Bahnhofsmilieu

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Yupag Chinasky

Die Frau erhob sich, schloss das Fenster, zog die Vorhänge vor, um anzuzeigen, dass das Etablissement besetzt war, und öffnete dann die Tür. Sie begrüßte ihn freundlich und führte ihn in ihren Arbeitsraum, hinter dem Schauraum, ein Zimmer, das nun doch rot beleuchtet war, wenn auch nur sehr schwach, sehr schummerig und naturgemäß mit einem großen Bett als beherrschendem Element versehen war. Die Hure war sehr schlank, aber trotz der langen Beine deutlich kleiner als er. Wie sie da stand, eine selbstbewusste Autorität ausstrahlend, hätte man sie nie und nimmer für eine Nutte gehalten, schon gar nicht wegen ihrer Kleidung. Sie trug eine dunkle Bluse mit langen Ärmeln, ohne den Hauch eines Ausschnitts, ja ohne dass eine nennenswerte Basis hierfür vorhanden gewesen wäre, ihr Busen war jedenfalls nicht besonders auffallend oder gar provozierend. Noch nicht einmal wegen ihres sehr kurzen Minirocks und der schwarzen Leggins wäre sie als halbseiden aufgefallen. Sie sah durchaus seriös aus, wie eine Geschäftsfrau, die in einem unkonventionellen, vielleicht in einem künstlerischen Bereich tätig war. Die in einer kreativen Designerfirma oder als Empfangsdame in einem kleinen Themenhotel oder als Verkäuferin in einer Modeboutique arbeitete. Sie unterstrich diesen Anschein der Seriosität noch dadurch, dass sie seltsamerweise schwarze Netzhandschuhe trug, die ihm erst jetzt auffielen. Als er sie im Schummerlicht des Boudoirs genauer taxierte, um zu erfahren, auf was er sich da eingelassen hatte, fiel ihm weiter auf, dass ihr leidlich hübsches Gesicht dick, wenn auch recht kunstvoll, geschminkt war und dass es dadurch einen starren, maskenhaften Ausdruck angenommen hatte. Er meinte auch zu erkennen, dass ihre langen, schwarzen Haare nicht ihre eigenen waren, irgendwie waren sie zu perfekt, es musste eine Perücke sein. Und er nahm einen Duft war, der zwar angenehm, aber doch schon leicht penetrant wirkte, das einzig Aufdringliche an dieser Frau.
Als er so da stand und sie anstarrte, war er sich nicht sicher, ob er eher enttäuscht oder doch lieber angenehm berührt sein sollte. Enttäuscht, dass sie ihn so gar nicht anmachte, dass sie alles andere als eine „femme fatale“ war, keine geborene Verführerin. Erleichtert, dass sie all das gerade nicht war, dass sie wie eine Frau wirkte, mit der man ins Theater ging oder die man vom Elternbeirat kannte. Er war erleichtert, weil ihr „normales“ Aussehen und Verhalten seine Urängste über käufliche Liebe und die Gefahren, die von Prostituierten ausgingen, nicht bediente. Aber als sie seinem neugierig, skeptischen Blick so gar nicht auswich und ihn ihrerseits mit ähnlicher Neugier betrachtete, wurde er doch wieder etwas unsicher. Aber nun hatte er sich schon durchgerungen und bevor er es sich doch noch anders überlegte, kramte er rasch die verlangte Summe aus seinem Geldbeutel, gab sie ihr und sie verstaute das Geld in ihrem Schrank. Dann sagte sie zu ihm, der keine Anstalten machte, sich auszuziehen, noch nicht einmal seine Jacke ablegte „Na, was ist? Willst du oder willst du nicht?“ Sie selbst zögerte jedoch ebenfalls, sich zu entkleiden. Schließlich setzte er sich auf das Bett und legte seine Kleidung ab, Stück für Stück. Dabei zitterten seine Hände ein wenig, der Atem ging ein bisschen schneller als normal und der Mund war auf einmal ganz trocken. Als er fast nackt auf der Bettkante saß, nur die Unterhose hatte er noch an, begann sie auch, sich zu entkleiden. Der angedeutete Striptease, den sie dabei hinlegte, war wohl Teil ihres Programms. Sie wiegte sich in den Hüften, dreht und wendete ihren Oberkörper, streckte ihn vor und zurück und streifte dabei langsam ihre Bluse ab. Der rote BH war klein und was darin steckte, vermutlich auch, in dem rötlichen Dämmerlicht musste er mehr ahnen, als dass er es sah. Dann wackelte sie verstärkt mit dem Po, ließ den Minirock hinab gleiten, setzte sich auf die Bettkante und zupfte Zentimeter für Zentimeter die schwarzen Leggins von den Beinen. Sie schien alle Zeit der Welt zu haben, ungewöhnlich in diesem Job, aber sie erwartete ja niemanden mehr.

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