Das Klavierzimmer

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Das Klavierzimmer

Das Klavierzimmer

Magnus Garnier

Seit Tagen war ich mit dem Auto unterwegs, hatte die Hektik der Autobahnen und der schnellebigen Städte satt und suchte einen Ort der Ruhe und Gelassenheit. Am Ufer eines breiten Flusses, der sich durch eine sommerliche Wiesenlandschaft schlängelte, fand ich abseits einer kleinen, verschlafenen Ortschaft einen gepflegten Landgasthof mit Garten und Blick auf das sanft dahinfließende Wasser. Vom Parkplatz aus ging ich über die Terrasse. An jenem Spätnachmittag saßen scheinbar alle Gäste des Hauses im Sonnenschein des zuende gehenden Tages: Eine einsame, ältere Dame an einem Tisch neben dem kleinen Teich, an einem großen runden Tisch eine Gruppe diskutierender Professoren und ein wortkarges Ehepaar neben der Flügeltüre zum Gästeraum. Etwas abseits hatte eine junge Frau ihren Stuhl zur Sonne hin ausgerichtet und ließ sich von den letzten warmen Strahlen streicheln. Sie war mir wegen ihrer roten, langen Haare, die sie zu einem Zopf zusammengebunden hatte und lässig hinter der Stuhllehne baumeln ließ aufgefallen. Den Kopf hatte sie genießerisch nach hinten gelegt und ihre Augen waren geschlossen.
An der Rezeption grüßte mich eine Frau Anfang Vierzig. Sie stellte gerade Kaffeetassen auf einem Tablett zurecht und auf meine Frage, ob ein Zimmer frei sei sagte sie:
"Tut mir leid, mein Herr. Wir sind leider komplett ausgebucht."
"Gibt es im Ort ein zweites Hotel?"
"An der Hauptstraße finden sie den "Goldenen Löwen", antwortete sie und hantierte in den Schränken über dem Tresen.
"Aber Sabine!" hörte ich die Stimme einer alten Dame hinter mir. "Gib dem jungen Mann unser Klavierzimmer. Das Bad liegt zwar auf dem Flur, aber wenn es ihm zusagt, so soll er es haben."
"Ja, Mutter.", sagte die Frau.
Ich sah mich um und blickte in das lächelnde, strenge Gesicht einer grauhaarigen Dame, die mir zunickte. Sie saß an einem runden Tisch neben zwei Hochschullehrern, die sich über die moderne Mediengesellschaft unterhielten.
"Das ist sehr nett von ihnen.", bedankte ich mich und wandte mich wieder der Frau hinter der Theke zu. Sie hatte inzwischen ihr Tablett mit Kaffeekännchen, Milch und Zucker komplettiert.

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