...während Rotkerbchen noch in süßen Träumen schlummerte, bestieg ein mächtiger Ritter sein gewaltiges Schlachtross. Er wollte ein berühmter Drachentöter werden, ...oder als Häuflein Asche im Winde verwehen...
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...Es geschah im tröpfelnden Zwielicht des ersten Morgengrauens. Der Zauberer Mogul Finsterbart hatte noch nicht gefrühstückt, als sein buckliger Diener Gregor (direkter Vorfahr der später in zahlreichen Vampirgeschichten populär gewordenen „Buckligen Igors“) aufgeregt keuchend ins Speisezimmer hastete.
„Draußen vor dem Tor wartet schon wieder eine dieser berittenen Blechbüchsen. Sie fordert ein Duell mit unserem Hausdrachen“, ...röchelte der Bucklige. Denn alle buckligen Diener namens Gregor röcheln beim Sprechen, wenn sie finsteren Herren dienen...
„Wir sollen unseren Lindwurm vor‘s Tor schicken. Es fehle ihm nämlich noch einer in seiner Sammlung. Und die hübsche Jungfer Rotkerbchen sollen wir auch herausgeben. Ein gewisser „Kleiner Freund“ verlangt dringend nach ihr.“
„So?“, …bemerkte der finstere Zauberer amüsiert.
„Unseren Hausdrachen verlangt er also zu töten?“
„Bitte ihn nur um ein wenig Geduld. Seit das arme Tier in den See gestürzt ist, quietschen seine rostigen Gelenke. Ich muss ihn erst abschmieren und sein verwässertes Denkkristall polieren. Es ist noch ganz beschlagen.“
„Auch ist der halbe See in den „Flammöltank“ eingesickert, was zu zahlreichen Fehlzündungen führt. Sicher wird er Verständnis für diese kleine Inspektion haben. Es würde seiner Ritterehre doch sehr abträglich sein, gegen einen unbewaffneten Drachen ins Feld zu ziehen. Schlage ihm also vor, für ein Weilchen draußen vorm Tor zu lagern.“
...„Ach, und eh ich es vergesse“, ...rief er dem davon eilenden Diener noch zu.
„Erkundige dich genauer, was es mit dieser Jungfrau auf sich hat. Ich hatte schon viele Jahre keine Jungfrau mehr in meinen bescheidenen Mauern. Teile dem Ritter mit, ich wäre ihm gern bei der Suche nach einer behilflich.“
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„Seit gegrüßt, edler Herr Ritter!“ ...rief der Magier nach Inspektionsabschluss schließlich vom Wehrgang herunter.
„Ihr habt wirklich Glück. Ich beherberge tatsächlich den letzten Drachen unserer Zeit in meinen Mauern. Aber wollt Ihr ihn wirklich totschlagen? Habt Ihr noch nie etwas vom Artenschutz gehört? Drachen sind doch massiv vom Aussterben bedroht.“
„Außerdem mache ich mir Sorgen um Euch. Er wird Euch rösten, wie er schon dutzende Eurer Vorgänger geröstet hat. Aber da ich hier in der Provinz so wenig sportliche Abwechslung erlebe, will ich ihn gern zu Euch hinaus schicken.“
„Leider muss ich Euch aber wegen der Jungfrau enttäuschen. Hätte ich eine hier, würde ich mir nicht mit Drachenspielen die Zeit vertreiben.“
„Wie sollte ich sie mir denn vorstellen? Mit den Jahrhunderten gehen einem nämlich die Wichsfantasien aus“, ...lachte Mogul Finsterbart.
„Du wagst es, mich zu verspotten?“ ...ereiferte sich der Ritter ritterlich, ...und schwenkte zornig seine lange Lanze.
„Wenn ich die Echse erledigt habe, soll mein Stahl auch dir Manieren beibringen“, ...knurrte Götz von Eberwurz ergrimmt.
„Nichts für ungut, Herr Ritter“, ...lachte der Zauberer aus sicherer Entfernung.
„Sollte dir das gelingen, will ich künftig als Knappe hinter deinem Pferd herlaufen, ...und seine Äpfel in pures Gold verwandeln. Doch das steht kaum zu befürchten. Der Drache steht zur Mittagsstunde für Dich bereit.“
Finsterbart wollte sich gerade zum Gehen wenden. Doch hielt er nach einigen Schritten noch einmal an.
„Ach, und bevor ich es vergesse. Du hast nicht zufällig einen kleinen Gnom bei dir, der so ähnlich riecht, wie eine gestrandete Auster?“...
„Was fällt dir ein?“ ...entrüstete sich der Gerüstete.
„Punkt Zwölf´e werd ich den Drachen fällen. ...Und Sieben nach, werd ich dich holen“, ...schnaubte der gereizte Kreuzfahrer.
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...Der Schatten der Sonnenuhr wurde unterdessen länger und länger. Die letzten Sekunden wurden förmlich von arbeitsscheuen Zeitschnecken davon getragen. Sie vergingen so zäh, dass man sie mit dem Käsemesser schneiden musste. Doch dann öffnete sich endlich das gewaltige Tor...
Aus sicherer Entfernung verfolgte der Eichling ein mörderisches Schauspiel.
Elegant legte Götz von Eberwurtz seine Lanze ein.
Stolz stieg das massige Schlachtross auf die Hinterhufe, ...worauf es augenblicklich aus dem Stand in einen atemberaubenden Galopp fiel. Auch ein Schlachtross kannte schließlich Berufsehre. Selbst auf die Entfernung spürte der Geilling die Erschütterungen der mächtigen Hufe. Die Erde bebte. Selbst die stattlichsten Bäume zitterten...
Der Drache aber, zeigte sich weit weniger beeindruckt. In seinem tiefen Rachen verbarg sich eine hochmoderne Flammenschleuder von Keckler und Bloch. Er holte eher gelangweilt Luft, ...und gurgelte sein frisch getanktes Flammenöl.
‚Scheußlicher Beigeschmack‘, ...ging es ihm noch durch den Denkkristall
Da war der Ritter endlich auf volle Lanzenlänge heran. Der Drache räusperte sich. Seine feuersteinbewährten Backenzähne begannen zu mahlen, bis seine Nüstern Funken stoben.
...Dann erfolgte die Einspritzung. Die mächtige Verpuffung schoss sechs gebratene Tauben, ...und einen verdutzten Kapaun aus den Wolken. Dann traf die rollende Feuerkugel auch schon auf ihr eigentliches Ziel...
Der Ausgang des Kampfes war deprimierend nüchtern. Die Lanze verglimmte wie ein Streichholz im Wind. Die prächtige Rüstung glühte noch ein Weilchen nach. Und auch vom stolzen Schlachtross, blieb nicht mehr, als ein kärglich Häuflein Asche zurück.
Stille folgte. Selbst die Vögel in den Bäumen schwiegen verdutzt. Dann regte sich ein leichter Wind, der sich zu einer offenen Hose verdichtete. Und diese Windhose trug Ross und Reiter mit sich fort; ...steckte sie gewissermaßen in die Hosentasche.
Die Windhose zog in Richtung Küste, wo sie eine wilde Affäre mit einem waschechten Orkan einging. Der trug die Asche weit übers Meer hinaus. Über dem tosenden Wasserbett zeugten sie viele uneheliche Windbeutel. Die Asche in der Hosentasche ...war bald vergessen. Zumal die schon ein kleines Loch hatte. Daraus rieselte es in unendlichen Spiralen, die zufällig den gleichen Drall hatten, wie der Code der Unwahrscheinlichkeit...
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...Auf einer ganz anderen Weltenscheibe, versuchte sich gerade ein ziemlich bekannter Magier am Mischen eines völlig neuartigen Elixiers. Er staunte nicht schlecht, als...
...doch das ist eine andere Geschichte...
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...Ja, so kann es stolzen Rittern gehen.
Der Eichling zog in stiller Andacht seinen Hut, ...und nahm den Weg wieder unter die Füße.
‚Netter Kerl eigentlich‘ ...dachte er noch bei sich. ‚Und das Schlachtross konnte ich auch ganz gut leiden. Doch jetzt muss ich an mich selbst denken. Keine Zeit für Tränen...‘
Es wurde inzwischen Herbst. Und da ihm seine „Wirtin“ abhanden gekommen war, musste er vor dem ersten Schnee bei seiner Unterkunft sein.
Weil der Eichling so traurig war, schlurfte er, ...und vertrat sich einen Fuß. Herzerweichend stöhnte der Gnom unter dem plötzlichen Schmerz. Jetzt würde er unweigerlich erfrieren. Denn mit solch einem geschwollenen Knöchel, war es einfach unmöglich, den weiten Weg nachhaus zu schaffen.
Der Gnom weinte so bitterlich, dass eine gute Fee auf ihn aufmerksam wurde. Da hatte er ja wieder einmal Glück gehabt. Denn auch die Feen des Waldes, bereiteten sich gerade auf den langen Winter vor.
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Charlotte Rosenstolz hatte eine gut geheizte Wohnung unterm Berg (und dazu auch noch den besten Met im Keller). Auch kochte sie ganz gut, ...und freute sich, die kalten Tage in Gesellschaft zu verbringen. Als Gegenleistung (und zur Zerstreuung der winterlichen Langeweile) musste der Eichling ihr nur ein paar feuchte Geschichten erzählen. Denn die Fee liebte schlüpfrige Geschichten...
So saß unser Held also mit vollem Methorn am knisternden Kaminfeuer. Charlotte räkelte sich auf dem Fell zu seinen Füßen, ...und wartete mit großen Augen auf seinen Vortrag...
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...Hans & Greta
Es war einmal ein armes, gutmütiges Kräuterweib, das in der Tiefe des Märchenwaldes lebte. Es kannte prima Backrezepte. Und da es so gerne backte, aber nur selten Besuch bekam, kaufte es sich ein Paket Nägel im „Ibo Markt“ ...und nagelte die Lebkuchen wie Schieferplatten an sein zugiges Häuschen. Denn das war schlecht isoliert, ...die Glaswolle war noch nicht erfunden, ...und auch der „Ibo Markt“ zählte zu jener Zeit nicht eben zu den Billigsten...
Die alte Frau war nicht verheiratet. Ihr einziger Gefährte war ein alter, schwarzer Kater. Und weil sie nicht mehr die Jüngste war, eine Gehhilfe benutzte, dazu auch noch von harter Arbeit gebeugt war, ...und von einem Treppensturz verbuckelt, wurde sie immer wieder mit einer Hexe verwechselt.
Dabei verstand sie sich einzig auf Backrezepte...
Nun, die alte Frau hatte nichts gegen Hexen. Im Gegenteil, als sie noch jung, voller Tatendrang, und knackig war, hatte sie durchaus erwogen, sich in diesem ehrenwerten Handwerk ausbilden zu lassen. Denn sie wollte immer schon mal auf einem Besen reiten.
Doch dann kam ihr die heilige Inquisition dazwischen. Plötzlich war der Hexenberuf ziemlich unpopulär, ...ja geradezu gefährlich. Man konnte da verdammt leicht zu Asche verbrannt werden. Auch wenn der Mensch bekanntlich zu 88% aus Wasser besteht.
Damit es da nicht aus versehen zu Verwechslungen kam, zog es die alte Dame also vor, in den benachbarten Märchenwald umzuziehen, in den sich zu jener Zeit noch kein abergläubischer Inquisitor hinein wagte.
Hier lebte sie glücklich und zufrieden, nagelte ab und zu einen harten Lebkuchen an die Fassade, ...und kippte sich manches Kräuterschnäpschen hinter die Binde.
Das hätte auch ewig so weitergehen können, wenn nicht plötzlich ein paar verzogene Gören bei ihr aufgetaucht wären. Und das kam so:
...Hans und Greta hatten es faustdick hinter den Ohren. Die gemeinsame Stiefmutter hatten sie vergiftet, weil sie ihnen das Taschengeld gekürzt hatte. Der arme Vater wollte sich eine neue Frau nehmen. Denn er brauchte nach Feierabend immer etwas Spaß. Doch Greta meinte, das bisschen Haushalt könne sie jetzt übernehmen. Eine neue Stiefmutter sei nur ein unnützer Fresser. Und wozu brauchte ein alter Sack wie er schließlich eine neue Frau? Er solle nicht immer nur an das Eine denken, ...und sich lieber um das Wohlergehen seiner beinahe erwachsenen Kinder kümmern.
Dass Greta eigentlich gar nicht seine leibliche Tochter war, wollte sie dem hart arbeitenden Mann lieber nicht auf die Nase binden. Denn auch Gretas Mama war ein ziemliches Flittchen, das es gleichzeitig mit dem Briefträger und dem Eiermann trieb.
So war es auch nicht weiter verwunderlich, dass die Greta dem Hans schon mal heimlich an die Eier fasste, wenn der vermeintliche Vater auf der Arbeit war. Halt ganz die Mama...
Hans kam da eher nach dem Papa. Der mochte nämlich immer irgend Etwas in Gretas Schlitz stecken, während der „Stiefvater“ sich im Wald abrackerte, um seinen verdorbenen „Kuckukskindern“ ein Auskommen zu sichern.
Doch damit hier kein falscher Verdacht aufkommt:
So verkommen Hans und Greta auch waren: Sie kannten die unseligen Folgen des Inzest nur zu genau. Schließlich lebten in ihrer Gegend gleich mehrere Dorftrottel als bewegliches Anschauungsmaterial. Aber sie wussten, im Gegensatz zum Holzfäller, um ihre komplizierten Verwandschaftsverhältnisse.
Denn der einfältige Holzfäller war bereits zum dritten Mal verheiratet. Aber der Briefträger war noch immer der Selbe. Der lebte seither in wilder Ehe mit der ersten, durchgebrannten Gattin unseres Baumschlägers zusammen, welcher die zweifelhafte Ehre zuteil wurde, sich Hansens Mutter schimpfen zu dürfen.
Recht floddrige Familienverhältnisse also. Doch das nur am Rande. Denn schließlich muss ja alles seine Ordnung haben!
Hans und Greta spielten also fleißig Vater, Mutter und Kukuksei, während sich der Holzfäller abplackte, damit sie es einmal besser hätten.
Das wäre auch noch lange so weiter gegangen. Aber das Verhängnis hatte gerade Langeweile. Und so inszenierte es einen kleinen Arbeitsunfall.
Besagter Baumfäller fällte gerade eine alte, besonders harte Eiche, der es einfach nicht gefiel, so jung schon gefällt zu werden.
Wut traf auf Hartholz, ...und Axtstiel gab nach...
...Herrenlos sauste eine befreite Klinge durch die Luft. Voller Freude schlug das scharfe Eisen noch einen aufmunternden Purzelbaum, hängte einen Salto an, ...und setzte sich schließlich in der Stirn unseres gehörnten Waldarbeiters zur verdienten Ruhe...
...„Also gut, ich will mal nicht so sein“, ...meinte der Vorarbeiter schließlich.
„Für Heute darfst du nach Hause gehen. Aber lass dir die Axt aus dem Kopf nehmen. Und dass du mir morgen wieder pünktlich zur Arbeit erscheinst“...
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