Das Callgirl

Völlig in Gedanken steuerte Pia durch Unmengen von Kleiderständern. „Was will ich hier eigentlich?“, fragte sie sich zum x-ten Mal. Einen klaren Kopf hatte sie bei Weitem nicht. Immer noch hing ihr der Disput mit ihrem Mann nach. Wie üblich ging es um DAS Thema. Und sie war wieder die Blöde gewesen. Er sah das natürlich ganz anders.
„Immer bin ich der Arsch!“, hatte er sie angeschrien. „Was kann denn ich dafür, wenn du frigide geworden bist.“ Rumms! Das hatte gesessen. Sowohl als auch. Bei Pia landete der verbale Schlag direkt in ihrem Herzen. Ihre Rechte klatschte Frank ins Gesicht. Dann war sie auf und davon. Es hatte irgendwie ohnehin alles keinen Sinn mehr.

Seit Jahren versuchte Pia ihrem Mann klarzumachen, dass der Sex für sie nicht mehr so wichtig war, wahrscheinlich war er es auch nie richtig gewesen. Und aus Angst, dass wenn sie sich einfach nur mal in seinen Arm schmiegen wollte, er dann sofort glauben könnte, sie wolle mit ihm schlafen, hatte sie sogar diese Zärtlichkeiten eingestellt. Frank machte das sehr zu schaffen, das konnte sie sehen – und es tat ihr leid. Doch was sollte sie machen? Das Gefühl stellte sich einfach nicht mehr ein, obwohl – so glaubte sie zumindest – da noch Liebe war.
„Vielleicht bin ich ja wirklich frigide“, schoss es Pia durch den Kopf. Aber bei vielen schien der Sex im Laufe der Jahre nicht mehr so wichtig zu sein, zumindest wollte sie das so glauben, Ausnahmen gab es ja immer. Hat man sich vielleicht über? Sollte man fremdgehen? „Nein, das kommt für mich nicht in Frage. Was soll ein anderer Mann schon anders oder besser machen als meiner? Für Frank wäre es sicher eine Alternative. Ich treibe ihn ja regelrecht dahin, wenn ich ihm sage, er solle sich eine zum Poppen suchen.“
So gedankenversunken rannte Pia in eine andere Kundin, sie konnte gerade noch verhindern, dass diese stürzte.
„Oh, das tut mir fürchterlich leid, entschuldigen sie vielmals!“ Pia lief rot an.
„Na, es ist ja nichts passiert.“ Die jüngere Frau brachte sogar ein Lächeln zustande.