körper. Zwölf Hände, die konzertiert ihren Bauch, ihre Oberarme, ihre Schenkel streichelten. Und, klar, Anouk fühlte in sich Erregung aufkeimen, zum ersten Mal nach der seelischen Leere, die sie in den letzten Wochen und Monaten empfunden hatte. Sie ahnte, dass ihre Erregung auch den Stoff ihres Slips anfeuchtete, in einer länglichen, dem Baumwollstoff entlanggezeichneten Spur.
Das entging auch den Kleinen nicht, die bedeutsame Blicke wechselten. Anouk war auf dem Weg zu sich selbst. Der wesentliche Teil der Kitzeltherapie bestand darin, Anouk zum Lachen zu bringen, ihr Zwerchfell zu trainieren. Darum fanden die Kitzeleien mit gespieltem Ernst statt. Die Männer gaben sich seriös, wie Forscher, und es war unumgänglich, dass Anouk losprustete. Selbstvergessen in ihrem Lachen spürte sie nicht, dass die eine oder andere Hand sich doch sehr stark der Stelle näherte, an der ihre schlanken Schenkel zusammentrafen. Mit Mühe unterdrückten die Kleinen ihre aufkeimende Lüsternheit. Alle Schwänze waren prall und erregt, aber sorgsam unter weiten, weissen Beinkleidern versteckt. Anouk sollte davon erst in einer späteren Therapiephase etwas mitbekommen.
Nach solchen Therapie-Sessions liess sie sich erschöpft in ihr Bett sinken, und das Letzte, was sie sah, war die weitgreifende Hügelkette, die ihre Seele wärmte. Ausserhalb der festgelegten Tagesstruktur, zwischen Frühstück, Krankengymnastik und Musiktherapie war Anouk verhältnismässig viel Freizeit beschieden. Niemand erachtete es als therapeutisch sinnvoll, die Tage, die Anouk am Magerberg verbrachte, ausschliesslich mit Terminen zu füllen. So konnte sie ausgedehnte Spaziergänge unternehmen, sich in den hauseigenen Whirlpool setzen oder die Bibliothek besuchen, die jedem Kloster zur Ehre gereicht hätte.
Anouk hatte aber nicht nur einen Geist und eine Seele, sondern auch einen verlangenden Körper. Mehrere Beziehungen waren gescheitert, sie hatte sich den Männern hingegeben, sehnsuchtsvoll, anschmiegsam, offen, aber dann leider doch den einen oder andern Stromstoss erfahren müssen. Einst war Anouk eine sinnliche Frau gewesen, nun aber, ihrer Jugend zum Trotz, fast schon etwas verbittert und spröde.
Genau dort setzte die Therapie am Magerberg an. Bei Anouks Innerstem, ihrem Selbstvertrauen, ihrer Stärke, ihren tiefsten Sehnsüchten. Von Tag zu Tag wurden vor allem ihre Sehnsüchte wieder ans Tageslicht geholt, an zahlreichen Masturbationsseminaren erzählten die einen Patient_innen freimütig davon, wie sie ihre Orgasmen erlebten, andere wiederum mieden Blickkontakt und starrten ins Leere. Anouk befand sich, so betrachtet, etwa in der Mitte zwischen natürlicher Scham und explorativem Interesse.
«Anouk, the explorer», nannten sie verschiedene Kleine respekt- und liebevoll, Anouk, die Entdeckerin, Anouk, auf der Reise zurück zu ihrem Körper. Die Therapie-Sessions wurden immer intimer. Fand die Kitzeltherapie für Anouk anfänglich in Unterwäsche statt, machte es ihr nach drei Wochen bereits nichts mehr aus, ihre Kleider in alle Himmelsrichtungen zu verwerfen, bis sie endlich splitternackt vor den Kleinen auf dem Behandlungstisch lag, der Dinge harrend, die da kommen sollten. Und es ging nicht lange, bis ihr der eine oder andere Therapeut seinen festen, prallen Schwanz in die Hand drückte. Zuerst war Anouk irritiert, dann lernte sie, die Männer zu befriedigen, auf eine Art und Weise, die man nur als transgalaktisch bezeichnen kann.
Die meisten Kleinen waren schwul, was bedeutete, dass Anouk keinerlei Gang Bang oder gar Bukkake-Sessions drohten. Die Männer liebten es aber, von einer festen, zarten Frauenhand ins Paradies befördert zu werden.
Dann, endlich, das finale Masturbationsseminar. Vor Jahren hatte Anouk es aufgegeben, sich selbst zu befriedigen. Zu sehr hatten die Männer sie enttäuscht, zu sehr hatte sie sich von den Bildern entfernt, die durchs Fenster in ihr Schlafzimmer gekommen waren, um sich in ihrem Kopf festzusetzen. Sie hatte ihre Fantasie verloren und mit der Fantasie die Lust, an sich zu spielen.
Nun war sie mit Männern in blauen Roben umgeben, jeder auf seinem Holzschemel. Sanftes Licht erhellte den Therapieraum. Mit gespreizten Beinen lag die nackte Anouk auf dem Behandlungstisch, unter ihrem Kopf eine weinrote Kissenrolle. Wortlos drückte ihr einer der Therapeuten einen blauen Delphindildo in die Hand, einen Dildo mit zwei rotierenden Köpfchen, eingestellt auf mittlere Stärke. Die angenehme Akustik des Summens erfüllte den Raum. «Ganz ruhig jetzt, Anouk, mach es Dir, komm… mach es Dir… wir schauen Dir zu… beschützen Dich… komm, süsse Anouk… öffne Dich dem Dildo… jaaaah… Du machst das guuut…».
Diesen Worten konnte die junge Patientin nicht widerstehen. Sie spielte an ihrer steifen Clit, strich sich über die Innenseite der Oberschenkel, atmete tief durch und schob sich den Dildo in ihr Innerstes. Dann entwickelte sich das Naturwunder, das schon seit Jahrtausenden die Welt den Atem anhalten lässt. Anouks ganzer Körper geriet in Bewegung. Ihr Brustkasten hob und senkte sich, der eine oder andere Therapeut drückte sanft ihre festen, warmen Titten oder hielt ihre Hand. Andere liessen ihre Finger auf ihrem Bauch kreisen. Einer schob sich über Anouk und versank in einem Zungenkuss; Anouk öffnete ihre Lippen nur allzu bereitwillig. Anouks Becken vibrierte. Sie schob es dem Dildo entgegen, und alles war Rhythmus, Entspannung, Geilheit, und, ja, auch Liebe. Sanfte Musik erklang, Musik, die Anouk in eine andere Welt trug. Als der kleinere der beiden Dildoköpfe tief in ihrem Anus rotierte, war es um sie geschehen.
«Jaaaaaah… Jaaaaah… JAAAAAH…». Anouk hatte zurück zu ihrem Innersten gefunden, die Harmonie zwischen Offenheit, Wärme, Körperempfinden und reiner, unverfälschter Lust war wiederhergestellt.
Anouk beging den Weg zurück zur Frau, die sie einst gewesen war. «Anouk masturbiert wieder», flüsterten sich die Therapeuten in den Korridoren erfreut zu.
Wenig später verliess eine junge, strahlend schöne, selbstsichere Frau mit wiegendem, beckenbetonten Gang den Magerberg und führte fortan ein glückliches, lustbetontes Leben.
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