Blut und Begierde

Blut und Begierde

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Blut und Begierde

Blut und Begierde

Joana Angelides

Nach der Sonntagsmesse am nächsten Morgen sah man die Leute tuschelnd am Kirchplatz zusammenstehen und als der Pfarrer zu nahe herankam, verstummten sie oder wechselten das Thema. Die Stimmung war allgemein gedrückt. Man wusste nicht, was man von den Ereignissen halten sollte.
In der darauffolgenden Nacht waren wieder Pferdehufe auf der Brücke zu hören und einige beherzte Männer aus dem Dorf machten sich auf den Weg durch den Wald. Sie wollten sich Klarheit darüber beschaffen, was dort vor sich ging.
Aus der Tiefe des Waldes hörte man Geräusche aus dem Unterholz, ein Käuzchen ließ seinen Ruf erschallen und irgendwo heulte ein Wolf. Um die Höhlen des aufsteigenden Felsens flogen Fledermäuse unruhig hin und her und es kam wieder Wind auf.
Der am Himmel stehende blasse Mond legte sein bleiches Licht auf dieses Schauspiel und so manchem liefen kalte Schauer über den Rücken. Riesige Fledermäuse durchstreiften gemeinsam mit schwarzen Krähen die Luft.
Einige stahlen sich ängstlich unbemerkt wieder davon und liefen zurück ins Dorf.
Diejenigen, welche geblieben waren, blickten zögernd auf die andere Seite hinüber. Das Schloss war beleuchtet, es standen auch drei Pferdekutschen davor, die Pferde unruhig und schnaubend. Sie zögerten kurz und sahen sich fragend an.
Da sie nun aber einmal da waren, entschlossen sie sich doch, hinüberzugehen. Sie gingen über die Brücke, dann an den Pferdefuhrwerken vorbei und standen vor der Eingangstüre, die mehr ein Tor und nur angelehnt war.
Es schien, als wären sie erwartet worden, denn das große schwere Tor wurde plötzlich weit geöffnet und sie konnten ungehindert eintreten. Niemand begrüßte sie, es war, als ob man nicht besonders erstaunt war, dass sie so plötzlich da waren.
Der Tisch in der Mitte des Raumes war mit   einem dunkelroten Tischtuch bedeckt, es standen Gläser mit Rotwein darauf und die Gesellschaft unterhielt sich angeregt. Es handelte sich um drei Männer und zwei Frauen. Die Männer waren mit dunklen Anzügen und blütenweißen Hemden bekleidet, die beiden Damen trugen unter ihren schwarzen Umhängen weiße lange Kleider mit üppigen Rüschen an den Oberteilen.
Die Beleuchtung bestand aus sehr vielen brennenden Kerzen, die in Leuchtern am Tisch standen, jedoch auch am Boden und in den Fensternischen waren brennende Kerzen willkürlich angeordnet. Das flackernde Licht warf bewegliche Schatten an die Wände.
Die staunenden Dorfbewohner wurden nun doch herbeigewunken und mussten auf den leerstehenden Sesseln Platz nehmen. Es wurde ihnen Rotwein eingeschenkt und sie wurden genau betrachtet, einige sogar berührt. Man berührte ihre Haare, strich über ihre Nacken und Arme und mit stechenden Blicken zwangen sie sie, sitzen zu bleiben.
Es wurde auch anfangs nichts gesprochen und es war ihnen, als würden sich alle zeitverzögert bewegen.
Danielle und Sabrina, zwei junge Mädchen aus dem Dorf waren besonders neugierig. Sie wollten diese Fremden näher begutachten, es kamen ja so selten Besucher ins Dorf. Sie zeigten sich demonstrativ neugierig und lächelten in die ihnen fremden Gesichter, versuchten vergeblich von ihnen auch ein Lächeln zu erhaschen. Es waren jedoch kalte, ernste Blicke aus dunklen brennenden Augen.
Die Unterhaltung entwickelte sich in der Folge aber dann doch immer lebhafter, dauernd wechselten die Sitzpartner und langsam verschwamm Wirklichkeit und Halbtraum. Sie wurden von den leicht schwebenden Körpern der Anwesenden häufig umarmt, sie flüsterten und raunten ihnen Dinge ins Ohr, die sie teilweise nicht verstanden oder glaubten nicht richtig zu verstanden zu haben. Ihre Fantasien, oder war es Wirklichkeit, spielten ihnen süße schmerzhafte Vereinigung mit fast körperlosen Wesen vor, sie spürten heißen Atem und dann wieder kühlen Todeshauch auf ihrer Haut. Sie fühlten sich in einem Moment körperlos und kraftlos, im anderen Moment voll Energie und Bewegung. Die Luft war geladen mit Düften und Aromen. Sie glaubten einmal leise, tragende Musik zu hören, dann wieder hereinbrechende Melodien, wie die Urgewalten des Universums. Ihr Gehör war durch den Genuss des Weines geschärft und imstande die leisesten Schwingungen und Wellen im Raum wahrzunehmen.
Der Raum war erfüllt von Farben und silbernen Schleiern, sie fühlten sich emporgehoben und gewichtslos, aller Kraft und Bodenhaftung beraubt.
Es ging nicht nur den beiden Mädchen so, für diese einfachen Menschen aus dem Dorf, Bauern und Handwerker war es eine fremde faszinierende, bisher nicht gekannte Welt. Manche vergaßen, woher sie kamen, dass sie Familie hatten, oder Handwerksbetriebe. Sie wollten nur noch, dass dies alles nie wieder aufhört und stürzten in endlose, dunkle, dann wieder hell leuchtende Tiefen und Strudel.

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