Das Ritual

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Das Ritual

Das Ritual

Anita Isiris

U-Lu-Rum, U-Lu-Rum, erhob sich ein Geschrei, das mit dem Singsang von vorhin nichts mehr zu tun hatte. „U-Lu-Rum“, stöhnten die Frauen. „U-Lu-Rum“, schrien die Männer, als müssten sie sich mit ihren Stimmen gegenseitig übertreffen. Mit Entsetzen sah Annina, dass eine nackte junge Frau neben ihr auf den Boden urinierte, und zwar im Stehen. Sie wich den Spritzern aus und hätte beinahe ihr Ei fallengelassen. Dann hielt sie den Arm wieder ausgestreckt vor sich her, und es bewegte sich etwas. Das Ei auf ihrem Handteller bewegte sich! Zuerst drehte es sich langsam im Kreis, dann richtete es sich auf, Eispitze gegen oben. Ungläubig starrte Silja auf das Ei in Anninas Hand, diese aber äusserte kein Erstaunen. Irgendetwas hatte von ihr Besitz genommen. Sie atmete ruhig und gab sich dem Puls der Natur. Sie trug ein langes grünes Kleid, das Ole ihr kurz vor der Abreise geschenkt hatte. Den Hinweis hatte dieser vom Hirschmann bekommen. „Geh in den Secondhand-Laden bei dir um die Ecke. Kauf für Annina dieses Kleid. Darunter soll sie nackt sein. Das gehört mit zum Ritual“, hatte er mit ernsten, eindringlichen Worten gesagt. Und tatsächlich... im dicht mit Kleidern bestückten Laden hatte Ole das lange grüne Kleid, das man vorne knöpfen musste, sofort gefunden. „Du darfst nichts darunter tragen“, hatte Ole seiner Annina noch ins Ohr geflüstert. Diese hatte sich nicht viel dabei gedacht, als sie sich das Kleid hinter dem Zelt übergestreift hatte. „Wohl eine dieser typischen erotischen Männer-Marotten“.

Dann wurde Annina von den tanzenden Kommunenmitgliedern isoliert. Jetzt tanzten nur noch Frauen um sie herum und wedelten mit bunten Fächern über Rauchschälchen. Der Duft war nicht unangenehm, nicht so penetrant wie Patchouli, nicht so heilig wie Weihrauch, sondern etwas dazwischen. Und immer wieder hörte Annina jetzt ein Wort: „Auserwählt. Sie haben dich auserwählt. Du bist die Auserwählte.“ Annina wusste nicht, wie ihr geschah. Längst war sie Teil der Zeremonie geworden, aber in einem kurzen lichten Moment wurde ihr Angst und Bange. Sie suchte Ole in der Menge, dieser senkte aber betrübt den Blick. Dann wurde Annina geschminkt, mit zartem Goldstaub, bis ihre Wangen und ihre Stirn matt leuchteten. „Für den Meister“, erklärte eine der Frauen. „Für unseren Hirschmann.“ Da dämmerte es Annina, dass sie für ein Ritual vorbereitet wurde. Schon öfter mal hatte sie auf Netflix Filme gesehen, in denen sich Frauen einem Meister hingeben, und sie war immer hin- und hergerissen gewesen zwischen Faszination und Emanzipation. Aber dieses Urwüchsige, dieses verhalten Sexuelle, Naturnahe nahm Überhand. Sanft wiegte sich Annina in den Hüften und liess alles mit sich geschehen. Über ihr raschelte Laub, und der Rhythmus der Trommeln hatte sich verändert. Er war in einer Art Samba hinüber geglitten, und Annina sah kurz Charlie Watts vor sich. Sympathy for the Devil. Dann fühlte sie sich, als wäre sie in Watte gepackt worden und liess es geschehen, dass plötzlich Sven vor ihr stand und ihr Kleid aufknöpfte. Ihr Unterleib fühlte sich warm und weich an, sie füllte die Brust mit lauer Abendluft. Das Kleid glitt an Annina herab, und einen Moment lang war es totenstill. Auch die Trommeln schwiegen, und da sah Annina den Fels und den Baumstrunk neben sich. Es war kein gewöhnlicher Baumstrunk, er sah so aus, als wären mehrere Bäume zusammengewachsen gewesen. Überall standen Riesenfarne, und es waren diese Farne, die ihr, trotz der vielen Menschen um sie herum und trotz ihrer Nacktheit, eine gewisse Geborgenheit gewährten. Anninas Körper wurde eingeölt, und sie stellte fest, dass das Öl sofort in ihre Haut einzog und einen goldenen Schimmer zurückliess. Die Vorbereitungen gingen rasch voran, und dann hielten diejenigen, die sich mit Anninas Körper befassten, kurz inne. Annina stellte aus dem Augenwinkel heraus fest, dass alle anwesenden Frauen sich nun intensiv mit ihren Vulvae beschäftigten. Zuerst sah es aus wie eine Gruppen-Masturbation, etwas, das Annina aus dem Internet kannte. Dann erkannte sie, dass die Frauen ihre Schamhaare färbten, in zarten Pastellfarben von violett über hellblau bis hin zu kräftigem Orange. Alle diese Naturfrauen waren natürlich behaart, so auch Annina. Ole hatte ihr einmal verraten, dass er keine glattrasierten Labien mochte. „Babyfötzchen“, sagte er  despektierlich dazu, und Annina hatte ihn zurechtweisen müssen. „Respektiere uns Frauen doch bitte“, hatte sie gesagt, „wenn eine von uns untenrum nackt sein will, dann soll sie doch.“ Sie selber hatte aber Oles Wunsch nachgegeben und ihre Härchen wieder spriessen lassen. Inzwischen fühlte sie sich wesentlich wohler so. Sven wurde ein Schälchen in die Hand gedrückt, und er kniete sich vor die nackte Annina auf den Waldboden. Dann pustete er ins Schälchen, und Anninas Vulva glitzerte in Goldstaub. Wortlos zog Sven sich zurück, Annina schaute ihm verwundert nach. Irgend jemand schien ihn instruiert zu haben, Sven war jetzt wohl auch Teil der Kommune. Es machte ihr bereits nichts mehr aus, dass er sie nackt gesehen hatte, am Vortag beim Zelt und im Wasser, und jetzt auf Skyerock Island, tief im Wald. Sie sah ja einfach so aus, wie eine Frau eben aussieht, dachte sie sich.

Dann erhob sich ein ohrenbetäubender Trommelwirbel, die Kommunenmitglieder verrenkten sich in Ekstase. Nur Annina blieb ruhig und liess sich an den Händen zum Baumstrunk führen. Er reichte ihr etwa bis zur Hüfte, und sie erkannte, dass jemand den Strunk mit einem Schaffell belegte. Darüber wurde ein Hirschfell gespannt. Annina wurde bedeutet, sie solle sich darauf setzen.

Dann, wie aus dem Nichts, düster in seiner Gewalt und seiner Erscheinung, trat der Hirschmann hinter einem Baum hervor. Er fixierte Annina auf eine Weise, die sie bewegungslos verharren liess. Das scharfkantige, schön geschnittene Gesicht des Hirschmanns war frei, er erinnerte Annina an einen griechischen Gott. In einer ihrer Abschlussarbeiten hatte sie sich in griechische Mythologie vertieft. Was stand da vor ihr? Ein Faun? Ein Satyr? Der Hirschmann näherte sich ihr gemessenen Schrittes, und jetzt lächelte er selbstbewusst. Alles hier im Wald, die Farne, die Felle, die Menschen, die Pilze, der Himmel, jede einzelne Muschi, alles gehörte ihm, und nur ihm, dem Hirschmann, dem Kommunen-Meister. Alles hatte sich ihm zu unterwerfen. Annina war im Grunde alles andere als devot, und sie war eine Frau, die beim Sex gerne oben war. So hatte sie die Kontrolle und konnte mit ihrer Scheide Oles Penis bis zu einem gewissen Grad steuern. Aber jetzt erlag sie den grünen Augen des Hirschmanns. Dann löste sich jemand aus der Menge und stürzte auf sie zu. Ole! Sofort wurde er gepackt und zum Baum geführt, hinter dem der Hirschmann hervorgetreten war. Mit zwei Seilen fesselten sie Anninas Freund an den Baum, so, dass er freie Sicht auf seine Geliebte hatte. Der Hirschmann nickte ihm kurz zu. Dann trat er zu Annina, die sich von ihrer Sitz- in eine Liegeposition auf dem mit Schaffell gepolsterten Untergrund begab und ihre Schenkel für den Hirschmann öffnete. Ole riss an seinen Schnüren, als hätte ihn eine Tarantel gestochen, aber es half alles nichts. Je stärker er sich bewegte, desto stärker zurrten ihn die Seile am Baum fest. Wenigstens hatte er, bezüglich dessen, was nun geschah, einen Logenplatz. Der Hirschmann streckte die rechte Hand aus, und eine junge Frau in weissem Rock schüttete ihm eine Essenz in den Handteller. Dann trat sie einen Schritt zurück. Sie sah aus wie eines dieser unschuldigen Sektenmitglieder, von dem so viele Männer träumen, mit langem, blondem Haar und dunkelblauen, grossen Augen. Der Hirschmann, der alle Macht dieser Welt hatte, beugte sich nach vorn, fixierte Annina unentwegt mit seinen grünen Augen und massierte ihre Vulva. Er legte die Hand an ihre Labien und liess sie dort ruhen. Die Trommeln verfielen wieder in einen Tanz-Rhythmus, ebenso die zahlreichen Zuschauerinnen und Zuschauer. Nur Silja stand wie angewurzelt auf dem Waldboden und beobachtete, was der Hirschmann mit ihrer Freundin anstellte. Mit kreisenden Bewegungen rieb er Annina die Essenz in den Scheidenvorhof, reizte ihre Clitoris und drang mit zwei Fingern in sie ein. Er fickte sie mit Zeig- und Mittelfinger, vor und zurück, vor und zurück, und liess es nicht an Expertise missen.

Annina schloss die Augen und gab sich dem Ritual hin. Vor sich sah sie das wippende Hirschgeweih auf dem Kopf des Kommunenführers, über sich die dunklen Verzweigungen der Äste und den Abendhimmel, und diagonal gegenüber Ole, ihren Ole, der unentwegt an seinen Fesseln zerrte. Die Situation erregte Annina auf eigentümliche Weise, aber es war für sie klar, dass sie zwischen ihren Schenkeln einen einzigen Mann wollte, und das war nicht Ole, sondern der Hirschmann. Endlich machte dieser es sich an seinem Ledergürtel zu schaffen. Der Mann war vollständig in Schwarz gekleidet und trug eine enge Lederhose. Sein Gemächt war riesig, aber das bekam Annina nicht mehr mit. Jemand flösste ihr ein halluzinogenes Pilzgetränk ein, das sie dankbar mit einem dargebotenen Röhrchen in sich hineinsaugte. Dann glühte ihr Unterleib. Von ganz weit weg hörte sie die Trommeln. Sie entfernten sich immer weiter von ihr. Ole musste die langsamen, bedächtig-genussvollen Fickbewegungen des Hirschmanns ertragen, der an seiner geliebten Freundin zugange war. Ob das alles ein Stipendium für eine Elite-Uni Wert war? Der Hirschmann liess sich Zeit und vögelte die junge Auserwählte sonstwohin, so, dass sie komplett den Verstand verlor. Sie krallte sich in den Kleidern der Assistentinnen fest, die links und rechts von ihr standen und zu Diensten des Hirschmannes waren. Dann legte sich der Hirschmann unter sie. Annina setzte sich auf den Hirschmann, senkte ihren Unterleib auf seinen harten Schwanz und führte ihn in sich ein, zuerst vaginal, später auch anal. Sie brauchte das jetzt, der Göttin Lilith gleich, der Mutter unserer Erde, die beim Sex auch immer hatte oben sein wollen, wie es aus der Mythologie überliefert ist.

Der Akt liess niemanden unberührt, natürlich auch Sven nicht, dessen Erektion mittlerweile schmerzte. Er zog sich zurück und erleichterte sich hinter einem Baum. Als er zurück bei den Tanzenden war, konnte er den Blick weiterhin nicht vom fickenden Hirschmann abwenden, die Situation war hochgradig obszön und wurde noch gesteigert, weil der mittlerweile geknebelte Ole mit weit aufgerissenen Augen weiterhin an seinen Seilen zerrte. Der Hirschmann stiess unentwegt in Annina, tiefer, tiefer und noch tiefer, während diese mit ihrem Becken arbeitete. Eine der beiden Assistentinnen träufelte ihr nochmals das flüssige Halluzinogen in den Mund und schob ihr dazu wieder ein  Röhrchen zwischen die Lippen.

Dann wurde Annina von hellen, farbigen Blitzen umzuckt, zeitgleich mit dem Hirschmann, der seinen Schwanz aus Sabeas Scheide zog und in hohem Bogen abspritzte. Offenbar war es ihm wichtig, dass ihm alle Anwesenden dabei zusahen. Mit grimmigem Lächeln sah er in die Runde, griff noch einmal wollüstig nach Anninas schweren Brüsten, die ihm so viel Freude bereitet hatten, während sie mit ihren grossen Mamillen über ihm wippten. «Lutsch uns. Saug an uns.» Dann zog er Annina zu sich herunter, küsste die Weggetretene auf den Mund und verbrannte sie mit Haut und Haar.

Es ist nicht ganz klar, wie die Geschichte ausgegangen ist. Ole, Sven und Silja, mittlerweile in einen weissen Rock gehüllt, wurden wenig später von den Kommunen-Mitgliedern zurück zum Boot gedrängt; der Mann mit dem düsteren Blick gab den Fährmann und ruderte die drei Freunde zurück zum Festland. Ole bekam tatsächlich das vom Hirschmann versprochene Vollstipendium.

Seither fehlt von der auserwählten Annina, aber auch vom Hirschmann, jede Spur.

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