August. Seit über drei Wochen lag schon diese drückende Hitzewelle über der Stadt. Der Asphalt glitzerte zwischen den Häuserschluchten und die staubige Luft machte das Atmen schwer. Tagsüber erreichte das Thermometer in der Innenstadt mit ihrem unendlichen Meer an Altbaufassaden und Prachtbauten, verwinkelten Gassen und breiten Alleen fast 36 Grad. Aus den Brunnen auf den mit Kastanien bestandenen Plätzen quoll nur noch ein mit dichten Algengrün versetztes Gebräu. Einzig und allein die rot- weiß gestreiften Markisen der Eisdielen in der Vorstadt zeugten von Leben. Nachts kühlte es merklich fast überhaupt nicht ab. Und erst wenn die Sonne am Abend schon sehr tief stand und lange Schatten an die aufgeheizten Backsteinwände der Häuserreihen warf, erwachten die Viertel zaghaft zum Leben. Dann wurden Fenster von unsichtbarer Hand geöffnet und von irgendwoher drang sanfte Musik. Tage und Nächte flossen träge dahin. Eine eigenartige Melancholie lag in der Luft und über den Menschen – so wie man sie eigentlich nur in den heißen Sommermonaten in den südlichen Metropolen wie Lissabon oder Buenos Aires findet.
An einem weiteren unerträglich heißen und mit derselben Schwermütigkeit geschwängerten Tag, hielt es Thea nicht länger in ihrem stickigen Appartement aus. Sie hatte sich extra den Rest der Woche frei genommen, da sie sich bei den Temperaturen in ihrem Büro ohne Klimaanlage nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren konnte. Sie wollte es sich stattdessen unter einem Sonnenschirm ihres Lieblingscafés zwei Straßen von ihrem Haus entfernt gemütlich machen und bei Cappuccino und Toast Leute beobachten.
Gegen Mittag trat sie aus dem kühlen und dämmrigen Hausflur auf die Straße. Kein Lüftchen wehte. Sie kniff die Augen zusammen und trotz Sonnenbrille war es unmöglich, durch das gleißende Licht zum Himmel zu sehen.
Sie ging ein paar Schritte und als sie ihr Café erblickte, war es vollkommen leer. Keine Menschenseele. Auch Toni, ihr Lieblingskellner der um diese Zeit meistens Dienst hatte, war nirgends zu sehen. Sie schaute sich um. Es war als hätte die Sonne alles Leben verdörrt und der Rest hatte sich irgendwo verkrochen und wartete sehnsüchtig, dass die Nacht hereinbrach. Aber irgendetwas hatte sich verändert. Sie blinzelte und schaute nach oben. Die Sonne stand hoch und die Luft lag wie immer schwer über der Stadt. Und trotzdem. Etwas war anders. Von der Ferne sah sie Wolken. Gewitter! Das war es! Gewitter lag in der Luft! Endlich die ersehnte Abkühlung!
Sie begann zu schwitzen. Aber mit Schwitzflecken oder vielleicht noch schlimmer – mit Schweißgeruch – wollte sie Toni natürlich unter keinen Umständen unter die Augen treten. Sie bildete sich ein, schon des Öfteren einen dieser bestimmten Blicke aus seinen Augen aufgefangen zu haben. Diesen hungrigen Blick. Voller Gier. Irgendwann als er ihr einmal einen Cappuccino brachte, legte er fast unmerklich die Hand auf ihren Oberschenkel und strich nur für eine Sekunde ein wenig weiter nach oben. Um sie herum jede Menge Cafébesucher, die wild durcheinander redeten und gestikulierten. Jeder mit seinem eigenen privaten Mikrokosmos beschäftigt. Keiner bemerkte Tonis flüchtige Handbewegung und dass Thea sofort knallrot angelaufen war.
Später ertappte sie sich dabei, dass sie sich immer besonders hübsch machte, sobald ein Café-Besuch geplant war. Sie wusste, dass dieser gutaussehende, schwarzhaarige Italiener mit seinen muskulösen Oberarmen und dem 3- Tage- Bart jede dahergelaufene Tussi von der Straße haben konnte. Thea störte das nicht. Sie hatte langes, feuerrotes Haar und leichte Sommersprossen im Gesicht. Ihre nahezu perfekte Figur war hochgewachsen und ihr Körper durch regelmäßige Aerobicstunden extrem gut trainiert. Außerdem konnte sie Spagat und dass musste ihr erstmal eine andere nachmachen. Ein Model-Scout hatte sie irgendwann mitten auf der Strasse angesprochen und sie für Probeaufnahmen eingeladen. Die Visitenkarte hatte sie aber später weggeworfen.
Trotzdem war sie bei Toni immer ein wenig unsicher. Und an diesem besonders heißen Tag, als sie allein in der glühenden Mittagshitze vor dem leeren Café stand, ihr der Schweiß das sorgfältig aufgetragene Make-up verwischte, beschloss sie ihren ursprünglichen Plan zu ändern und im nächstgelegenen Freibad im kühlen Wasser unterzutauchen.
Sie hatte Glück. Vor der Kasse am Eingang des Bades stand niemand. Von der Ferne hörte sie das Rauschen der Stimmen an den Beckenrändern. Kinder lachten. Wasser spritze auf, als jemand vom 3-Meter-Brett sprang. Sie freute sich darauf, auf ihrer Matte gemütlich eine Zigarette zu rauchen und zu entspannen. Anschließend würde sie sich so lang im kalten Wasser treiben lassen, bis sie frieren würde.
Als sie am Kinderbecken vorbeilief und sich nach einem schönen, halbschattigen Liegeplatz umsah, bemerkte sie den Bademeister der ihr von der anderen Seite des Beckens zulächelte. Er gefiel ihr. Ein bisschen erinnerte er sie an Toni. Unwillkürlich ärgerte sie sich, dass sie nicht doch vorhin in seinem Café auf ihn gewartet hatte. Für einen unschuldigen Cappuccino wäre noch vor dem Baden Zeit gewesen. Und für einen kleinen Flirt erst Recht.
Ein paar Minuten später hatte sie es sich unter einer großen Trauerweide bequem gemacht, zündete eine Zigarette an und inhalierte genüsslich den Rauch. Sie ließ ihren Blick wandern. Es war fast überhaupt nichts los an diesem unscheinbaren Nachmittag. Ein paar Kinder mit ihren Eltern, einige Rentner, ein paar coole Jungs die offensichtlich die Schule schwänzten und Fußball spielten. Sie musste lächeln.
Ein paar Schleierwolken hatten sich am Himmel gebildet.
Nur ein paar Minuten kurz die Augen schließen, dachte Thea.
Das Gesicht des Badmeisters tauchte vor ihrem geistigen Auge auf. Auch ein Südländer wie Toni. Die Haare nur etwas dunkler aber dafür länger. Dieselben Grübchen. Derselbe 3-Tage-Bart. Derselbe muskulöse Oberkörper…
Plötzlich hörte sie Schritte neben sich und eine Gestalt verdeckte die Sonne. Sie öffnete die Augen und erblickte den Bademeister wie er sich zu ihr herunterbeugte als wollte er sie etwas fragen. Thea war dermaßen überrascht, dass sie gar nicht bemerkte, dass fast alle anderen Badegäste gegangen waren. Ein Schwimmer zog noch einsam im Becken seine Runden. Die Sonne hatte sich in ein tiefes Rot verwandelt und versank langsam hinter den Häuserfassaden. Die Schleierwolken waren verschwunden.
Sie war ehrlich erschrocken. Hatte sie jetzt etwa den gesamten Nachmittag verschlafen? Alles verpasst? Die Abkühlung im Wasser, danach ein leckeres Eis essen und süße Typen beobachten – alles futsch? Das durfte doch nicht wahr sein! Der Bademeister war jetzt sicherlich nur gekommen um sie daran zu erinnern, dass jetzt Badeschluss ist und sie nun ebenfalls das Gelände verlassen müsse. Thea bekam richtig schlechte Laune.
Aber der Bademeister sagte seltsamerweise gar nichts.
Stattdessen legte er seine Hand auf ihr Knie und ließ diese immer weiter nach oben wandern. Sie wollte protestieren, aber er lächelte und legte den Zeigefinger auf seine Lippen. Er beugte sich weiter nach unten und sie atmete tief seinen Geruch ein. Herb. Auch irgendwie süßlich. Und ein bisschen nach Chlor. Sanft küsste er ihre Lippen. Sie war noch immer überrascht – von seiner Dreistigkeit, sie hier mehr oder weniger ohne ein Wort zu überfallen – aber vor allem über sich selbst. Weil es sie anmachte. Sie erwiderte gierig seine Küsse und spürte wie seine Hand unter ihr Bikinihöschen glitt und mit einem Finger in sie eindrang. Zwei Finger. Sie schrie leise auf, begann ihre Beine leicht zu spreizen und sich seinen Bewegungen anzupassen.
Einige Augenblicke später lag sie völlig nackt unter ihm. Seine Finger spielten sanft zwischen ihren Schenkeln. Es gefiel ihr, wie sich sein harter Schwanz unter seiner Badeshorts abzeichnete und dass er ihr ein bisschen grob ins Haar fasste als er sie küsste. Thea war wie elektrisiert. Es war ihr mittlerweile egal ob sie irgendwer beobachte. Noch immer konnte sie nicht glauben, was hier eigentlich passierte und wie sie sich gehen ließ. Sie wollte mehr.
Aber irgendetwas stimmte nicht. Sie nahm sein Gesicht in beide Hände und sah ihm tief in die Augen. Er öffnete seinen Mund und sagte mit einer unsäglich quäkenden Stimme: „Achtung, Badegäste!“
´Wie? Was war das?´ dachte sie. Seine Stimme klang, als wenn jemand aus einem Megaphon sprechen würde. ´Wieso redet der so komisch und wie kann ein Mensch nur so eine merkwürdige Stimme haben? Alles war doch eben noch perfekt´!
Irgendwie unwirklich.
Und dann wieder: „Achtung, Badegäste!“ Laut und durchdringend. Trotzdem schien seine Stimme von irgendwo anders herzukommen. Sehr merkwürdig. Was sollte das bloß?
Ein letztes Mal blickte sie in das irgendwie veränderte Gesicht des schönen Bademeisters, als ein nasser Ball direkt auf ihren Bauch platschte und sie vollständig aufwachte. Thea öffnete die Augen. Der Bademeister war verschwunden und sie fand sich allein und noch ein wenig benommen auf ihrer Matte unter der Trauerweide inmitten von Ball spielenden Kindern wider. Sie brauchte noch ein wenig um zu begreifen, dass tatsächlich alles nur ein komischer Traum gewesen war.
Aus den Schleierwolken am Horizont war inzwischen eine dunkle geschlossene Wolkendecke geworden. In der Ferne waren Wetterleuchten zu sehen.
Die quäkende Lautsprecherstimme riss sie erneut aus ihren Gedanken.
„Achtung Badegäste! Auf Grund eines herannahenden Gewitters müssen wir sie leider bitten, die Becken zu verlassen und nach Hause zu gehen. Die Schwimmaufsicht erteilt hiermit sofortiges Badeverbot!“
„Super – genau das habe ich jetzt gebraucht“ sagte sie sich leise. Aber sie beschloss erst einmal abzuwarten. Vielleicht zieht das Gewitter vorüber? Wer kann das denn schon mit Gewissheit sagen? Am Ende tröpfelt es nur ein wenig. Die Badegäste wären dann aber weg und sie hätte hier ihre Ruhe. Außerdem würde die Trauerweide sowieso das meiste abfangen. Zufrieden lächelnd streckte sich Thea auf ihrem Badetuch aus, zündete sich eine weitere Zigarette an und schloss erneut die Augen.
Ein Donnergrollen ließ sie hochschrecken. Das Gewitter zog anscheinend doch schneller heran als gedacht. Und sie hatte schon wieder geschlafen! Die Zigarette in ihrer Hand war längst heruntergebrannt. Die Liegewiese und die Becken waren so gut wie leer. Leise begannen die ersten Tropfen vom Himmel zu fallen. Über ihr türmte sich mittlerweile eine pechschwarze Gewitterwand.
Schnell lief sie mit ihren Sachen zu den Umkleidekabinen. Die Schulschwänzer, die ihr vorhin schon aufgefallen waren, schien das Unwetter wenig zu beeindrucken und spielten weiter unbeirrt Fußball.
Als sie in der Umkleidekabine stand, grollte der nächste Donner. Ohrenbetäubend. Es war dunkel. Die Kabinen lagen alle nebeneinander in einem dunklen Holzverschlag. Sie war die einzige. Dachte sie.
In dem Augenblick als sie sich bückte, um ihr Bikinihöschen vom Boden aufzuheben bemerkte sie, dass sie die Tür der Kabine nicht verriegelt hatte und diese plötzlich lautlos aufschwang. Im restlichen trüben Tageslicht, das der verdunkelte Himmel noch übrig ließ, war schemenhaft ein Schatten im Türrahmen zu erkennen. Angst machte sich in jedem Winkel ihres Körpers breit. Da Thea mit dem Rücken zur Tür stand, konnte sie nicht sehen, ob diese von allein aufgeglitten war oder ob da tatsächlich jemand stand. Jedes Haar ihres Körpers stellte sich auf vor Panik. Noch ehe ein weiterer Gedanke möglich war, legte sich plötzlich eine Hand auf ihren Rücken. Sie erstarrte. Doch diese Hand packte nicht grob und verletzend zu, sondern begann sanft zu streicheln. Auf und ab. Und noch bevor sie anfangen konnte zu schreien, gesellte sich eine zweite Hand dazu und begann ihre Lenden zu massieren. Irgendwie vertraut. Das Verstörendste aber an dieser Situation überhaupt war jedoch, dass sich Thea nicht erinnern konnte, jemals so sanft berührt worden zu sein. Fast schüchtern näherten sich ihr diese kräftigen Männerhände.
Als nächstes spürte sie den heißen Atem des Typen an ihrem Hals. Ein schwerer Geruch nach Moschus legte sich über die enge Umkleidekabine. Noch immer streichelten die Hände zärtlich über ihren Rücken. Er hätte ihr brutal Mund und Hals zudrücken können. Aber das tat er nicht.
Draußen hörte sie Stimmen! Sie könnte schreien und binnen Sekunden wären Leute hier. Dieses Risiko schien er aber einzugehen. War er sich etwa sicher, dass sie das Spiel mitspielen würde, wenn sie die Sicherheit hatte, jederzeit abbrechen zu können?
Das Geräusch des Staubsaugers der Reinigungskräfte drang zu ihnen herüber. Und kam langsam näher. Sie wusste, dass sie bald entdeckt werden würden.
Führte sie eigentlich dieses Spiel?
Irgendein bis dahin verborgenes aber ziemlich verdorbenes Ich von Thea gewann in diesem Augenblick die Oberhand und sie beschloss mitzuspielen. Und sich nicht umzudrehen.
Seine Zunge knabberte nun an ihren Ohrläppchen. Bartstoppeln wie aus Eisen bohrten sich in ihre Haut. Sie spürte seinen nackten durchtrainierten Oberkörper. Er fühlte sich jung an. Einer von den Schulschwänzern? Ob sich einer von denen so etwas traute? Sie vibrierte regelrecht. Diesmal vor Lust. Dann umfasste er sie und begann mit angefeuchteten Fingern ihre Nippel zu bearbeiten. Geilheit stieg in ihr empor und ließ jeden Zentimeter ihrer Haut erschauern. Sie spürte das Kribbeln bis unter ihre Kopfhaut. Dann glitt seine Hand zurück und sie hörte wie er den Reißverschluss seiner Hose öffnete. Feuchtigkeit sammelte sich zwischen ihren Oberschenkeln. Sanft drückte er ihre Beine auseinander und ohne weitere Vorwarnung drang der riesige brettharte Schwanz in sie ein. Er stöhnte auf und sie presste ihren Rücken an seine kräftige Brust. Leicht kitzelten sie seine Schamhaare. Er stieß zu. Heftig und trotzdem zärtlich mit leicht kreisenden Bewegungen. Gleichzeitig biss er leicht in ihren Nacken.
So wollte sie es. Dies hier war losgelöst von jeglicher Normalität. Es war gefährlich. Dreckig. Wie räudige Straßenköter. Thea spürte seine offene Jeans an ihrer Haut, sein Oberkörper rieb sich an ihr während er sie an die Wand drückte. Sein Rhythmus beim Ficken törnte sie unheimlich an. Sie konnte sich trotz oder gerade wegen dieser Situation fallen lassen wie schon lange nicht mehr. Es war als hätte sie ihren Körper verlassen und eine andere Thea hatte die Regie übernommen. Als würde sie sich selbst dabei zusehen und gebannt erkennen, zu was ihr Innerstes fähig war. Und dann spürte sie es von ganz unten. Erst unmerklich doch dann drückte das Gefühl immer stärker an die Oberfläche und entlud sich in einem schier endlosen Orgasmus. Thea zitterte und schrie – wohl wissend, dass die Leute draußen das hören mussten. Doch er schien davon unbeeindruckt und fickte sie weiter wie ein Tier. Seine Stöße wurden schneller. Ohne Gnade hämmerte er weiter in sie hinein. Und dann begann er unterdrückt aufzustöhnen, drückte sie noch stärker an die Wand, während sein Prügel in ihr zuckte und sie spürte, dass er in ihr kam. Heftig und intensiv. Schweiß tropfte von seinem Gesicht auf ihren Rücken. Für einige Sekunden standen sie reglos da. Dann hauchte er sanft einen Kuss auf ihren Rücken. Sie hörte das Geräusch des Reißverschlusses seiner Jeans und im selben Augenblick glitt die Kabinentür von außen wieder zu. Thea war wieder allein.
Mit zitternden Knien schnappte sie ihre Sachen, zog sich hastig an und stürmte nach draußen. Es war niemand zu sehen. Kein Bademeister. Keine Schulschwänzer. Ein leichter Nieselregen legte sich auf ihr heißes Gesicht. Benommen trat sie durch den Ausgang auf die Strasse.
Ein Fenster wurde irgendwo geöffnet. Leise Musik wehte zu ihr herüber.
Die Stadt erwachte aus ihrer Trance der vergangenen Hitzetage.
Alles war wie immer.
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