Er war ein Freund, der niemals mit Vorwürfen auftrat, man habe lange nichts von sich hören lassen, tauchte unverhofft alle heiligen Zeiten auf oder man traf ihn tatsächlich zufällig auf einem wenige Stunden dauernden Abstecher in seine Heimatstadt, den er sofort dem spontanen Treffen widmete.
Seit einem halben Jahr arbeitete und wohnte er auch wieder hier, allerdings fast so unerreichbar wie davor, denn seine Arbeitszeiten unterlagen dem Diktat der unvorhersehbaren Umstände sowie seiner eigenen Initiative, eine Mischung, die Beständigkeit oder gar Langeweile zu theoretischen Begriffen aus dem Wörterbuch machten.
Dennoch war es ihm gelungen, gelegentlich Treffen mit dem alten Freundeskreis zu arrangieren und tatsächlich hatte er noch Kontakte zu Leuten, die ich Jahre nicht mehr gesehen hatte, obwohl ich viel näher an ihnen wohnte. Auf einer unserer Zusammenkünfte brachte er Julia mit, die mit ihrer warmen ruhigen Art sofort Sympathien weckte, dazu gehörte, als sei dies immer so gewesen und in der Folge oft vermisst wurde, da sie weiter entfernt ihrem Studium nachging und — leider — nicht ständig anwesend sein konnte. Ich fragte mich, wie diese äußeren Umstände eine dauerhafte Liebesbeziehung zuließen und bald stellte ich Freddy diese Frage.
Freddy hatte Julia, deutlich jünger als er und ich, während seines vorigen Jobs an ihrem Studienort kennen gelernt. Er gestand mir, dass es alles aus einer rein sexuellen Beziehung begonnen hatte. Er sagte dies sehr leise, so als bräche er ihr Vertrauen, aber offenkundig drängte es ihn auch, mit irgend jemandem einmal darüber zu sprechen. Wir hatten in der Vergangenheit nie wie andere diese prahlerischen Erfolgsgeschichten ausgetauscht, sie hatten zu wenig Esprit und so gab es meist nur das vertrauliche Gespräch unter besonders vertrauten Freunden. Ich war im ersten Moment überrascht, da ihr sanfter Ausdruck dies nicht hätte erwarten lassen, doch hatte ich zu diesem Zeitpunkt gerade meine Affäre mit Tina hinter mir und wusste nur zu gut, wie schnell tiefe Liebe daraus erwachsen kann. Bei Freddy verspürte ich zumindest Ähnliches in der Art, wie er über sie gesprochen hatte, er war sichtlich gebannt von ihr, wenngleich ich ihm mehr zutraute, ihr nicht so bedingungs- und wehrlos zu verfallen. Ich sollte noch erfahren, dass ich nicht allzu falsch lag mit meiner Einschätzung.
Julia lud mich ein, heute Abend zum Essen zu kommen, Rikki sei auch da.
*
Rikki. Sie war ein Typ zum Pferde stehlen, zum Sinnieren, auch zum Phantasieren. Sie war unglücklich und lebensfroh, sie litt und genoß, war provokant und verständnisvoll, verlässlich und unberechenbar zugleich. Ab und zu nahm sie ab und zu und die Phasen ihrer Diäten waren synchron zu denen ihrer Unausstehlichkeit, mit der sie dann eine Begegnung begann, bis sich ihre wesenseigene Gutmütigkeit wieder den Weg an die Oberfläche bahnte. Manche Frauen legen sehr großen Wert auf ihre Erscheinung vor Publikum und passiert Unvorhergesehenes, sei es nur ein Stolpern, so ist die Inszenierung dahin, weil Unvollkommenes nicht hineinpasst. Wenn Rikki stolperte, dann passte das genauso zu ihr wie das souveräne Abschreiten eines vorwiegend mit Männern besetzten Straßencafes. Ich war hingerissen und habe ihr das an genau diesem Beispiel zu erläutern versucht, dachte dies sei ein wunderbares Kompliment. Sie meinte darauf, ich hätte ihr gerade gesagt, sie sei ein Trampel.
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