"Keine weiteren Fragen. Ihr Zeuge, Herr Verteidiger." Die hellen eisblumenblauen Augen der Staatsanwältin, die sich gerade noch wie ein Stalagmit aus Stahl in seine Pupillen gebohrt hatten, senkten sich auf den Aktenstapel vor ihr. Genauso ruhig und stetig, wie sie ihre Fragen gestellt hatte, hob und senkte sich ihr üppiger Busen unter der schwarzen Robe. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu, dann richtete sie ihre Eisblumen endgültig auf den Stapel Papier vor sich. Nur langsam ließ seine Gänsehaut nach und seine Hoden kehrten wieder an ihren angestammten Platz zurück. Er löste sich
aus seiner Erstarrung und wandte sich dem Zeugen zu, doch sein perfekt vorbereitetes Kreuzverhör war sozusagen schockgefroren. Nach einer weiteren unangenehmen halben Stunde hatte er den Fall endgültig verloren.
Im Club, der Mittwochs abends nie gut besucht war, ließ er sich in den Ledersessel am Kamin fallen und versuchte, seinen Frust mit Hilfe einer Flasche Taylor's Late Bottled Vintage Port in den Griff zu bekommen. Er streckte die langen Beine aus und ließ die Absätze langsam in den schweren Perserteppich sinken. Als er sich eingoss, stieg ein schwerer, fast schwülstiger Duft auf, den er mit halbgeschlossenen Augen genussvoll einatmete. Seine Gedanken kreisten um den verlorenen Prozess - und um die Staatsanwältin. "Was für eine Frau! So attraktiv, aber so unbarmherzig und kalt und emotionslos wie ein Gletscher. Die wälzt ohne Gnade alles nieder, was ihr im Weg steht. Kein schönes Gefühl, dass ich ihr heute im Weg gestanden habe..." Seufzend hob er sein Glas und hielt es in Richtung Kamin. Das Feuer flackerte durch das feingeschliffene Kristall und den dunkelroten Wein, und die Flammen züngelten allmählich seinen Frust hinweg.
Zwanzig Minuten später hatte er die Flasche bis zum roten Wachssiegel geleert und fing an sich wieder wohl zu fühlen. Dieser Zustand änderte sich auch nicht, als die Staatsanwältin unvermittelt in der Flügeltür des Clubzimmers stand. Denn zunächst blickte er nur verträumt und leicht benebelt durch sie hindurch. Sie sagte kein Wort, sondern ließ ihren Blick auf ihm ruhen. Der Nebel vor seinen Augen lichtete sich ein wenig und er bemerkte sie. Überrascht setzte er sich leicht auf, versuchte so gut es ging, mit einem Arm seine anschwellende Erektion zu verbergen und sagte verlegen "Äh, ähm, guten Abend. Ähm, und Glückwunsch - das war heute ihr Tag." "Danke." Der Anflug eines Lächelns umspielte ihre Mundwinkel. Sie strich sich eine Strähne ihres hellblonden Haares aus dem Gesicht und blieb einfach stehen. Offensichtlich wartete sie auf etwas. Endlich begriff er und rückte mit leicht unpräzisen Bewegungen einen der schweren roten Club-Ledersessel zu sich an den Kamin.
Das Herz des Gletschers
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