Gelangweilt blätterte die junge Frau in ihrer favorisierten Internetplattform.
Nichts wollte ihre trübe Stimmung heben. Noch nicht einmal die Witzseite und schon gar nicht die erotischen Geschichten ihres Lieblingsforums auf einer der weltgrößten Literaturplattformen.
In letzter Zeit hatte sie sich immer mehr über die unzulänglichen Geschichten der anderen Hobbyautoren geärgert. Oft wurde viel zu plump (für ihren feinen Geschmack) an die Sexualität herangegangen und ein anderes Mal verachtete eine Schreiberin ihr eigenes Geschlecht und ließ ihren Protagonisten dermaßen derb auftreten, dass es der jungen Frau beim Lesen die Sprache verschlug.
" Das kann ich besser!", dachte sie sich und öffnete ihr Schreibprogramm.
Flink hüpften ihre schmalen Finger über die alte Tastatur:
›An einem Sonntag - aber das wissen Sie bestimmt - ist meist nicht viel los. Und besonders, wenn man Single ist...‹
"Das interessiert niemand - streichen!", und die junge Schriftstellerin löschte die Zeile. Wieder blickte sie auf das jungfräuliche Dokument.
Ihre Hände, die sie auf die Tastatur gelegt hatte, warteten auf die berühmte Eingebung.
Ihr Blick wanderte vom Bildschirm zu ihrer großen blauen Wanduhr über ihrem Schreibtisch, deren Sekundenzeiger sich unaufhörlich im Kreis bewegte.
Sie begann die Sekunden zu zählen.
5, 10, 15, 20...
"Wieso will mir nichts einfallen?"
Der Minutenzeiger hatte sich vorwärtsbewegt, und doch registrierte die junge Frau den stetigen Lauf der Zeit nur an Hand des fortlaufenden "Tick-Tack ... Tick-Tack" des Sekundenzeigers.
Während die Uhr unaufhaltsam die Zeit anzeigte, flatterten Szenarien ihrer Vergangenheit über ihren inneren Bildschirm.
Im Rhythmus der Uhr begann sie die Bilder in ihrem Kopf aufs virtuelle Papier zu bringen.
›Die Sonne berührt meine Haut und streichelt sie so sanft, als wären es deine Hände. Hände aus Sonnenstrahlen. Schmale Finger und zärtlich berührende Fingerspitzen malen Kornkreise auf meinen Bauch und um meinen schlaffen Busen. In deinen Arktisblauen Augen spiegelt sich mein unvollkommendes Gesicht.
In deine Arme kann ich fallen ohne Angst. Deine Stärke fängt mich auf. Deine Liebe...
Unsere nackten Körper berühren sich.
Wir gehen eine Symbiose ein, vertiefen diese und beschwören unseren Eid immer wieder aufs neue.‹
"Das will auch keiner lesen. Wer interessiert sich schon für die Gefühle eines Menschen?"
Sekunden später starrte sie wieder auf das weiße Dokument.
Ihre Hand griff in ihr CD-Regal und sie angelte sich unbewusst ihre sogenannte "Schreibmusik" heraus.
Die ersten Takte der schweren Musik des Films "Armageddon" erklangen.
"So eine Liebe müsste man beschreiben können", dachte sie und sah, wie Liv Tyler, die Tochter des Aerosmith-Sängers Steven Tyler, und Ben Affleck am Strand ihre Liebe zueinander bezeugten.
"Das ist Hollywood! Das wahre Leben ist weder romantisch noch wirklich erotisch."
Dann begann sie erneut zu tippen.
›John hatte einen Ständer. Er wollte ihn in der Möse von Charlotte versenken und endlich seinen Druck los werden. Was sie davon halten würde, war ihm völlig egal. Heute Nacht wäre es so weit. Heute Nacht würde er sie anstechen.
John schaute auf seine goldene Armbanduhr und klingelte pünktlich an der Wohnungstür. Sekunden später, als hätte der Vater hinter dem Vorhang gestanden und auf ihn gewartet, öffnete dieser die Tür und lächelte überheblich und gleichzeitig streng.
»Sie müssen John Doo sein?! Meine Tochter kommt gleich«, sagte der Mann etwas lauter, um so seiner Tochter das geheime Zeichen zu geben, dass sie die Mitteltreppe von der ersten Etage zur Eingangshalle herunter kommen konnte.
John nickte, reichte Charlottes Dad seine Hand und versuchte durch einen festen Händedruck Eindruck zu schinden.
»Es freut mich sehr, dass Sie mir Ihre Tochter anvertrauen. Ich werde sie pünktlich um Mitternacht wieder abliefern«
Charlotte hatte ihren Auftritt.
Ein überdurchschnittlicher großer Teenager im rosafarbenem Ballkleid kam in Begleitung ihrer mausgrau wirkenden Mutter die Treppe herunter.
Die beiden Männer standen sprachlos in der geöffneten Tür und starrten auf die fast schwebende Charlotte.
»Daddy - du kannst den Mund wieder zu machen«, sagte das Mädchen lächelnd und kam neben ihrem Vater zum stehen.
»Du siehst bezaubernd aus«, sagte John, nahm ihre linke Hand und streifte das Blumenbukett aus feuerroten Orchideen über ihr Handgelenk, dann küsste er sie leicht auf die Wange und dachte: ›Nach dem Abschlussball wirst du keine Jungfrau mehr sein.‹
»Oh John, die Blumen sind entzückend. Danke!« Charlotte küsste ihren Ballpartner schüchtern auf seine rasierte Wange.
Ihre Mutter erschien hinter dem Vater und zwinkerte ihrer Tochter verstohlen zu.
»Viel Spaß Kinder. Und John...«, der junge Mann sah in die stahlgrauen Augen des Vaters, »pünktlich um Mitternacht!« dann verabschiedeten sie sich voneinander und das junge Pärchen stieg in den schwarzen Thunderbird und fuhr in Richtung Highschool.
Das junge Paar tanzte, unterhielt sich und küsste sich schüchtern in der Öffentlichkeit, während die Uhr im angemessenem Tempo in Richtung Mitternacht wanderte.
»Charlie...«, sagte John Doo liebevoll zu Charlotte.
»Ja?!«
»Heute Nacht soll es einen ganz besonderen Augenblick in unserem Leben geben«, sagte er und führte ihre Hände zu seinen Lippen, dann sprach er weiter: »Ich will dich für immer.«
Charlotte, sichtlich irritiert, zog ihre Hände und ihren Körper aus seiner Umklammerung und verließ die Tanzfläche. John schritt hinter ihr her und legte seine Hand schwer auf ihre nackte Schulter. Charlotte blieb stehen, drehte sich um und flüsterte nur: »Bring’ mich nach Hause.«
›Na, das funktioniert wie am Schnürchen. Wenn ich sie erst Mal im Auto habe, ist sie mir eh ausgeliefert‹, dachte John und fragte verständnisvoll: »Geht es dir gut? Habe ich etwas falsches gesagt?«
»Nein, nein - es ist schon ok. Ich bin nur noch nicht so weit, um dir einen Einblick in meine Seele zu gewähren«
›Oh Gott, wenn ich das Geschwätz jetzt nicht verhindere, werde ich noch selig gesprochen‹, schoss es John Doo durch den Kopf, doch er sagte: »Nein Charlotte, ich gebe dir alle Zeit der Welt, schließlich liebe ich dich.«
»Ich dich auch«, sagte das junge Mädchen und stieg in den Wagen. John ließ die Tür zufallen, rannte schnell um den Wagen herum und stieg selbst auf der Fahrerseite ein. Er drehte den Schlüssel im Zündschloss und der Motor heulte auf. John grinste, gab etwas Gas, woraufhin der Motor ein Donnern von sich gab, dann löste er die Handbremse, knüppelte die Automatik ein und der Thunderbird setzte sich in Bewegung.
Als es bereits weit nach Mitternacht und Charlotte immer noch nicht zu Hause war, wollten ihre Eltern gerade den Deputy anrufen, als die Haustür mit Schwung aufgerissen wurde und Charlotte, im zerrissenen Ballkleid, in die Arme ihres herannahenden Vaters fiel.‹
"Die erste Liebe ist nicht romantisch!", sagte sich die junge Schriftstellerin und speicherte die soeben geschriebene Episode in den Ordner "Tagebuch".
»Charlotte - kommst du? Ich will schlafen gehen«, hörte sie die vertraute Stimme ihres Mannes.
»Ja Liebling. Einen Moment noch bitte. Ich mache nur noch den PC aus.«
Charlotte betrat das Schlafzimmer. Ihr Mann, ein berühmter Drehbuchautor, lag bereits auf seiner Bettseite und legte das Buch aufs Nachttischchen, welches er zu korrigieren beabsichtigte, und grinste seine Frau an, als er sagte: »Weißt du eigentlich, wie erotisch deine Füße für mich sind, wenn du diese blauen Strümpfe trägst und wie mich dein Körper elektrisiert, wenn du dieses rosa T-Shirt trägst und welch wilde Ausstrahlung deine Lockenwickler auf mich haben?«
"Wahre Liebe ist erotisch", dachte Charlotte und krabbelte unter die Bettdecke ihres Mannes.
Blaue Strümpfe, rosa T-Shirt und...
...erotische Lockenwickler
5 4-7 Minuten 0 Kommentare
Zugriffe gesamt: 10857
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.