Das Fest der Glockenbrustbäuerinnen

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Das Fest der Glockenbrustbäuerinnen

Das Fest der Glockenbrustbäuerinnen

Anita Isiris

Im Schwarzwäldischen entwickelte sich im ausgehenden 17. Jahrhundert, inmitten von Patriarchen und weiteren Potentaten, eine etwas andere Gesellschaftsform. In einem kleinen Dorf lebten etwa 80 meist jüngere Frauen im gebärfähigen Alter, und sie hatten ein gemeinsames Merkmal. Enorme, ausladende Brüste. Ihre Brüste waren dergestalt, dass sie den wohlgenährten Kühen in ihren Ställen Konkurrenz machten, denn auch diese hatten Euter so prall und fest, dass es eine Freude war, sie zu melken.

Das Besondere war die Männerlosigkeit des kleinen, abgeschiedenen Dorfs, das heute in Vergessenheit geraten ist. Einen Ehemann, Vater und Bauer um den anderen hatte eine schwere Krankheit heimgesucht, die aus nie ganz geklärten Gründen nur Männer befallen hatte. Die Symptome waren erschreckend und unumkehrbar. Erst kam es zu einem Hautkribbeln, zu Empfindungsstörungen und Lähmungserscheinungen. Diese Lähmungen waren dergestalt, dass sich die Männer nicht mehr um ihre Äcker kümmern konnten und kläglich dahinsiechten, versorgt von ihren hingebungsvollen grossbusigen Frauen, aber dennoch unaufhaltsam auf dem Weg zur Hölle. Dann starben Finger und Zehen ab, es kam somit zum gefürchteten Gangrän und zu Nekrosen. Weitere Allgemeinsymptome waren Erbrechen, Verwirrtheit, Wahnvorstellungen, Kopfschmerzen, Ohrensausen und Durchfall. Der darauffolgende Atem- und Herzstillstand führte dann zum erlösenden Tod.

Einziger Überlebender war Melchior, der Dorftrottel. Er war, im Unterschied zu vielen anderen Dorftrotteln, von ansehnlicher Gestalt, und es ging schon lange die Kunde, dass er ein Gemächt von enormen Ausmassen sein Eigen nennen durfte. Melchior war allerdings geistig nicht ganz auf der Höhe, was sich darin äusserte, dass er keinen anständigen Satz zustande brachte. Fehlfunktionen des Gehirns waren damals nichts Ungewöhnliches, und noch heute werden Menschen nach ihrer Eloquenz beurteilt. Ist jemand nicht wortgewandt, gilt er als dumm oder gar als oligophren.

Was niemandem bewusst war, war Melchiors enorme Beobachtungsgabe. Beobachten war seine Leidenschaft. Er beobachtete, wie die Kühe ihre Kälber warfen. Er beobachtete das Reifen der Ähren auf den Feldern. Er beobachtete Stines Lust, wenn Kunibert, ihr Mann, unter ihren Röcken zugange war. Stines gerötetes Antlitz. Ihr Stöhnen. Ihre Hände, die sich in die Tischkante krallten, während ihr Göttergatte sie über dem grob gezimmerten Küchentisch von hinten nahm, mit wohligem Grunzen. Melchior war nicht nur ein exzellenter Beobachter mit gutem Gedächtnis, er verstand es auch vorzüglich, sich zu verstecken, damit er dem Treiben ungestört und unerkannt beiwohnen könnte.

An Baumdorf, so hiess die Häuseransammlung, erinnert heute nichts mehr. Das Dorf war aber im Grunde inmitten eines Paradieses gelegen. Während allenthalben Kriege tobten, war Baumdorf anscheinend gefeit vor marodierenden Söldnern, Räubern und derlei Gesindel. Die Baumdorfer ergötzten sich an prallen, geschmackvollen Braunpilzen, die von den Frauen zu unvergleichlichen Suppen verarbeitet wurden. Zu Mehl verarbeitete Ähren gab es in Hülle und Fülle, ebenso schmackhafte Äpfel und Rüben. Die Baumdorfer konnten sich somit über nichts beklagen – bis eines Tages Kunibert, Melchiors Herr, sein Feld nicht mehr bewirtschaften konnte und kläglich dahinsiechte. Je schlechter es ihm ging, desto mehr erblühte seine Frau Stine. Sie entspannte sich sichtlich, ihr Gang war wiegend und rhythmisch, und eines Tages entdeckte Melchior sie in der Scheune, mit einer gut gewaschenen Rübe an sich spielend.

Aber Melchior hatte noch etwas anderes beobachtet. Kurz bevor sich Kunibert rülpsend an den Mittagstisch setzte, hatte Stine seinem Dünnbier eine Löffelspitze mit einem weisslich-schwarzen Pulver zugegeben, das sie einem prall gefüllten Leinensäckchen entnahm. Melchior, trotz fehlender Eloquenz ein scharfer Denker, meinte einen Zusammenhang zu erkennen zwischen Kuniberts gegenwärtigem Befinden und dem geheimnisvollen Inhalt von Stines Säckchen. Dies umso mehr, als Stine die Prozedur am folgenden Mittag wiederholte. Braunpilzsuppenduft erfüllte den Raum, es gab Melissentee und kernig-schmackhaftes Brot, was aber Kunibert nicht daran hinderte, in grossem Schwall über den appetitlich hergerichteten Tisch zu kotzen.

Damalige Frauen waren nicht gerade zartbesaitet und konnten mit allerlei Situationen umgehen. Ruhig erhob sich Stine, begleitete ihren Mann zur Schlafstatt, entkleidete ihn und säuberte ihren Gemahl und anschliessend die Küche.

Kurz darauf verschied Kunibert, und nun hatte Melchior nur noch Stine, die Herrin. Sie war gut zu ihm, und ein paar Wochen später war da die Nacht, in der sie ihn grosszügig an ihren Wonnebrüsten nuckeln liess. Melchior, der noch nie an einer weiblichen Brust gelegen hatte, verspürte ein unaufhörliches Summen in seinem Kopf und seinem Herzen, und sein enormer Schaft zwischen den Beinen war kaum mehr zu bändigen. Stine schien das zu erahnen, tastete mit sibyllinischem Lächeln zwischen Melchiors Schenkel und verschaffte ihm mit ein paar geschickten Handbewegungen Erleichterung. Melchior kippte vornüber, gab einen tiefen, urigen Laut von sich und sank in sich zusammen. Stine lächelte ahnend, wusste aber gleichzeitig, dass Melchior nichts würde weitererzählen können. Ihm fehlte die Sprache nahezu vollständig.

Weil Melchior trotz – oder gerade wegen seines guten Aussehens im Dorf geplagt wurde, nahm sein Leben jetzt, nach Kuniberts Tod, an Härte zu. Er wurde für kleinste Versehen ausgepeitscht, eine Nacht lang nackt an den Dorfbrunnen gebunden, er wurde mit Honig bestrichen und Bienen ausgesetzt, er wurde über die Ährenfelder gejagt, und einmal wurde er von mehreren Bauern gleichzeitig bewusstlos geprügelt. Stine bekam einen Teil dieser Misshandlungen mit, aber sie war mit Hof und Tieren zu beschäftigt, als dass sie sich für Melchior hätte einsetzen können. Was hätte sie auch für ihn tun sollen? Männliche Gewalt war im Dorf allgegenwärtig, und wer die Existenz der Dorfbevölkerung mitten in Kriegszeiten in der Hand hatte, waren die Glockenbrustbäuerinnen.

Wie sie alle zu ihrer enormen Oberweite kamen, ist bis heute nicht geklärt – vermutet wird Inzest. Aber es gab auch schöne und friedliche Momente in Baumdorf, nämlich dann, wenn die Stall- und Ackerarbeit getan war, die Sonne sich hinter mächtigen Bäumen verabschiedete und das Abendessen serviert war. Dann gaben sie die Baumdorfer Bauern ihrer Abendbeschäftigung hin. Allesamt nuckelten sie in ihren Wohnküchen an den Riesenbrüsten ihrer Frauen, nuckelten an steifen Nippeln und versetzten zwischendurch auch die Besitzerinnen der Glockenbrüste dadurch in Ekstase.

Noch faszinierender waren die Körpermasse der schwangeren Glockenbrustbäuerinnen. Bis zur Laktation schwollen ihre Brüste um ein Zusätzliches an, und sie gingen oft vornübergebeugt, so schwer zog und drückte die üppige und pralle Last an ihnen. Einige von ihnen bandagierten ihre Brüste ein, weil sie sonst bei der Stallarbeit beeinträchtigt waren, aber es gab andere, die sich keine genügend breiten Bänder als Brustschutz leisten konnten.

Dann begab es sich eines Tages, dass der reichste Bauer im Dorf, Sebastian, eine Schenke eröffnete. Er hatte einen ausgeprägten Geschäftssinn, führte eine eigene kleine Bierbrauerei, wo er seine Töchter beschäftigte, und wollte den Gerstensaft an den Mann bringen. Die Schenke war rasch überlaufen von durstigen Männern – Frauen durften bestenfalls als Schankmägde zudienen und sich an den Hintern und zwischen die Beine greifen lassen. Immer wieder kam es vor, dass der eine oder andere Bauer mit einer Schankmagd zwischen den umliegenden Büschen verschwand und sie dort lustvoll bearbeitete – gewiss nicht immer zum Nachteil und im Unwillen der Frauen. Auch von ihnen waren Lustschreie zu hören, was die anderen Besucher der Schenke sexuell animierte.

Nur Melchior war als einziger nicht willkommen. Niemand gönnte ihm Dünnbier und Salzbrezel, Melchior war aussen vor.

Da entsann er sich des prall gefüllten Leinensäckchens von Stine. Was hatte sie ihrem Kunibert wohl unters Bier gemischt? Melchior wusste es nicht. Er meinte sich nur zu erinnern, dass Stine kurz zuvor Korn gemahlen hatte.

Melchior war klar, dass er Stines uneingeschränktes Vertrauen genoss. Schon mehrmals hatte sie ihm seit Kuniberts Tod Lust bereitet, und seine Schläfen pulsierten, wenn er an ihre riesigen Lustdrüsen und an ihre kräftigen, liebevollen Hände dachte. In einem unbeobachteten Moment schlich er sich in Stines Küche; das Säckchen war an Ort und Stelle. Er schüttete die Hälfte in ein leeres Gefäss und füllte Stines Säckchen mit Salz. Salz war ein wertvolles Gewürz, aber der bescheidene Handel des verstorbenen Hausherrn ermöglichte Stine auch diesen Wohlstand. Er schüttelte Stines Säckchen, stellte es zurück, grunzte befriedigt und versteckte das Tongefäss unter seinem Wams.

Dann, tief in der Nacht, als die Schenke leer und die letzten Gäste nach Hause getorkelt waren, schlich der von allen unterschätzte Melchior zur Hintertür. Er wusste, dass Sebastians Töchter dort das Bier zapften. Vorsichtig schob er den Riegel zurück und atmete freudig auf, als er sah, dass in der Mitte des nach Weizen duftenden Raums ein einziges riesiges Fass aufgestellt war. Er fand eine morsche, flüchtig gezimmerte Leiter, kletterte in die Höhe, zog das Tongefäss unter seinem Wams hervor und schüttete den Inhalt in die Bierbrühe. Dann vernahm er hinter sich ein Geräusch. Keine Sekunde zu früh sprang er wieselflink von der Leiter und versteckte sich zwischen zwei Holzstössen. Sebastian betrat den Raum, im Schlepptau eine seiner beiden erwachsenen Töchter. «Zeig mir Deine Punze», forderte er sie auf. Das klamme, scheue Mädchen schien sich derlei gewohnt zu sein und öffnete sich für ihren Vater. Melchior war seltsam berührt. Einerseits erregte ihn Linas schwarzes Dreieck, das er so aus nächster Nähe zu sehen bekam, anderseits schauderte ihn das Unrecht, das der reiche Sebastian seine jüngeren Tochter Lina antat. Wie ein Berserker fuhr er in sie hinein, beachtete ihre Schreie nicht, stiess zu… bis er nach kurzer Zeit mit einem animalischen Laut über ihr zusammenbrach.

Dies war der Moment, in dem Melchior mit Herzklopfen die Bierscheune verliess und sich auf den Weg zu seinem Strohsack machte, auf dem er alsbald einschlief.

Nach einem weiteren harten Arbeitstag, an dem ihm mehrere junge Männer die Ohren blutig gerissen hatten, ahnte Melchior seinen Moment als gekommen. Er beobachtete, zwischen zwei Büschen versteckt, die Schenke. Rasch war sie wieder übervoll, und die durstigen Männer wollten nur eines. «Dünn – Bier, Dünn – Bier», schrien sie im Chor. Das bekamen sie, serviert von glockenbrüstigen Schankmägden, die ihnen den Verstand raubten, besonders dann, wenn sie sich zum Einschenken nach vorn beugten. Da brachte manch einer seine Augen nicht mehr in die Höhlen zurück. Zufriedenes Grunzen machte sich breit, und schon lehnte sich Melchior enttäuscht zurück

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