Beim dritten Happening herrschte Weiß vor, die Farbe der Unschuld, der Hochzeit und, in diesem Teil der Welt, die der Trauer. Am Ende würde dann auch Trauer herrschen, denn diese Aktion sollte erneut in einem Ausbruch von Gewalt und Chaos enden. Doch das ahnten die Anwesenden nicht, die in der Wolkenwohnung versammelt waren. Es regnete und durch die großen Fenster sah man die glitzernden Farben eines Wasser-Lichter-Meeres. Zu den tausenden hellen Fenstern, die auf gelbe Punkte reduziert waren und zu den verwischten Straßenlampen, Autoscheinwerfern und Leuchtreklamen, gesellt sich diesmal das Funkeln unzähliger Tropfen auf den Fensterscheiben, in denen sich all die Lichter der nächtlichen Stadt brachen. Ein hellerer Streifen am Himmel zeigte, an welcher Stelle des Horizonts die Sonne versunken war, aber den Horizont selbst konnte man nicht erkenne, er ging unter in Nacht und Dunst und Regenschleiern und natürlich war auch kein weißer Kegel in der Ferne zu erkennen, ja nicht einmal zu erahnen. Die Blicke der Anwesenden schweiften ohnehin nicht in die Weite dieser unwirtlichen Nacht, sie blieben im Raum, sie wurden gefangen von einem alles beherrschenden Weiß, von einer sanften, das Auge schmeichelnden Ansammlung von Weißtönen vor dem Dunkel der glitzernden Fensterfronten. Die Wohnung hatte sich verändert, drastisch verändert. Sie hatte sich in ein grandioses Blütenmeer verwandelt, in einen Hochzeitstraum, in eine surreale Landschaft. Diese phantastische Gestaltung war das Werk einer älteren Dame, die, klein und korpulent, in einem schlichten, weißen Kimono, zufrieden lächelnd auf ihr Werk schaute. Die Meisterin des Ikebana hatte mit ihren Gehilfinnen einen Nachmittag lang an der ausufernden Komposition gearbeitet und nun war die Wohnung voller Blumen, einzelne Blüten in schlanken, kleinen Sträußen in bauchigen Vasen, solitäre, weißblühende Zweigen und ausgeklügelte Gestecke in unterschiedlichen Höhen und raffinierten Formen. Zwischen den Blumen waren Kerzen in kleinen Laternen platziert, die dem vorherrschenden Weiß eine warme, gelbe Nuance hinzufügten. Die Ikebanameisterin verwendete keine anderen Farben, nur diese Nichtfarbe. Weiß war für sie das Symbol der Reinheit und die angemessene Form, um Schönheit und Vergänglichkeit zum Ausdruck zu bringen. Dies war ihr auch an diesem Abend gelungen, die Wirkung dieser monochromen, lebenden Installation war überwältigend, die Ästhetik der Vielfalt in einer scheinbaren Gleichförmigkeit höchst beeindruckend.
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