Berührungsexperten

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Anita Isiris

Es war Stephens Idee gewesen. Das kleine Startup an der Strassenkreuzung Gebhartstrasse/Weiherweg, am Dorfrand. Bordelle und so genannte Studios waren längst out. Niemand hatte mehr Bock. Die Freier hatten sich das Berühren abgewöhnt, die Sexarbeiterinnen hatten sich das berührt werden abgewöhnt. Viel zu stark fielen die täglichen Nachrichten ins Gewicht, die den Menschen nicht einmal mehr Angstschauer den Rücken hinab jagten. Es war schlimmer geworden. Die Menschen waren abgestumpft. Mit leerem Blick verliessen sie frühmorgens ihre Wohnungen, um einem Broterwerb nachzugehen, der möglicherweise so riskant war, dass man zu den nächsten Opfern gehörte. „Die Pandemie mitten unter uns“, mittlerweile mehr als ein geflügeltes Wort. Viel mehr.

Aber da war doch mal was. Stephen, als ehemaliger Krankengymnast, war sich dessen mehr als bewusst, Martino, sein Berufskollege, sah es auch so. Da war doch mal was gewesen. Jahrelange Berufserfahrung hatte den beiden gezeigt, dass Frauen wesentlich sensibler auf Berührung reagieren als deren männliches Pendant. Ja, Frauen können im Grunde gar nicht leben ohne Berührung, sie sind, so betrachtet, Schimpansenbabies nicht unähnlich, die Mutterwärme benötigen, um sich entwickeln zu können. So irritierend es klingen mag – aber die Sehnsucht nach Berührung ist es wohl, was viele Frauen bei ihren gewalttätigen Männern bleiben lässt. Das Verlangen nach einer klitzekleinen Streicheleinheit zwischen erbarmungslosen Schlägen und Messerstichen.

Und daraus entwickelten Stephen und Martino nun ihr Geschäftsmodell. „Touch“, malten sie in grossen, roten Lettern an die weisse Mauerfläche über der Eingangstüre. „Touch“. Ein Wort, an dem die Menschen noch vor Jahren achtlos vorüber gegangen wären. „Touch“. Aber nicht mehr heute, in einer Zeit der kompletten Isolation, in der sogar Geburtstage mit drei Kolleginnen nur noch mit allerschlechtestem Gewissen gefeiert wurden.

Die Folgen waren absehbar. Unter der Haut einer jeden Frau blubberte nun ein kleiner Vulkan. Es brauchte wenig. Sehr wenig. Eine Hand, die in der Strassenbahn zufällig den Hintern streifte. Die Berührung des Oberarms durch einen Arbeitskollegen. Der Atem der Schuhverkäuferin, die beim Anprobieren half und mit ihrem Odem das nackte Frauenknie streifte. Die zufällige Berührung des Arztes, während er einer Frau die Blutdruckmanschette anzog, so es denn in der ganzen Digitalisierung diese Manschetten überhaupt noch gab.

Jaaaah. Männer waren da anders. Sie hatten sich längst in virtuelle Welten zurückgezogen, holten sich ab und an einen runter, wenn die 3D Masturbationsszene wirklich echt wirkte, die Szene, die sie atemlos verfolgten, auf dem Weg zum Abspritzer.

Aber die Frauen dürsteten. Sie dürsteten derart, dass keine achtlos am kleinen Startup von Stephen und Martino vorbei ging. Sie blieben neugierig stehen, die Frauen, und jede überlegte sich, was wohl hinter der schweren Eichenholztür zu erwarten war.

Der Berührungsraum war schlicht eingerichtet. Crèmefarbene Wände, geschmackvolle Pastellbilder. Ein dezenter Teppich. Alles so konfiguriert, um Frauenseelen an ihrem innersten Punkt zu erreichen und dann dort abzuholen. Um sie auf einer Reise zu begleiten. Berührungsreise. Das Geschäftsmodell war simpel. Bezahlt wurde mit Kreditkarte, und die Preise bewegten sich um 150 Euro die Stunde. Die Stunde mit Stephen, Martino oder beiden zugleich.

Sanfte Musik heizte die Stimmung auf. Kitaro. Tangerine Dream. Musik, wie aus der Zeit gefallen. Musik, zu der sich die Frauen bis auf Slip und BH entkleideten. Das steigerte das Vertrauen und das Verlangen. Das Vertrauenverlangen. Weder Stephen noch Martino verlangten von ihren Kundinnen, dass sie sich gleich nackt auszogen. Es war ja nur eine Frage der Zeit, und sie würden daliegen, die Frauen, mit roten Flecken am Hals, Gänsehaut an den Brüsten und einer offenen, weichen, warmen, feuchten Mitte.

Zuerst suchten Stephen und Martino immer das Gespräch. Beide waren sie gute Zuhörer. Das hatten sie in ihrer Ausbildung als Krankengymnasten gelernt. „Selbst ein Heublumenwickel“, hatte man ihnen gesagt, „selbst eine Fangopackung ist nichts Wert, wenn die Patientin keine Zuwendung spürt. Zuwendung ist die halbe, wenn nicht sogar die ganze Miete.“

Sich den Frauen zuwenden ganz und gar. Aus unerfindlichen Gründen hatten Stephen und Martino schon früher, in der Klinik, ganz selten männliche Patienten gehabt. Männer klagen nun mal nicht über Beschwerden. Sie ziehen ihr Ding in der Regel durch, egal, ob das Knie schmerzt oder nicht.

Frauen hingegen… nun ja. Sie sind im Grunde härter im Nehmen, haben ein effizienteres Schmerzmanagement als Männer, was in vielen Studien bestätigt wird. Aber sie zeigen sich offener in ihrem Leiden, stehen zu ihren Hüftschmerzen, ihren Rückenproblemen, und, ja, während der Behandlung öffnen sie die schillernden Tiefen ihrer Seele. Und erzählen.

Alena klingelte, und das Herz schlug ihr bis zum Hals. „Touch“, das Berührungsstudio, war ihr von einer Freundin empfohlen worden. Wie hatte doch Daria verschämt gekichert, als sie Alena von ihrem nicht enden wollenden Orgasmus erzählt hatte. Aber als sie sich angezogen und die Rechnung beglichen hatte, war sie geläutert gewesen. Ihr unbändiges Verlangen nach Berührung hatte sich mal wieder erfüllt. Für 150 Euro die Stunde.

Nachdem Alena ihren Wintermantel abgelegt hatte, wurde sie von Stephen auf eine Couch komplimentiert und nach ihren Tee-Vorlieben gefragt. Auch dies eine Erkenntnis, die Stephen und Martino über die Jahre gewonnen hatten. Über 95 Prozent der Frauen sind Teetrinkerinnen. Verveine an erster Stelle, dann Schwarztee, und, etwas später, Krauseminze. Tee braucht Zuwendung. Frauen brauchen Zuwendung. Frauen brauchen Tee. So die Gleichung.

Hätte man Stephen und Martino als Frauenversteher bezeichnet, hätten beide nur müde abgewinkt. Frauenversteher, das waren Männer wie Udo Jürgens und Julio Iglesias gewesen. Rudi Carrell vielleicht. Stephen und Martino waren smarter. Deutlich smarter. Während Alena genussvoll an ihrem Verveine-Tee nippte, wärmte Martino das Schälchen mit dem Jojoba-Öl. Stephen taxierte Alena mit einem Blick, der bis in ihr Innerstes drang. Es war kein belästigend-neugierig-kleiderausziehender Blick, den er ihr schenkte, sondern ein Blick, der ihre Seele wärmte. Ihre Seele, die in der berührungsarmen Aussenwelt auszukühlen drohte.

Endlich war es so weit. Das Licht wurde gedimmt, japanische Wände wurden aufgestellt, um Alena den Eindruck zu vermitteln, ihre Intimsphäre würde gewahrt. Dem war im Grunde auch so – aber eben. Irgenwann würde sie sich den kundigen Männerhänden, Martinos kundigem Schwanz, öffnen. Warum denn auch nicht? Alena hatte einen Freund, den sie sehr liebte. Aber auch er hatte Verständnis für das Berührungsverlangen seiner Geliebten und hatte ihr sogar seine Kreditkarte mitgegeben, auf dass sie sich entspanne. Alenas Freund ahnte, was im „Touch“ Studio auf sein Alenchen wartete, aber er störte sich nicht daran. Hauptsache, Alena kam irgendwann zu ihm zurück, um eine Erfahrung reicher.

Alenas gepflegter Körper. Ein Körper, auf den kaum ein Mann jemals verzichtet hätte. Aber Alena zeigte sich nicht jedem. Bei „Touch“ war sie aus Neugierde gelandet, und weil ihre Freundin sie hatte überzeugen können.

Nun lag sie, mit angewinkelten Beinen, auf dem Rücken, über sich einen Lichtkegel. Der Behandlungstisch passte sich ihrer Körperform an; Alena schämte sich im Grunde für ihren Body Mass Index von 28; Martino konnte aber kaum mehr an sich halten. Was für eine dralle, wonnigliche, liebessehnsüchtige Frau! Etwas Besseres konnte ihm nie mehr passieren. Er assistierte seinem Kollegen Stephen und reichte ihm das Massageöl. Stephen liess sich viel Zeit mit Alena. Stephen und Martino sprachen sich jeweils ab, was Sex mit den Klientinnen anging. „Die Erste ich, die Nächste Du“, so lautete das einfache Prinzip. Über den Tag mit hochgerechnet acht Klientinnen befriedigten die beiden Männer somit je vier Frauen innerhalb eines Tages. Frauenbefriedigung. In moralistischen #metoo Zeiten, damals, ein No-Go. Nicht einmal daran denken durfte man. Aber Stephen und Martino hatten den Dreh raus. Es ging ja nicht um Missbrauch, es ging nicht um die Degradierung von Frauen zu Sexobjekten. Sondern es ging um aufrichtiges, offenes Verlangen, bei gleichzeitigem Blick in die schillernden Tiefen der Frauenseele. Klar, überall standen kleine Tische mit Rosenquarz. Rosenquarz soll die weibliche Seele zum Schwingen bringen. Teeduft erfüllte die Luft, und allmählich befasste sich Stephen mit Alenas Bauch. Kreisende, angenehme Bewegungen. Als er dem oberen Rand von Alenas Slip entlang tastete, stellte sie die Frage, die während der „Touch“ Behandlung in diesen berührungsarmen Zeiten alle Frauen stellen: „Soll ich ihn ausziehen“? „Wenn Du magst“, war die lakonische Antwort. Den Slip ausziehen. Nichts schöner als das – für Martino, der sich etwas im Hintergrund hielt – allerdings so, dass ihm nichts entging. Frau zieht die Beine an. Streift den Slip über die Oberschenkel. Über die Knie. Und, ja, sie zeigt so, bei angezogenen Beinen, ihr hübsches Pfläumchen. Eigentlich sind alle Pflaumen hübsch, so die unumstössliche Meinung von Stephen und Martino. Hübsch und begehrenswert. Die dargebotene weibliche Pflaume. Welch eine Wonne, welch ein Elysium. Wenn Frau – in diesem Fall Alena – erst einmal so weit war, dauerte es noch etwa eine Viertelstunde, bis es zum Verkehr kam. Spielchen an der Cliti. Den Damm reiben. Den Anus ertasten, aber nicht zu lange. Das mögen nicht alle Frauen, und sie äussern das selten verbal, sehr wohl aber mit ihrer Körpersprache. Wenn sie sich verkrampfen. Stephen und Martino waren ausgesprochen sensibel und quittierten weibliche Körpersprache augenblicklich. Alenas Titten, schwer, birnenförmig, unter dem dünnen Stoff des hellblauen BHs. Brüste, die leicht zur Seite fallen, reif, verlockend, sobald der schützende Stoff entfernt wird. Endlich. Alena richtet sich kurz auf, wortlos, zieht ihren BH aus. Dabei denkt sie kurz an ihren Freund zuhause. Aber dieser ist damit einverstanden, dass Alena es sich gut gehen lässt. Vertrauensvolle, innige Beziehung. Sie liebt ihn. Sie liebt ihn auch dann noch, als Stephens kräftige Hände Alenas volle Brüste massieren, mit dem gewärmten Jojoba-Öl. Alena stöhnt jetzt leise. Sie ahnt, dass es weiter geht, immer weiter. Sie ahnt, dass die Reise noch nicht zu Ende ist. „Touch“. Welch ein Wort. „Touch“. Und noch einmal: „Touch“.
Jetzt ist Alena so weit. Sie öffnet ihre Schenkel und gewährt den beiden Männern den ungehinderten Blick auf ihre Prachtsmuschi. Feuchte, rosa Schamlippen, umgeben von einem zarten Haarkranz. Alenas Damm. Alenas kreisrunder Anus. Welch eine Wonne. In Kürze wird Martino zur Sache gehen. Körperliche Liebe machen mit Alena. Warum auch nicht? Menschen brauchen Berührung. Die Reise geht wie von selbst weiter. Alena und Stephen versinken in einem Kuss. Die beiden Männer haben herausgefunden, dass sich Frauen, während sie geküsst werden, entspannter bumsen lassen, irgendwie. So, als gäbe es einen Tractus orogenitalis – einen Nervenstrang direkt vom Mund zur Vagina. Alenas Vagina duftet. Das entgeht Martino nicht. Vom Gespräch vorhin weiss er, dass sie einen Freund hat. Das macht ihn besonders an, die Vorstellung, dass Alena mit einem andern Mann Liebe macht – womöglich jede Nacht, womöglich aber auch gar nicht. Denn es ist ja Distanz angesagt. Distanz, um zu überleben. Distanz, um ein Virus zu überleben.

Dann kann Martino nicht mehr an sich halten. Er berührt Alenas Knie, so, als ginge es um ein Initiationsritual. Alena öffnet sich ihm. „Nimm mich“, keucht sie, als Stefano sich von ihren Lippen löst. „Nehmt mich doch beide, bitte…“, bettelt sie. Stephen und Martino lassen sie betteln – zumindest eine Weile lang. So lange, bis Alena verführerisch ihr Becken kreisen lässt. Stephen streichelt versonnen ihre Oberarme, dann ihre Brüste.

Endlich ist es so weit. Martino lässt seine Eichel an Alenas Scheideneingang spielen. Er kennt sie haargenau, die weibliche Anatomie, weiss auch, dass viele Frauen es nicht mögen, wenn ihre Clit direkt berührt wird. „Die Erregungszonen umspielen“ ist eines der schärfsten Bücher, die je geschrieben wurden.

Doch dann ist genug gespielt. Mit langsamen, kräftigen Stössen vögelt Martino Alena in den siebten Himmel, während Stefano ihren Bauch massiert. Eine Viertelstunde später steigt auch er ein. Genussvoll vögelt Martino Alena in ihren Anus, Stephen nimmt sie vaginal. Eine Doppelpenetration will geübt sein. Aber der Akt gelingt. Innigste Berührung an innigsten Stellen. Alena gibt sich hin, stöhnt jetzt lauthals, und ihr Gesicht ist feuerrot. Ihre Locken sind verschwitzt, während die beiden Männer an und in ihr arbeiten.

Stephen und Martino sind sehr gute Freunde und aufeinander eingespielt. Wenn Alenas Partner zuhause hinter seinem Bier wüsste, was gerade jetzt mit seinem Schätzchen gemacht wird? Was sein Schätzchen mit sich machen lässt?

Egal – Stephen und Martino sind ja Berührungsexperten, diplomierte Krankengymnasten. Und sie machen ihre Sache gut, sehr gut.

Geniesse es, liebe Alena – und lass dich geniessen.

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