Aufgewühlt, voller Adrenalin, begab ich mich zur vereinbarten Zeit zu Freddys Wohnung, als sei es eine intime Verabredung mit einer neuen Liebe. So ganz verfehlt war dies auch nicht, denn ich konnte unbefangen Julias Gegenwart genießen ohne irgendwie aufzufallen oder zu stören. Und Rikki zu treffen, konnte zwar eine Auseinandersetzung mit traurigen Tatsachen bedeuten, doch auch dies schreckte mich nicht, war sie mir über Jahre hinweg doch ans Herz gewachsen geblieben.
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Freddy begrüßte mich freudig und Julia grüßte aus der Küche, was mich durchaus wunderte, denn er war ein bekanntermaßen guter Koch, aber wie sie das untereinander aufteilten, ging mich ja nichts an. Es duftete jedenfalls schon köstlich und der Tisch war ansprechend gedeckt.
Wie ich erwartet hatte, sollte es diese leichte Mittelmeerküche geben, die den Gaumen entzückt, den Magen befriedigt und den Körper gänzlich unbeschwert läßt — stets ein Vorteil, falls ein Abend oder die ihm folgende Nacht noch verheißungsvoll würde. Und der Suchende will stets gewappnet sein, kann doch jede Chance die einzig wahre sein. Nun, ganz so fixiert war ich nicht, aber es war auch nicht einfach Zeitvertreib. Und so fragte ich Freddy, wie es denn Rikki ginge, denn wenn sie in Kürze kommen sollte, wollte ich sie nicht direkt überfallen, es konnte ja sein, dass sie vielleicht einfach mal abschalten wollte. Freddy sagte, er habe eigentlich einen guten Eindruck, ich werde angetan sein. So war es auch.
Rikki hatte sich wieder ausstaffiert mit gutem Gespür. Ein trefflicher Coiffeur hatte ihr eine wallende, kastanienrote Mähne beschert und offenkundig nahm sie gerade nicht ab, was der Stimmung des Abends sicher zuträglich sein würde. Die schlichte helle Bluse und ihre enge dunkle Hose brachten ihre nicht makellose, aber sehr ansprechende Figur gut zur Geltung. Und die Perlenkette passte hervorragend. Die Sorgen, Nöte und Demütigungen hatten Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen, aber das machte sie nur anziehender, eine Frau mitten aus dem prallen Leben, die zu Recht das Haupt erhoben trug. Sie schien halbwegs unbeschwert, zumindest gut gelaunt, und so fragte ich bewusst nicht, wie es gehe, sondern sagte ihr, dass ich mich freue, sie zu sehen. Das verstand sie in jeder Hinsicht richtig, ihr Blick bekam eine nachdenkliche Note, aber ihre Stimmung schien sich deshalb nicht einzutrüben.
Julia und Freddy waren da unbefangener, fragten und fast im Plauderton erfuhr ich so manches über ihre Situation, wie es ihr ging mit dem Verflossenen, dem Verlorenen, wie er sich verhielt zu seinen Kindern und wie vielschichtig dieser Kampf war, weil eine derartige Trennung eben keine vollständige Trennung im Leben sein kann und sie, wider ihre Gefühle, sich bei den Kindern manches Mal zu seinem Anwalt machen musste, damit das Band nicht ganz zerriß — obwohl ihm meiner Meinung nach damit nicht Unrecht geschehen wäre. Auch ich wurde um manche Auskunft gebeten, und Erzählbares gab ich preis.
Das Gespräch suchte sich seine Bahnen in eigener Logik, sprunghaft, angeregt, humorvoll, aber es kam wieder und wieder zum Vorschein, dass unsere Lebensmittelpunkte doch sehr unterschiedlich waren, und dass eine Alleinerziehende mit drei Kindern und Eltern, die für eine Neuorientierung ihrer Tochter wenig Verständnis aufbrachten, aber stets betonen, was sie alles schon immer gewusst hätten, hier eindeutig eingeschränkt war in ihren Entfaltungsmöglichkeiten. Ohne es zu wollen, hatten wir Rikki klar gemacht, was sie selbst ja schmerzlich als Lücke in ihrem Leben verspürte. Dem Wein hatten wir nicht unmäßig, aber doch in gewissem Umfang zugesprochen, das kann ein Gespräch beflügeln, aber er löst auch die Zunge für Dinge, die vielleicht nicht zur Sprache gekommen wären.
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