Das Jubiläum

„Aber wir sind doch hier unter uns und ich wollte nur einen leidenschaftlichen Kuss mit dir austauschen“, seufzt Harald mit schleppender Stimme.
„Ich kann nicht … wenn du das brauchst, musst du dir eine Jüngere dafür suchen.“
„Aber ich will keine Jüngere … ich will dich, und mit DIR alt … noch älter werden.“
„Du sollst mich ja auch nicht durch eine Jüngere ersetzen. Ich habe dir nur angeboten, dir das, was du vermisst, bei einer Jüngeren zu holen. Wir haben das schon ausführlich besprochen und wenn du es bisher noch nicht getan hast, ist das nicht meine Schuld.“
Ein gewisser Trotz ist Karins Stimme zu entnehmen, und Harald versagt sich jede weitere Diskussion, weil er erkennt, dass er gegen eine Mauer reden würde. Der Rest des Tages wäre dann gelaufen und so schluckt er seine Enttäuschung wieder einmal herunter. Er setzt den Weg fort, wohl wissend, dass die Lockerheit von vorher nicht so einfach wieder kommen wird.
Auch in Karin arbeitet es, doch sie kann es viel besser verbergen.

Ein paar Wochen später:
’Scheiß Geburtstag!‘, knurrt Harald in Gedanken, als er die Getränkekisten vom Auto in den Keller trägt. Für ihn ist es ein Tag wie jeder andere, den so ausgiebig zu feiern, wie geplant ist, wider seine Natur.
Diesmal kommt er aber nicht drumherum, denn es ist sein 60ster und er hat die letzten Geburtstage schon kaum gefeiert. Dabei geht es ihm nicht ums Geld, es ist wegen des Aufwands und der verlorenen Zeit. Viel lieber würde Harald die begonnenen Pflasterarbeiten bei der Zufahrt beenden, doch damit der Haussegen nicht schief hängt, hat er sich den Wünschen seiner Frau ergeben. Und tief in sich drin weiß Harald auch, dass er die Feier genießen kann, wenn sie dann im Gange ist.
Ein Blick auf die Uhr beruhigt Harald wieder ein wenig. Es bleiben noch ein paar Stunden Zeit um sich der Arbeit zu widmen, zumal sie diesmal ein Catering bestellt haben und nur die Getränkeversorgung in seinen Händen liegt.
Die Laune hebt sich wieder etwas, und Harald holt die Schubkarre mit dem Werkzeug aus dem Schuppen.