Blut und Wasser

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Blut und Wasser

Blut und Wasser

Alfred W. Schwarzmüller

Es war vor ungefähr zwei Jahren, ich war damals in einem Hotel, allein, als Softwareverkäufer allein in einem Hotel, ich stand in dem Zimmer, und völlig fertig von dem Tag war ich, war völlig fertig vom verkaufen und kümmern und Messe und quatschen und schlau erzählen, da saß ich in meinem Zimmer, meinen Whisky, meinen Schlaftrunk in der Hand, saß auf dem Sessel, allein.

Aufgedreht. Die Bilder der Computeroberfläche wirbelten in meinem Kopf, RGB Farbe, ich bemerkte, wie ich die Farben verglich, wie ich jedes reale Teil meiner Umgebung mit den Icons meines Desktops verglich.
Da wusste ich, ich würde nicht schlafen können, zu viele Dinge würden in meinem Kopf rumgeistern, zu viele Gedanken kreisen, zu viel Energie im Kopf um loslassen zu können, um mich einfach friedlich ins Bett legen zu können, und bevor ich in das schwarze Loch des Verlassenseins falle, bevor ich mich der üblichen Hoteldepression ergebe und mich beuge, vor der hohen Erwartung an eine Großstadt in der ich früher mal studiert hatte, bevor ich vor Langeweile und Schlaflosigkeit zerbreche, entschloss ich mich, trotz meiner körperlichen Müdigkeit für Lebenshunger. Damals, komisch war das damals, aber ich weiß es noch wie heute.

Ich stellte mich nackt auf den Balkon meines Hotels in dieser süditalienischen Grosstadt, der Altstadt von Neapel, sah die dunkelgrauen Steine, jahrtausende Jahre altes Pflaster auf dem schon bedeutende und unbedeutende Gestalten unterwegs waren, sehe die vielen Menschen, die, wie schon seit jeher, durch diese Strassen gingen, höre deren Gemurmel, das unterbrochen wird von einzelnen laut vorbeifahrenden, sehe die gerade mal so durch die schmale Gasse passenden Autos, mit Massen von spärlich bekleideten jungen Leuten, die falsch und authentisch lachend auf den großen Kick des Abends warten, die Steine die, obwohl vollkommen trocken, trotzdem schimmernd speckig im Nachtlicht glänzen, von Milliarden und Abermilliarden ärmlichen und herrschaftlichen Füßen blankgescheuert, von Eisenrädern und Gummireifen traktiert, diese Steine, die mit stummen Glanz von ihrem Leiden berichteten. Es lockte mich und ich, ich ging zurück und zog mich wieder an, hatte mich schon geduscht, bereit zum Schlafengehen, zog meinen Leinenanzug über meinen noch duschfeuchten Körper, ging an der Hotelrezeption vorbei, da liegt davor auf dem Boden ein schmutziger Zettel.

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