Das Fenster

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Das Fenster

Das Fenster

Anita Isiris

Die Mansarde (deutsch: Dachstube) des Theologiestudenten Lukas W. lag zuhinterst in einem langen Korridor, der von mehreren Türen gesäumt war. Diese führten zum Teil ebenfalls zu bewohnbaren Dachräumen, zum Teil aber auch zu schlecht isolierten, zugigen Estrichkammern, in denen sich im laufe der Jahre allerhand Unrat wie kaputtes Kinderspielzeug, ausgediente Nachttöpfe und Bastelreste angesammelt hatten.Jeder Mietpartei des fünfstöckigen Hauses waren eine Mansarde und ein Estrichraum zugeteilt. Die meisten Mansarden, früher Kammern für das Gesinde, waren im Lauf der Zeit als Gästezimmer zweckentfremdet worden; einzelne wurden an dubiose allein stehende Herren sowie an Studenten weitervermietet.
Lukas, ältester Sohn einer kinderreichen Bauernfamilie, deren grösster Stolz auch, war fleissiger Theologiestudent im ersten Semester. Nächtelang kapselte er sich in seiner "Lernburg", wie seine Dachkammer von spöttischen Kollegen bezeichnet wurde, ein und versenkte sich von allem Anfang an in Texte, die eigentlich höheren Semestern vorbehalten waren, aber sie halfen ihm, das unumgängliche Latein und Hebräisch etwas besser zu ertragen. Seine besonderen Interessen galten dem Alten Testament - verwundert stellte er fest, dass doch noch mehr Widersprüche vorhanden waren, als er sich gedacht hatte, und er war bereits in den einfachen Ansätzen der meisten Gleichnisse von der Schlüsselsprache der Bibel stark überfordert.
In solchen Momenten legte er dann sein Buch beiseite und starrte durchs Riegelfenster, unter dem sein Schreibtisch stand, in die Nacht hinaus. Und an diesem Abend entdeckte er zum ersten Mal das Gesicht. Es war das Gesicht eines Mädchens, und sie lugte hinter einem vorhanglosen Fenster hervor.
Da die beiden alten Häuser nahe zusammengebaut waren, sah Lukas, dass ihn die Augen in diesem Gesicht unentwegt fixierten. Nicht bloss die dunklen Augen, nein, auch die hellbraunen, gelockten Haare, die weich gezeichneten Lippen und die keck dreinschauende, feine Nase schienen Lukas festhalten zu wollen.
Doch da war das Gesicht verschwunden, genauso unerwartet, wie es aufgetaucht war. Kurz darauf erlosch auch das flackernde Licht, welches das Fenster soeben noch geisterhaft erhellt hatte.
Lukas rieb sich die Augen, schüttelte den Kopf, blickte kurz auf seine Uhr und beschloss, seine Bibelstudien am nächsten Tag fortzusetzen. Doch er konnte lange nicht einschlafen. Zum einen quälten ihn Zukunftssorgen: Er hatte drei Tage zuvor einen langen Brief von seiner Mutter erhalten. Der Vater sei plötzlich erkrankt, sei für längere Zeit arbeitsunfähig, und es sehe schlimm aus. Der Hof müsse wahrscheinlich weiterverpachtet werden, da sie nicht in der Lage sei, ihn allein zu führen, und die Geschwister noch zu jung seien, um die Verantwortung mit ihr zu teilen. Im Moment reiche es noch fürs Essen, aber leider könne sie an Lukas' bescheidenen Lebensunterhalt nichts mehr beisteuern.
Durch diese Zeilen hindurch hörte Lukas den Hilfeschrei seiner Mutter. Er wurde mit einem Mal von einer unbeschreiblichen Wehmut befallen. Etwas später wanderten seine Gedanken zum Mädchengesicht. Es zog ihn wieder an sein Mansardenfenster, doch gegenüber blieb es dunkel. Lukas legte sich hin, starrte zur Decke und fasste noch in derselben Nacht einen Entschluss.
Am nächsten Tag perlten die Vorlesungen an Lukas hinunter. Nichts, aber auch gar nichts blieb haften. Lukas überdachte seine Entscheidung. Sein Studium, das ihm ohnehin Mühe bereitete - nicht zuletzt wegen der vielen Kommilitonen, die sich allzu kritisch mit der Glaubenslehre auseinandersetzten und sich von den "wahren Katholiken" mit erschütterndem Hochmut abwandten - wollte er aufgeben, um seiner Mutter bei der harten Arbeit auf dem Kleinbauernhof beizustehen. Nicht dies jedoch lenkte ihn von den Vorlesungen ab. Die Mutter zu unterstützen bedeutete für Lukas vor allem Erholung; eine willkommene Abkehr vom Bücherleben. Nein, Lukas hatte beschlossen, sich seinen Studien fortan hinter Klostermauern zu widmen und Mönch zu werden. Die Tragweite dieses einsamen Entschlusses versuchte er jetzt zu erfassen und abzustecken.
Er hatte nämlich immer wieder festgestellt, dass die sezierende Denkweise, mit der an der Universität an die Theologie herangegangen wurde, für ihn nicht länger haltbar war. Viele Äusserungen der Professoren und vor allem seiner Mitstudenten waren ihm zu intellektuell und allzuweit entfernt vom wahren Wesen der abendländischen Religion, deren Sinn es doch war, Nächstenliebe gegenüber gleichdenkenden Menschen zu üben, das Christentum in der Welt zu festigen und Ketzer zu verdammen!
Am meisten entsetzten ihn diejenigen Studenten, die mit leuchtenden Augen verkündeten, Christus sei inden letzten zweitausend Jahren unzählige Male erneut vor die Menschheit getreten; nur sei er von den jeweiligen klerikalen Machthabern nie als solcher erkannt worden: Als Jeanne d'Arc, als Giordano Bruno, als Robespierre und in neuerer Zeit vielleicht als Rudi Dutschke, als Ulrike Meinhof, sei aber immer wieder auf dem Scheiterhaufen den Flammen der Intoleranz zum Opfer gefallen, von den Inquisitoren aller Zeiten zur Hexe, zum Ketzer oder zum Demagogen gemacht und sei mit dem unerschütterlichen Hochmut einer selbstherrlichen Gerechtigkeit den katholischen oder in neuerer Zeit den imperialistischen Folterknechten und Henkern ausgeliefert worden.
In seinem Herzen war Lukas tiefreligiös im orthodoxen Sinne: Nur der Katholizismus, diese reinste aller Glaubensrichtungen, durfte überleben. All die Behauptungen seiner Kommilitonen, dem Katholizismus hätte die Menschheit bisher mehr Kriege, Unterdrückung und Zwist zu verdanken als etwas anderes, lehnte er als gotteslästerlich und zynisch ab.
Imagine there's no heaven
And no religion, too
Er hasste sogar John Lennon und beglückwünschte heimlich dessen Mörder.
Für Lukas kam nur ein strenger Orden in Betracht - er dachte an den Zisterzienser- oder Kapuzinerorden. Er suchte einen straffen Zeitplan und eine strenge Führung, damit nichts ihn mehr von seinem Glaubenspfad ablenkte. Ausserdem war so für seinen Unterhalt gesorgt und er war nicht mehr auf die Almosen von Staat und Eltern angewiesen.
Gedankenversunken machte er sich am Abend auf den Heimweg, gedankenversunken stieg er die vielen Treppen zu seiner Mansarde hoch, gedankenversunken setzte er sich an seinen Schreibtisch. Es war bereits dunkel, die gegenüberliegende Hauswand wurde von einer Strassenlampe schwach erhellt. Lukas fror, denn ein eisiger Wind blies durch die Holzritzen des Fensters, die sich im Laufe der Zeit verzogen hatten. Die Ritzen hatte er immer wieder mit Zeitungspapier verstopft, aber die Kälte liess ihn trotzdem nicht in Ruhe.
Da war es wieder. Diesmal nicht nur das Gesicht, die Augen, in denen ein sehnsüchtiges Feuer brannte, sondern auch der Hals und die entblösste Schulterpartie. Reglos sass Lukas da. Es schien ihm, als formten die Lippen der geheimnisvollen Frau die ganze Zeit über ein Wort, und jedes Mal, wenn es ausgesprochen war, beschlug sich das Fenster gegenüber. Lukas war es mit einem Mal, als spüre er ihren Atem. Gebannt blickte er auf den Mund der jungen Frau, nachdem sie mit einer langsamen Bewegung das Kondenswasser weggewischt hatte. "K...o...m...m...". Sie bewegte die Lippen jetzt deutlicher, so dass Lukas jedes Wort erkennen konnte, das sie formte.
"Man...hat....mich...zur...Hexe...erklärt...damals...und...verbrannt...komm...liebe mich!"
Lukas wurde von einem tiefen Grauen gepackt, konnte aber nicht anders, als immerfort hinüberzustarren. Wieder löste sich das Mädchen im Nichts auf, und bald darauf erlosch das Licht.
Wenn Lukas kurz zuvor noch geglaubt hatte, am vergangenen Abend hätte ihm die Überreizung seiner Nerven einen Streich gespielt, so war er jetzt mit einemmal von der Echtheit des Mädchens überzeugt. Ihm war bis dahin bei den Frauen kein Erfolg beschieden gewesen, da er sehr scheu war und seine unruhigen Augen ständig umherirren liess, so, als suche er etwas.
Er konnte Frauen auch sehr schnell vor den Kopf stossen, was aber nicht Arroganz oder Zudringlichkeit, sondern eher eine extreme Äusserung seiner Hilflosigkeit war. Dies gipfelte in unbedachten Bemerkungen, die oft zutiefst beleidigten. Einmal hatte er eine Kollegin zum Kaffee eingeladen und unterhielt sich mit ihr über alltägliche Dinge, bis sie ganz unerwartet zu weinen anfing. "Mein Bruder sietzt im Gefängnis; lieder kann ich Dir nicht sagen, warum - er hat etwas getan, dessen isch mich sehr schäme und mit dem ich wohl nie fertig werde!"
"So etwas würde mir nie passieren!" erwiderte Lukas, der ja gar nicht wusste worum es ging und sich gut darstellen wollte. Kopfschüttelnd hatte sie sich erhoben und die Bar verlassen, ohne ihn noch einmal anzublicken.
Lukas legte sich ins Bett und konnte wieder nicht einschlafen. Noch immer wusste er nicht, was ihn am Mädchen gegenüber so gefangen nahm. Gewiss, sie war hübsch, und mit den Locken, die ihr feines Gesicht umrahmten, hätte sie bestimmt ein schönes Gemälde abgegeben. Aber - das war es wohl! - die junge Frau strahlte kein Leben aus - auch wenn ihre Augen sprühten und ihre Lippen sich bewegten. Sie wirkte auf unerklärliche Weise entrückt - wie ein gemaltes Portrait, von dem man den Blick nicht abwenden kann.
Am nächsten Morgen erwachte Lukas mit starken Kopfschmerzen. Er blieb daher den ganzen Tag über im Bett und liess seine Augen immer wieder üer die fleckige Tapete und den alten Sekretär streifen, der ganz knapp unter einer abgeschrägten Wand Platz gefunden hatte. Lukas war spartanisch eingerichtet; ausser einem zerschlissenen, ehemals bunten Handwebteppich, einem rostigen Druckausgleichgefäss bei der Heizung, dem Schreibtisch, drei Körben mit Büchern, dem Sekretär und seinem alten Bett, das er von zuhause mitgebracht hatte, war die Mansarde leer.
Hunger verspürte Lukas den ganzen Tag über nicht; für den Notfall fanden sich ein paar Lebensmittel in einem Korridorschrank.
Draussen hatte ein wirres Schneetreiben begonnen, und Lukas war froh um das Druckausgleichgefäss neben seinem Bett, das etwas Wärme abgab.
Und mit einem Mal war es wieder da.
Beinahe hätte Lukas aufgeschrien, so unmittelbar erschien das Mädchengesicht - direkt vor seinem Fenster, so, als ob es frei im Raum schwebte. Nein, nicht nur das Gesicht! Diesmal war ihr ganzer Oberkörper bis zum Nabel entblösst. Lukas lag, von Gefühlen hin- und her gerissen, in seinem Bett. Er konnte genau sehen, wie ihre Wangen glühten, ihre Augen vor Leidenschaft glänzten und wie ihre Brüste die kalte Fensterscheibe berührten.
Lukas lag wie gelähmt. Seine starke Erektion irritierte ihn. Ganz nah sah er jetzt die prallen Brüste des Mädchens vor sich. Die linke Brustwarze näherte sich seinem Mund, so, als wollte sie ihn stillen. In seinen Gedanken war sie nicht nur bis zum Nabel entblösst, sondern splitternackt. Lukas nahm seinen steifen Penis in die Hand und begann zu reiben. Gleichzeitig verwünschte er sich. Hatte er das Recht, solches zu tun? Was wollte ihm diese Frau mitteilen? Nackte Torsos kannte er bestenfalls vom Lateinunterricht, aus den Bildbänden zur griechischen Kunstgeschichte und, ja, vom Kioskaushang am Bahnhof. Mit schlechtem Gewissen drückte er an seinem Penis herum und stellte sich vor, ein paar Apostel würden ihm dabei zusehen. Ob das Mädchen wieder am Fenster stand? Was verbarg sich eigentlich genau unter dem verführerischen Schamhaardreieck einer Frau? Wie genau vereinigte man sich eigentlich mit diesen Wesen? Von vorn? Von unten? Aber… dann musste der steife Penis ja einen Knick machen, damit er eingeführt werden konnte? Lukas' Atem beschleunigte sich. Über sich hatte er die Dachschräge, vor sich das Fenster, das hell schimmerte. In seinen Gedanken sah er die Lippen des Mädchens. Sie bewegten sich ganz langsam; sein Glied hätte perfekt in die verführerische Öffnung ihres Mundes gepasst. Ihre Lippen öffneten und schlossen sich aber, formten dieselben Worte wie am Vorabend.
Diesmal war es Lukas sogar, als höre er ihre leise Stimme.
"N...n...nein! Nein!! Nein!!!" schrie er auf, das Mädchen aber liess sich nicht beirren und formte, beinahe unhörbar, ihre Worte:
"Man...hat....mich...zur...Hexe...erklärt...damals...und...verbrannt...komm... liebe mich!"
In einem Anflug von Mut aus Verzweiflung sprang Lukas aus seinem Bett, kniete sich auf den wackligen Schreibtisch, riss das Fenster auf, lehnte hinaus, machte die Fensterläden los und konnte sie gerade noch schliessen, als der Tisch unter ihm nachgab. Lukas' Kopf schlug mit voller Wucht gegen die Wand, und kurz zuvor war ihm gewesen, als hätte er ein silberhelles Lachen gehört. Dann verlor er die Besinnung.
Tief in der Nacht schlug er die Augen auf und wusste zuerst nicht, wo er war. Er stand vorsichtig auf und streckte die schmerzenden Glieder. Draussen war es totenstill. Wie ein geschlagener Hund verkroch sich Lukas unter der Bettdecke. Bald wurde er von einem bleiernen Schlaf übermannt.
Er träumte von einer Allee mit hohen Pappeln in einer italienischen Stadt. Die untersten Fenster der Reihenhäuser, denen er entlang ging, standen alle offen. Hinter diesen Fenstern tauchten Frauenköpfe auf, aber was waren das für Köpfe! Der erste, den er sah, war kahl geschoren und starrte ihm mit leeren Augenhöhlen nach. Der zweite brannte, den zahnlosen Mund zu einem lautlosen Schrei weit geöffnet. Aus dem dritten hing eine schwarze, aufgequollene Zunge, und der Hals zeigte blutunterlaufene Spuren eines fingerdicken Seils. So ging es weiter, bis ans Ende der Allee, und all diese Köpfe nickten dem entsetzten Lukas vorwurfsvoll zu.
Die Frau, die aus dem letzten Fenster in der langen Häuserreihe blickte, kam Lukas bekannt vor. Sie war unverletzt, aber da entdeckte er, dass sie nicht durch ein Fenster blickte, sondern durch eine Guillotine, die in die Mauer eingelassen war. Über dem Hals des Mädchens schwebte die scharfe, schwere Messerplatte. Auch diese Frau nickte Lukas traurig zu. Er ertrug den Anblick nicht und eilte den letzten Pappeln entlang, die, wie er verwirrt feststellte, in einen Kreuzgang mündeten.
Er erwachte schweissgebadet und vermied den Blick auf sein verriegeltes Fenster. Eilends zog er sich an und verliess das Dachzimmer. Es war Mittwoch, der Tag, an dem er sich dem Abt eines Kapuzinerklosters vorstellen sollte.
Nach einer dreistündigen Eisenbahnfahrt erkundigte sich Lukas am kleinen Bahnhof nach dem Weg zum Kloster. Gedankenversunken ging er eine Allee entlang. Sein Herz schlug bis zum Hals als er endlich die ersten Mauern der wuchtigen Klostergebäude vor sich sah. Ein misstrauisch blickender Pförtner stellte sich ihm in den Weg. Lukas stammelte ein paar Worte und wurde eingelassen.
Als die Klosterpforten hinter ihm zuschlugen, griff eine eisige Hand an sein Herz, doch sogleich wurde er vom rundlichen Abt freundlich empfangen.
Im Refektorium wurde das Mittagsmahl aufgetragen, und Lukas' Bewegungen beim Essen wurden von den Patres, Mönchen und Laienbrüdern unauffällig, aber neugierig aus den Augenwinkeln heraus verfolgt.
Als der Abt ihn nach dem halbstündigen Gebet durch den Kreuzgang führte, verspürte Lukas wieder diese Hand an seinem Herzen, und sein Magen zog sich zusammen. "Ist Ihnen unwohl?" erkundigte sich teilnahmsvoll der Abt. "Schon gut", antwortete Lukas, "es ist die lange Reise".
Noch am selben Nachmittag verpflichtete er sich zu absolutem Gehorsam, Abbruch der Kontakte zur Aussenwelt, ständigem Gebet und Ehelosigkeit. Nach diesem Entscheid war ihm irgendwie wohl. Dem Abt hatte er versprochen, sich nach einem Jahr Bauernarbeit bei seinen Eltern vom Draussen zu verabschieden und von da an in Stille und Einsamkeit durch die endlosen Gänge des riesigen Klosters zu wandeln.
Das bedrückend Ewige, das vom Katholizismus ausgeht, hatte auf Lukas an diesem Nachmittag derart tief eingewirkt, dass er seinen Entscheid, an dem er so lange herumgebrütet, nun gleich an Ort und Stelle fällte: Lukas brauchte die Düsternis.
Die seltsamen Ereignisse mit dem Mädchen waren bald vergessen. Am Abend schrieb er, wieder zurück in seiner Dachkammer, den Eltern einen Brief. Er eröffnete ihnen, dass Hörsäle ihm keine Geborgenheit und Kraft zum Glauben vermitteln könnten, das Kloster aber genau das sei, wonach er vermutlich schon sein Leben lang gesucht habe. Das Fenster gegenüber der Mansarde erwähnte er mit keinem Wort.
Er zog sich spät in der Nacht warm an, steckte den Brief in einen Umschlag und stapfte durch den tiefen Schnee zum Briefkasten um die Ecke. Dann kehrte er zurück zu seinem Hauseingang, nicht ohne einen verächtlichen Blick der Häuserwand empor aufs Fenster zu werfen, an dem ihm das Mädchen erschienen war. "Hexe!" brummte er, "Hexe!".
Ein Blutfaden sickert unter dem Guillotinenfenster hindurch, sammelt sich auf dem äusseren Sims in einer Holzrinne und wird in wenigen Augenblicken neben Lukas in den Schnee tropfen.

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