Der Besuch des Herrn Fick

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Der Besuch des Herrn Fick

Der Besuch des Herrn Fick

Matthias von Schramm

Da war ein kleiner grauer Fleck an der Decke, den Herr Stumpf immer zwanghaft ausmachte, wenn er in der alten Eckbank seiner Küche saß. Auf den roten Bezügen wippte er auffällig verloren, nervös fast und fühlte Schaumgummi unterm Hintern. Seine Frau Renate brühte die Brühe. Auf dem Tisch dieser Brief. Renate sagte, dass die Kinder mal wieder anrufen könnten. Herr Stumpf Reinhold der ins Schweigen verfallen war, schwieg weiter. Die Tochter studierte in Münster. Auf dem Tisch dieser Brief. Da ging das Telefon, da kam der Anruf, der Tochter gehe es gut, gab Renate weiter. Die ganze Zeit hatte Reinhold nur so dagesessen, sich mit den Handflächen über die braune Plastikhose gewischt. Er trocknete die naßgeschwitzten Handflächen im weissen Hemd, welches er noch nicht ausgezogen hatte, seit er von der Arbeit gekommen war. „Ferkel!“, meinte Renate, schüttelte mit dem Kopf, nett und niedlich, niedliches Wiegen des Kopfes also. Reinhold nahm den Brief, drehte ihn einmal und legte ihn ein paar Zentimeter von sich weiter fort.
Morgen wolle er wohl kommen, wie Renate beiläufig bemerkte. Draußen rauschte die S-Bahn, kaum war das Grundstück in Hamburg- Wellingsbüttel abgezahlt. Auf dem Tisch dieser Brief. Die Entscheidung fiele Freitag, also Morgen, wie Renate meinte, während die Brühe auf den Tisch kam und der Brief der Firma für Einbauküchen neben Renates Suppenteller geschoben wurde. Es sollte nur der Chef vorbeikommen, wie Renate sagte und der würde dann einen Kostenvoranschlag machen. Aber Renate betonte auch, dass sie schon gerne diese Küche haben wolle. Und der Herr Fick war am Telefon sehr nett gewesen. Renate fragte Reinhold, ob er das Schreiben auf dem Küchentisch schon gesehen hätte, es wäre von der Firma Fick. Reinhold nickte, während sich seine Nackenhaare aufstellten. Auf dem Tisch dieser Brief.

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Reinhold wusste, dass Fick ein angesehener Name in Hamburg war. Ein alteingesessener, insbesondere unter Handwerkern und Meistern und Unternehmerfreunden. Dieses ungute Gefühl was ihn beschlich, hätte er nicht in Worten festhalten können. Auf dem Tisch dieser Brief. Renate hatte einen vertrauenswürdigen Geschmack, und die Firma Fick war für gute Arbeit bekannt. Fick wie Fock und Voss, da war nichts dran auszusetzen. Die hatten gute Männer, die arbeiteten tadellos. Kleine, schmächtige Träger und Installateure die in jede Ecke passten. Teilweise dichtende Einbauküchenträger. Leute mit Verantwortung. Keine Sorge musste Reinhold Stumpf haben, dass wusste er. Das ungute Gefühl, was ihn beschlich, wurde von dem Brief auf dem Tisch, von Herrn Fick persönlich unterschrieben ausgelöst. Auf dem Tisch dieser Brief.
Renate nähte noch, dann löschte sich das Licht. Am nächsten Tag noch in der S-Bahn kam sich Herr Stumpf Reinhold total albern vor. Er war früher gegangen, damit er nach Hause kam, wenn Herr Fick den Kostenvoranschlag mit Renate machen würde für die Einbauküche. Die Küche war dann nach den Malern geplant, denn erst bevor alles neu werden würde, müsste ja auch der Fleck von der Decke weg sein, der wie von Gorbatschows Glatze gepaust ausschaute.
Er überlegte noch kurz ob er am Ohlsdorfer Friedhof aussteigen sollte, der Reinhold und spazieren gehen, denn sonst würde er ja da so reinplatzen in das Gespräch zwischen Renate und Herrn Fick und er wollte ja Renate die Entscheidung für ihre Küche nicht strittig machen. War ja ihre Küche und da wollte er ihr ja nicht reinreden. Und nach so vielen Ehejahren war das Vertrauen einfach da. Da verstand mensch sich blind.
Auf dem Tisch dieser Brief, aber Herr Stumpf Reinhold dachte nicht mehr daran. Alles Quatsch, da war alles in Ordnung, ganz seriös die Sache. Vollkommen. Letztendlich waren das gute Leute und der Herr Fick, der würde das schon fair und gut lösen. Seine erwachsenen Kinder würden ihn ja auslachen, den Reinhold, wenn er bedenken hätte, weil einer Fick heisse. Das ist eben ein alter Name, ein guter und den ändert mensch nicht. Nicht als Hanseat. Auf dem Tisch dieser Brief. Reinhold wusste, auf seine Frau war verlaß, er war nun einunddreißig Jahre mit Renate verheiratet.
Reinhold schaufelte sich mit dem Händen mühsam ein Loch in die Hecke seines eigenen Gartens und schlich durch Büsche zur grossen Thermophanescheibe des Wohnzimmers, damit er unbemerkt hinein spähen konnte. Er erkannte einen gutaussehenden graumelierten Herren um die fünfzig mit geöffnetem Hemd und in einer blitzenden Unterhose. Er lag auf dem Ledersofa vom Wohnzimmer. Unter ihm Reinholds Frau Renate in einem schwarzen Negligé. Renate hatte eine blasse Haut, wie Reinhold auffiel. Sie war eben ein blasser Typ. Sie räkelte sich. Der Kopf lag schräg auf ihrem weichen Arm. Auf dem Tisch dieser Brief. Reinhold fasste sich, begann ein eingefrorenes Lächeln und ging freundlich durch die Haustür hinein. Im Wohnzimmer erwischte er Renate und Herrn Fick zurückhaltend aber in flagranti. Renate zog ihre blutrote Bluse vor ihr Dekolleté. Sie schimmerte aus Seide und war ein Geschenk zum Hochzeitstag. Sie passte zu ihrer blassen Haut, machte ihr Porzellangesicht verletzlicher unter den hellen rötlichen Löckchen. Herr Fick begab sich sportlich in seine Hose und begann sich zu erklären. Dabei erwähnte er, dass er es vermeiden wollte, aber das es eben unvermeidlich war und es aus diesem Grund geschah. Er sagte dann auch, dass gerade er ersucht sei, es zu vermeiden und sich gewiss so viel Mühe gegeben hätte, dass es zuvor nie passiert sei. Renate bestätigte das schüchtern. Reinhold Stumpf zuckte hilflos mit seinen Achseln. Herr Fick, er hatte sich bei Renate mit Wolf vorgestellt warf sein Jackett über und sagte, dass er jetzt gerne gehen würde, da ihm die Situation unbehaglich sei.
„Ja, das verstehe ich!“, sagte Reinhold. Er lächelte immer noch. Auf dem Tisch dieser Brief. Wolf Fick ging schweigend, unter dem grauen kurzgeschnittenen Haupthaar rot angelaufen im Gesicht.
Renate ließ die Bluse auf den Teppich gleiten. Sie tippelte barfuß in die Küche. Schade, zu Fick gab es keine wirkliche Alternative. Seine Küchen waren die besten. Aber das ging nun nicht mehr. Sie verkroch sich auf die Eckbank und weinte. Reinhold ging ins Schlafzimmer und betrachtete sich die alten Hochzeitsfotos. Sepia über grau. Kein schwarzweiß. Er urinierte die Papierbilder weich. Dann übergab er sich auf schneeweiße Kopfkissen.

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