Er hat sie in ein Hotel bestellt. Noch nie war sie in dieser Gegend. Sie mustert die hohen, heruntergekommenen Fassaden. Eine bunte Leuchtreklame schimmert über den nassen Asphalt. Das Klappern ihrer Absätze klingt laut in ihren Ohren. Sie schlingt den Mantel fester um ihre Taille. Ein spätes Liebespaar ist unterwegs.
Arm in Arm schlendern sie über die Straße, weichen einem Taxi aus. Das Licht des Wagens fällt kurz auf ihre Gesichter. Wie verliebt sie sich anschauen. Sie denkt an das Rendezvous, das sie hier hergeführt hat. Endlich der Eingang zu dem Hotel. Sie geht schnell die Treppenstufen zu dem Hotel hinauf. Die Tür öffnet sich mit einem lautstarken Quietschen. Alles hier ist schäbig. Alte, vergilbte Tapeten, abgestoßene Möbel und verdreckte Teppichböden.
Warum ist sie nur hier? Sie tritt an die Rezeption, schlingt automatisch ihren Mantel fester um ihren Körper. Stockend trägt sie ihr Anliegen vor. Man hat ein Zimmer für sie reserviert. Ihr Name sei Clara. Wissend lächelt der alte Nachtportier und mustert sie unverhohlen. Er sagt ihr die Nummer. Verstohlen stolpert sie mit ihren hochhackigen Schuhe die Treppe hinauf. Dabei ist sie sich bewusst, das der Mann an der Rezeption sie mustert. Gut das ihr Mantel ihre Figur verbirgt. Warum hat er sie nur in dieses heruntergekommene Hotel bestellt. Sie, die den Luxus und das Licht liebt. Die Tür von Nummer 10 ist nur angelehnt. Atemlos bleibt sie vor dem Zimmer stehen. Ein feiner Lichtschatten fällt durch den Rahmen. Es herrscht eine unheimliche Stille. Niemand ist da, der sie an der Tür erwartet. Kein liebevolles Wort von ihm. Geh endlich rein du dumme Pute, schimpft sie fast aufmunternd mit sich selbst. Sie drückt die Tür auf und tritt in das große Zimmer.
In der Mitte des Raumes steht ein großes Metallbett mit weißen Laken. Alles hier strahlt Trostlosigkeit aus. Die roten Seidentapeten hängen nur noch notdürftig an den Wänden. Der Teppichboden ist an vielen Stellen zerschlissen. Alles wird in das Licht einer alter Stehlampe getaucht. Das es solche Hotels überhaupt noch gibt. Was soll das? Sie fühlt sich unwohl. Warum verlangte ihr Geliebter dieses von ihr? Sie schaut sich unschlüssig um. Kein Zettel auf dem Bett mit Anweisungen. Kein Hinweis, den sie in irgendeiner Weise deuten könnte. Der warme Mantel ist jetzt ihre einzige Schutzhülle. Ihr fröstelt. Dann plötzlich ein Geräusch hinter ihr. „Dreh dich nicht um. Schau zur Lampe." Die Stimme ihres Geliebten. Obwohl seine Stimme einen kalten, berechnenden Klang hat, fühlt sie sich mit einem Mal sicher und geborgen. Sie ist nicht mehr alleine. Er ist bei ihr. Sie ist beruhigt. Gleichzeitig ist sie gespannt, was er mit ihr vor hat.
Das Hotel
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