Die Brücke

Geschichten vom Anfang der Sehnsucht

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Die Brücke

Die Brücke

Stayhungry

Schließlich fand sie den Mann fürs Leben, einen erfolgreichen Unternehmer, ein unerschütterlicher Fels in der Brandung, aktiv, tatkräftig, entscheidungsfreudig, gleichzeitig lernte ich ihn als nachdenklichen Feingeist kennen, der neben einem tiefen Gespür für politische Entwicklungen auch Kunstverstand besaß, so dass ich ihr nur innerlich gratulieren konnte. An ihrer Hochzeit nahm ich tief zufrieden teil, mit den besten Gefühlen, war ich doch nun auch in festen Händen — denen meiner jetzigen Ex, aber damals war das noch ganz in Ordnung.

Was ich nach meiner Trennung erfahren musste: er hatte sie seit der Heirat bereits betrogen, jede ihrer Schwangerschaften exzessiv mit einer anderen Frau genossen und sie schließlich, zusammen mit den gemeinsamen Kindern vor die Tür gesetzt, als die Neue auf Einzug in die Luxusbleibe bestand - heißt: in ein anderes Haus verfrachtet, weit genug entfernt, dass ein häufiger Kontakt schon organisatorisch nicht anlag. Mies hatte er sie behandelt, immer wieder hingehalten und doch immer nur betrogen.

So fühlte sie sich, so sah sie auch aus für einige Zeit, ließ sich gehen, achtete nicht mehr auf sich, verständlich, musste sie sich doch mit dem mageren Unterhalt eines Begüterten auskommen, der sich vor der Steuer arm rechnen ließ. Auf der Hochzeit eines gemeinsamen Freundes erschien sie in einer Art Wollsack, mit strähnigem, ungewaschenem Haar, angesichts der doch fröhlichen Stimmung dieses von Zuversicht in eine Beziehung getragenen Ereignisses mehr angerührt als sie sich wohl vorgestellt hatte, und betrank sich unauffällig, aber zielstrebig. Es nahm ihr niemand übel, waren wir doch alle auch auf ihrer Hochzeit gewesen und erinnerten uns genau wie sie daran.

*
Julia also lud mich ein, den Abend mit ihnen zu verbringen und das tat mir wirklich gut. Wir verabschiedeten uns und ich bemühte mich, ihr nicht zu auffällig nachzusehen, um Julias herzliche, freundschaftliche Annäherung nicht unverhofft zu stören durch erkennbares Begehren. Den Blick ihrer dunklen, tiefgründigen Augen und ihr warmes Lächeln zum Abschied konnte ich nicht deuten, wollte es nicht und gab mich unbekümmert unrealistischen Phantasien hin, einfach, weil ich nach einiger Zeit endlich wieder einmal das Gefühl hatte, das Leben ist schön.

*

Es war der Sommer nach jenem meiner Affäre mit Tina und ich war orientierungslos auf der Suche nach einer neuen Liebe. Die sanften Frauen, die meine Nähe suchten, mied ich meist, da ich fürchtete, sie wären sich über meine unbekannten Seiten im Unklaren, und so mancher Versuch endete in ernüchternder Gewissheit. Die wilden Weiber sprangen ohnehin nicht so leicht auf mich an, und wenn, dann war ich ihnen im Alltag zu sanft, unsportlich, häuslich oder schlimmer noch zu nachdenklich. Wenigstens hatte keine mir gegenüber behauptet, ich sei langweilig. Was auch nicht passen mochte, es fügte sich schwerlich und Enttäuschung war schon meine Grundstimmung.

Die Vorstellung, heute den Abend mit diesen Menschen zu verbringen, gab mir einen zuversichtlichen Schwung, den ich geraume Zeit vermisst hatte. Freddy und Julia strahlten eine liebevolle Verbundenheit aus, die ansteckte und hoffnungsvoll machte, und es interessierte mich auch, wie es Rikki zwischenzeitlich ging, die ich seit mehr als einem Jahr nicht gesehen hatte. Was ich vor einiger Zeit gehört hatte, hatte mich schon sehr betroffen gemacht. Die Stimmung dieses anbrechenden Abends ließ mich auch freudig in Erinnerungen an unsere gemeinsame Vergangenheit wühlen ohne an Bitterkeiten hängen zu bleiben.

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