Auf der Weiterbildung hatte sie Mandy, eine junge, arbeitslose Schaufensterdekorateurin kennengelernt. Auch Mandy war von der Vorstellung eines eigenen Geschäfts fasziniert gewesen, hätte sich aber aufgrund ihrer notorischen Geldknappheit nie getraut, den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen. Trotz ihrer gegensätzlichen Temperamente waren die beiden jungen Frauen rasch Freundinnen geworden. Für Famke, die aus ihren homoerotischen Neigungen keinen Hehl machte, war Mandy mehr als die beste Freundin. Diese erwiderte zwar Famkes Zuneigung, gab ihr jedoch unmissverständlich zu verstehen, dass sie durchaus auch für männliche Reize empfänglich sei. Mit ihren gerade mal fünfundzwanzig Jahren wolle sie sich alle Optionen offenhalten und sich auf keinen Fall fest binden. Famke hatte Mandys Standpunkt klaglos akzeptiert. Herzeleid, Liebeskummer und Eifersüchteleien waren ihre Sache nicht. Man würde sehen, für wen sich Mandy letztlich entscheiden würde, dachte sie ein wenig naiv.
Zu jener Zeit hatte das Schicksal eine für die beiden Frauen günstige Richtung eingeschlagen. Famkes Tante, die in besagter Straße unweit des Altmarktes über Jahrzehnte einen Musikalienhandel betrieben hatte, wollte sich aus Altersgründen aus dem Geschäft zurückziehen und suchte einen Nachfolger. Da sie von den Ambitionen ihrer Nichte wusste, hatte sie ihr die Übernahme des Geschäfts angeboten. Famke fühlte sich wirklich geschmeichelt, konnte aber dem Vertrieb von Notenblättern, Partituren und Musikliteratur wenig Sympathie abgewinnen.
„Ich will dich weder zu etwas zwingen, noch dir im Wege stehen, Kindchen.“ hatte ihre Tante auf Famkes Bedenken geantwortet, als sie im Cafe nebenan die Angelegenheit bei Cappucino und Wein besprachen.
„Ich weiß, dass du alles gründlich und professionell vorbereitet hast. Ich weiß auch, dass du ein Geschäft erfolgreich führen kannst, sonst hätte ich dir meines nicht angeboten. Wenn dir also dein Wäscheladen so sehr am Herzen liegt, dann mach es. Meinen Segen hast du.“
Mit Tränen in den Augen hatte Famke ihre Tante umarmt und sie so oft auf die Wangen geküsst, dass manche Gäste neugierig, manche befremdet herübergesehen hatten.
*
Mit Feuereifer hatte sich Famke in die Geschäftsunterlagen gestürzt. Als besonders wertvoll erwies sich der alte, noch aus der Vorwendezeit stammende Mietvertrag zu schwindelerregend günstigen Konditionen. In prophetischer Voraussicht hatte ihre Tante seinerzeit eine Klausel darin verankert, die einem eventuellen Rechtsnachfolger alle Vertragsbedingungen ohne Verschlechterung sicherte. Nachdem ein Anwalt die juristische Unanfechtbarkeit des Vertrages bestätigt hatte, gab es kein Halten mehr. Mandy wurde ins Vertrauen gezogen und in einer langen, berauschenden Nacht voller Liebesglück und lustvoller Umarmungen waren in Famkes kleiner Wohnung mit Blick auf den Fernsehturm euphorisch Zukunftspläne geschmiedet worden.
„Wie soll es denn eigentlich heißen, unser Baby?“ hatte sich Mandy damals beim gemeinsamen Frühstück erkundigt.
„Was hältst du von « Die Wäschetruhe»?“
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