Ficken, Schlüsselreize, ficken, blau
„Ficken, ficken, ach ja, habe ich fast vergessen, ficken. Damit ein wenig Abwechselung reinkommt, was eigentlich nicht nötig tut, Schwester, Bruder, Mutter und Vater. Noch was vergessen? Ach ja, Milf, Gilf, am besten in jedem zweiten Satz, damit es auch jeder versteht. Vor allem den Text nicht zu lang machen, das liest keiner mehr. Das gute, alte rauf, rein, runter, am besten in alle Löcher, natürlich mindestens drei oder vier Mal, Viagra wird es schon richten. Eine Geschichte, nicht nötig, warum auch, Hauptsache die Menschen können sich fette Titten und Ärsche vorstellen. Schon läuft der Rubel!“
Genau diese Zeilen gingen mir durch den Kopf, als ich vor meinem Rechner saß, eine leere Seite im Schreibprogramm betrachtete und mich fragte, was ich als Nächstes schreiben sollte. Vor allem, welche Wirkung es bei dem Leser erzeugen sollte. Wobei es den Leser nicht gibt. Sie sind alle verschieden wie die Menschen selber, der kritische wie der einfältige, Einhandleser und Fans, die sich darüber freuen, nicht immer mit Kraftausdrücken bombardiert zu werden. Ficken! Entschuldigung, musste sein, damit das Publikum breit genug bleibt, um Beachtung zu finden.
Im Prinzip ist es mir egal. Es ist wie, wenn ich Essen für einen gemütlichen Abend für Freunde mache. Mir muss es schmecken, was die anderen davon halten, ist nebensächlich. Wer kein Fleisch mag, aus welchem Grund auch immer, muss es nicht essen, ganz einfach.
Blieb bei diesen Überlegungen immer noch die Frage, was sollte ich schreiben, was aus der Realität? Spielte das überhaupt eine Rolle? Wen interessiert das und warum sollte ich den Menschen das unter die Nase reiben. Ich produziere Traumwelten, Geschichten, Romane, wie auch immer man das nennen soll. Selbst für mich ist es eine Art Flucht aus dieser in eine andere Realität. Nicht dass ich die echte Welt nicht mag, im Gegenteil, ich bin zufrieden mit dem, was ich bin und habe. Trotzdem, wer leckt nicht auch mal an einem anderen Eis.
So, genug der Vorrede, wer es bis hierher geschafft hat, ist neugierig genug, mag ein längeres Vorspiel, wartet gespannt auf den Hauptgang.
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, meine Reihe mit Farben fortzusetzen, die ich begonnen hatte. Ein Einfall, den ich interessant fand. Mal was anderes als sonst. Natürlich hätte ich auch etwas anderes nehmen können, zum Beispiel: „Muttis kleiner Lecksklave!“
Die Einschaltquoten wären enorm gewesen. Was ließe sich alles hinter diesem Titel abarbeiten. Der Fantasie wären keine Grenzen gesetzt. Aber nicht mein Ding, das ist eine Art, die ich gerne anderen überlasse. Kurz, prägnant, keine Spannung, der Inhalt ist damit wohl zum größten Teil bekannt. Praktisch, wenn man nicht mehr überlegen will. Auch nichts für mich.
Heißen sollte die Geschichte dieses Mal blau. Einfach Farbe, kein Hinweis darauf, was sich dahinter verbirgt. Mir fiel dazu Schlumpfinchen ein. Sicher treibt es manchen Leser ein Schmunzeln in das Gesicht, Erinnerungen an die Kindheit kommen auf. Jeder kennt sie, die kleinen blauen Wichtel aus Schlumpfhausen. Doch was hat das mit Sex zu tun? Diese Frage habe ich mir auch gestellt und es trieb ein breites Grinsen in mein Gesicht, als mir dazu etwas einfiel. Und hier folgt endlich die eigentliche Geschichte:
Blau
Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, an dem alles begann. Es war im Sommer, warm und schön, leider musste ich an genau bei solchem Wetter zu einem Bewerbungsgespräch für einen neuen Job. Meine alte Firma war verkauft worden und für mich kein Platz mehr gewesen. Der Betrieb musste schlanker gemacht werden, und ich war wohl der Fettrand, der entfernt werden musste. Es lag nicht an meiner Persönlichkeit, zumindest ging ich davon aus, sondern einfach ein politisches Opfer. Frei nach dem Motto: „Schmeiß nicht nur die dummen und eingeschränkten raus, sonst wird es unglaubwürdig!“
Das soll nicht heißen, dass ich mich besser stellen will als andere, bestimmt nicht, doch ich kenne meinen Wert, und wenn ich faul gewesen wäre, hätte ich genug Rückrad um es zuzugeben. Letztendlich spielte es keine Rolle.
Also bewarb ich mich bei einer der Konkurrenzfirmen in gleichen Sektor und bekam nach einer Woche eine Aufforderung, zu einem Gespräch zu erscheinen. Also bereitete ich mich darauf vor, suchte entsprechende Papiere heraus die meine Leistungsfähigkeit dokumentierte, kaufte mir sogar einen neuen Anzug mit passender Krawatte. Ich mochte es eigentlich nicht, doch in meiner beruflichen Ausrichtung konnte es nicht schaden, es sei denn, es war ein Wetter wie an dem Tag. Ich fühlte mich nicht wohl, am Hals eingeengt, als ich früher losfuhr als nötig. Ich wollte auf alle Fälle pünktlich sein. Das würde mir zumindest keine Minuspunkte einbringen.
Eine halbe Stunde später kam ich an einem der modernen und austauschbaren Verwaltungsgebäude an, parkte abseits und genehmigte mir einen kleinen Spaziergang zum Gebäude. Zeit hatte ich genug, zu früh wollte ich auch nicht auftauchen. Es sollte nicht danach aussehen, als wenn ich es unbedingt nötig hatte.
Auf die Minute genau, klopfte ich gegen eine Tür, dessen Eingangsschild aussagte, dass hier das Personalbüro war, auf Neudeutsch, HR, Human Resources. Ein Ausdruck, den ich nicht mochte. Ich war ein Mensch, keine Recource. Hörte sich an wie eine Erzader oder ein Lagerbestand.
Sekunden später stand ich an einem Tresen, hinter dem mich eine ältere Dame misstrauisch betrachtete, mir einen Fragebogen rüberreichte und mich dazu aufforderte, ihn auszufüllen.
Ich fand es komisch, denn eigentlich standen alle Angaben in meiner Bewerbung und ich konnte keine Frage erkennen, die ich nicht damit beantwortet hatte. Ich zuckte mit der Schulter, nahm in einer Sitzecke Platz und tat wie gewünscht. Dabei wundete ich mich, dass ich alleine war. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass viele andere Bewerber sich hier einfinden würden, der Job war lukrativ bei einer angesehenen Firma.
Nach dem Ausfüllen gab ich alles zurück, und ich wurde angewiesen, noch einen Moment zu warten. Anderes hatte ich nicht vor und der Raum war klimatisch kontrolliert, also konnte ich es gut aushalten. Davon abgesehen hatte ich auch nichts anders vor.
Zehn Minuten später klingelt bei der Empfangsdame ein Telefon und sie sah mich an, nachdem sie wortlos das Gespräch entgegengenommen hatte.
„Herr Maler, der Chef erwartet sie. Bitte treten sie ein!“
Bei diesem Satz zeigte sie mit einem Finger auf eine dick gepolsterte Tür, die zu ihrer Rechten war. Dahinter befand sich sicher das Heiligtum ihres Herrn. Zumindest machte sie den Eindruck. Ihr Gesicht blieb dabei steinern, sie verzog keine Mine.
Also stand ich auf, ging zur Tür, öffnete sie und trat ein.
Dahinter war ein Büro, wie ich es mir nicht vorgestellt hatte. Eigentlich hatte ich einen nüchternen Raum im Kopf, zweckmäßig eingerichtet, kalt und unpersönlich. Das Gegenteil war der Fall. Mich erwartete ein Büro wie vor hundert Jahren. Ein wuchtiger Schreibtisch belegte die eine Seite, eine entsprechend dicke und bequem aussehende Ledergarnitur in der anderen Ecke, lud zum Verweilen auf. Hinter dem Schreibtisch saß ein älterer Mann mit Glatze, der in Papieren rumwühlte.
„Setzen sie sich, ich habe gleich Zeit für sie!“, sagte er in meine Richtung, ohne mich anzusehen.
Also tat ich es, nahm in einem der Sessel Platz, betrachtete ihn und die Ausstattung des Raumes.
„So, jetzt habe ich Zeit für sie!“, machte sich der Chef bemerkbar, legte einen Ordner aus der Hand und kam um den Schreibtisch herum auf mich zu. Natürlich stand ich auf, um seine Hand zu schütteln, die er mir reichte.
„Maler, auch Chef genannt!“, stellte er sich vor, ich nannte meinen Namen, er nickte.
„Setzten sie sich wieder, möchten sie etwas trinken?“, fragte er mich, doch ich verneinte es. Nach dem Gespräch sicher gerne, vorher nicht.
„Gut, ich auch nicht. Sie möchten also bei uns einen Posten besetzen. Wie mir gesagt wurde, waren sie zuvor bei einem unserer Mitbewerber auf dem Markt. Wie ich hörte, haben sie einige Leute entlassen, unter anderem sie, wenn ich es richtig vermute. Also würde mich interessieren, warum ich sie einstellen soll, wenn andere anscheinend mit weniger Personal auskommen. Überraschen sie mich!“
Natürlich begann ich damit mein gelerntes Repertoire abzuspulen, die Sache mit der Teamfähigkeit hervorhob, redete von Innovationen, neuen Ideen, frischer Wind in alten Gemäuern, eben die Phrasen, die jeder drauf hatte. Viel Gelaber, wenig greifbarer Inhalt. Es hätte von einem Politiker kommen können.
Es dauerte keine zwei Minuten, bis der Chef offensichtlich anfing zu gähnen. Er machte sich wenig Mühe damit, eine Hand vor den Mund zu halten. Es sollte offensichtlich sein.
„Langweilen sie immer alle Menschen mit denen sie sich unterhalten?“, unterbrach er meinen Monolog und ich hörte sofort auf, dachte bereits, dass es das gewesen war.
„Nicht gerne!“, antwortet ich und er schüttelte seinen Kopf.
„Das können sie meinen Schreiberlingen vorkauen, die hören das jeden Tag und machen gute Mine zum bösen Spiel. Bringen sie mal was Neues, nicht immer die alte Platte. Wenn sie das nicht hinbekommen, wissen sie, wo die Tür ist!“
Jetzt wurde es schwierig, darauf war ich nicht vorbereitet.
„Hmm, ich sehe, dass Spontanität nicht gerade zu ihren Stärken zählt. Das war in ihrer Auflistung ihre Vorzüge auch nicht aufgeführt. Was würden sie zu einem Test sagen, den ich hier und jetzt mit ihnen mache?“
Ich hatte keine Ahnung, was er damit meinte, konnte es mir auch nicht vorstellen. Irgendwie hatte ich den Eindruck, als wenn es anders laufen würde als gedacht.
„Gut, wenn es mir hilft, gerne!“, sagte ich zu, was hätte ich sonst sagen sollen, ich brauchte eine neue Arbeit, und wenn es funktionierte, warum nicht.
Er lächelte kurz, stand auf, ging zu seinem Telefon und sprach ein paar Worte, die ich nicht verstand. Danach kam er zu mir zurück, setzte sich und schien auf etwas zu warten. Was es war, löste sich schnell auf.
Durch eine schmale Nebentür erschien eine kleine, schlanke Frau, vielleicht um die dreißig Jahre alt, vielleicht auch vierzig, sie war schwer zu schätzen. Doch das war nicht was mich faszinierte, war nebensächlich. Meine Augen hefteten sich auf ihre Gesamterscheinung. Sie hatte eine blonde, bis über die Schulter reihende Mähne, deren Pony sie seitlich weggekämmt hatte. Dazu trug sie ein eng anliegendes, royalblaues Kostüm, und schwarze, höher Pumps, die sie größer machten, als sie war und ihre Waden besonders zur Geltung brachten. Eine Brille, die auf der Spitze ihrer kleinen Stupsnase saß, rundete das ganze Erscheinungsbild ab, genauso wie die dunkle gehaltenen Augenbrauen sowie verlängerten, schwarzen Wimpern.
Also vermutete ich, dass sie nicht naturblond, oder es inzwischen nachgedunkelt war, mit Wasserstoffperoxid aufgefrischt. Alle in allem stimmig und durchaus ansehnlich.
In diesem Moment schoss mir ein Begriff in den Sinn, der aus dem Nichts kam. Schlumpfinchen. Auch wenn ihre Haut nicht blau war, sie keine weiße Schlumpfmütze trug, erinnerte sie mich sehr an diese Figur. Zu meinem eigenen Erstaunen hatte ich es laut ausgesprochen, was mir erst klar wurde, als sie sich ruckartig zu mir wendete und mich anstarrte.
„Bitte!“, hakte sie nach, hatte vielleicht nicht genau verstanden, was ich gesagt hatte.
„Entschuldigen sie, es war nichts Bestimmtes!“, versuchte ich mich rauszureden, doch innerlich wurde mir schnell klar, dass sie es doch verstanden hatte. Sicher ein Minuspunkt für mich. Sie tat, als wenn sie es nicht weiter störte, wir begrüßten uns.
„Frau Müller, die gute Seele des Unternehmens!“, wurde sie mir vom Chef vorgestellt und wir reichten uns die Hände. Jetzt stand sie direkt vor mir und ich konnte abschätzen, dass sie nicht viel größer als einen Meter fünfzig war, vielleicht fünf Zentimeter mehr.
Sie sah mich von oben bis unten an, schien sich dafür zu interessieren, wie ich angezogen war.
„Sieht gut aus!“, gab sie zu verstehe und der Chef nickte.
„Das habe ich mir bereits gedacht. Von daher wäre er sicher in der engeren Auswahl!“, bestätigte er erneut und ich wusste nicht, wovon sie sprachen, hielt es auch nicht für richtig, danach zu fragen.
„Also Herr Schmidt, wir haben sie hierher gebeten, obwohl wir die Stelle bereits besetzt haben!“, fing er an und ich sah ihn unverständlich an. Wozu war ich dann hier. Für ein wenig Small Talk war es sicher nicht.
„Was wir seit einiger Zeit suchen, ist ein persönlicher Assistent für Frau Müller, einer vom Fach, der sich mit der Materie auskennt, der sie auch bei Konferenzen und Geschäftsgesprächen berät, ihr zur Seite steht. Ich bin dafür zu alt geworden, kann diese Termine aus gesundheitlichen Gründen oft nicht in Anspruch nehmen. Natürlich bekommen sie eine entsprechende Grundvergütung, die bei guter Zusammenarbeit und Erfolg gewaltig aufgestockt werden kann. Was halten sie davon? Soweit ich ihren Unterlagen entnommen habe, sind sie ledig, werden aus dieser Ecke keine Probleme bekommen. Es sei denn, andere Gründe halten sie von dieser Tätigkeit ab. Wie haben sie gerade noch hervorgehoben? Teamarbeit wäre ihnen wichtig. Hier habe sie die Chance ihre Fähigkeiten zu beweisen. Frau Müller ist nicht gerade leicht zufriedenzustellen. Also, was sagen sie dazu?“
Ich musste nicht lange überlegen, um zuzusagen. Eine Beratertätigkeit war zwar nicht, was ich mir vorgestellt hatte, doch Flexibilität war in unseren Zeiten ein Muss.
„Hört sich gut an, zuvor hätte ich noch eine Frage!“, schloss ich an und Herr Maler sah mich interessiert an.
„Welche?“, wollte er neugierig wissen.
Blau
Vier Farben
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