Der schrille Fotograf, der schon bei der kulinarischen Orgie anwesend war, trug diesmal eine Art Uniform, mit Goldknöpfen und Tressen vor der Brust und eine Militärmütze mit glänzendem Schirm. Die Uniform war in Pink und auch das Hemd, die Schuhe und sogar die obligatorische Sonnenbrille, die sich zu seinem Markenzeichen entwickelt hatte. Bevor die Geisha auftrat, hatte er akribisch, wenn auch ziemlich gelangweilt, die weiße Blumenlandschaft abfotografiert. Als die Geisha auf der Bildfläche erschien, stieg nicht nur sein Interesse, er änderte auch seine Arbeitstechnik. Nun kam es darauf an, viele Sequenzen aufzunehmen, schnell zu reagieren, beweglich zu sein. Er folgte ihr durch den Raum, suchte die besten Positionen, um die Dramatik der Bewegungen adäquat festzuhalten. Diese Art zu fotografieren, lag ihm weit mehr als das Ablichten von Blümchen. Er war in seinem Element, als die Geisha schwebte, rannte, tanzte, ihren Körper verrenkte. Er baute sich vor ihr auf, legte sich auf den Boden, stellte sich auf einen Tisch und seine Kamera klickte im Stakkato. Es würde viel Arbeit auf den digital artit zukommen, auf diesen Menschen, den er nicht kannte.
Der Spaß an diesem Auftrag nahm noch zu, als die Geisha begann, ihre Entkleidung effektiv in Szene zu setzten. Bei diesem Auftritt hatte auch ihn die Spannung und die Neugier gepackt. Doch als sie dann nackt vor ihrem blauen Kimono stand, verließ ihn der Spaß und die Neugier verwandelte sich in Wut. Keine Wut auf diese Geisha, auf diese alte Frau, die sich verlegen und schamhaft präsentieren musste, ein unwürdiges Bild des Jammers. Nein, Wut auf den Auftraggeber stieg in ihm hoch, auf diesen alten Sack, der für sein vieles Geld alles bekam, was er wollte. Der alle Puppen tanzen oder liegen lassen konnte, die fetten und dünnen, die blutjungen und die uralten. Der mit allen nach seinem Belieben verfahren konnte, der machen konnte, was er wollte. Doch zu der Wut, die zu äußern er selbstverständlich nicht wagte, gesellte sich auch ein wenig Bewunderung. Was war das nur für ein Typ, der solche Happenings in Szene setzte, solche abstrusen Kunstwerke inszeniert. Er bewunderte ihn, weil er nicht nur Ideen hatte, sondern diese auch umsetzte. Und irgendwie beeindruckte ihn auch das ungebrochene sexuelle Verlangen des Alten, seine eindeutigen Wünsche, die er zu befriedigen suchte. Denn so wie der Alte die Geisha anstarrte, hatte der Fotograf keinen Zweifel, dass er sich am liebsten auf sie stürzen und vor aller Augen vergewaltigen wollte, so wie er den drapierten Fleischberg beim letzten Happening bestiegen hatte. Ob er selbst in diesem Alter noch solche Wünsche haben würde, ging es dem Schrillen durch den Kopf, doch seine Gedanken wurden von dem unwirschen Ruf des Alten unterbrochen, seiner Arbeit nachzukommen. Er konzentrierte sich wieder, immer noch mit seiner Wut im Bauch, auf die hilflose Geisha und die perverse Situation, in der sie sich befand. Er hatte noch nie eine so alte, nackte, unwillige Frau aufgenommen. Seine Modelle waren jung und knackig und ganz wild darauf, fotografiert zu werden, von ihm, dem berühmten Künstler. Er musste nur mit den Fingern schnippen, damit sie ihm anschließend ihre Dankbarkeit bezeugten, genauso, wie er sich wünschte, nur, um erneut zum Shooting eingeladen zu werden. Aber jetzt, als er mitansehen musste, wie diese alte Frau sich bemühte, gefällig zu sein, wie sie sich hilflos abmühte, zu tanzen und zu posieren, fand er, dass es nicht richtig sei, sie noch zusätzlich durch seine Bilder bloßzustellen. Sie tat ihm leid, ein Gefühl, das in ihm selten aufkam. Und eigentlich war er auch fertig. Alles, was er jetzt noch aufnehmen konnte, waren Wiederholung und außerdem, wer wollte Bilder von senilen, alten Männern und ausgetrockneten Omas, wer konnte solchen Bildern irgend etwas abgewinnen, außer solch perverse Lüstlinge wie dieser Alte? Aber, resigniert zuckte er mit den Schultern und nahm die Kamera, die er auf den Boden gelegt hatte, wieder in die Hand, Auftrag ist Auftrag. Er arbeitete schließlich für diesen Typ und dessen Marotten hatte er ja bereits beim letzten Mal kennengelernt. Alt zu alt, dachte er und begann wieder auf den Auslöser zu drücken, mechanisch, uninspiriert und wegen des Anschisses, mit verdoppelter Wut.
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