Das Tier

(Vom Glanz und vom Elend des Schreibens)

4 3-6 Minuten 0 Kommentare
Das Tier

Das Tier

BeautifulExperience

Es reicht nicht aus, dass ich es tun will. Nichts kommt dabei zustande, wenn nur der bloße Wille im Spiel ist.
Keine Bilder entstehen – niemand wird dabei geboren, wenn allein der Wille im Spiel ist.
„Ich will schreiben!“
Das genügt nicht. Die Klinge bleibt stumpf, die Welt verharrt im Standbild, die Figuren bleiben blasse Pappkameraden.
„Ich habe ihr geantwortet, das, was ich vor allem anderen wolle, sei schreiben, nichts anderes als das, nichts.“
Die Duras hat das gesagt, nicht ich. Es ist dumm, denn es reicht nicht aus. Der Wille allein vermag nichts.
Er lähmt den Gedanken und verhindert das Schreiben. Der Wille blockiert die Idee. Er läßt die Vision nicht zu.
Der Wille allein führt zum Elend des Schreibens. Er läßt den Schreibenden ausgetrocknet und bis zu den Wurzeln verbrannt zurück.
Das Loslassen erst ermöglicht den Glanz. Das Loslassen packt den Willen – es nimmt ihn bei der Hand und führt ihn in unbekannte, schwer zugängliche Bereiche. Bereiche, in denen das Schreiben von selbst geschieht, jedoch ohne den Willen als untergeordnete Kraft nicht möglich ist.
Wie das geschieht, weiß der Schreibende nicht. Er kann nicht nachvollziehen, wie sich das Loslassen mit dem Willen vereinigt. Er weiß nur, daß diese Vereinigung manchmal möglich wird. Dann muss er sich mitreißen lassen. Dann wird das Schreiben zur Magie.
Das Loslassen ist es, das so schwierig ist. Es ist so schwer, sich im Elend des Alltags treiben zu lassen. Die Ausübung des Willens ist dagegen ein Kinderspiel.
Zum Elend des Schreibens reicht der Wille. Der Wille genügt, um eine Geschichte voranzutreiben.
Doch erst das Loslassen verleiht Flügel: die Geschichte bekommt eine Eigendynamik, die nur bedingt steuerbar ist.
Die Geschichte findet zu ihrem eigenen Ende, nicht zu dem Ende, das der Schreiber vorgesehen hat. Der Schreiber wird zum Medium – zum Medium von etwas, das sich auf dem Papier ausdrücken will.
Nennen wir es eine Geschichte. Nennen wir es eine Idee.
Nennen wir es eine lebendige Geschichte.
Die Anwendung des Willens genügt, um ein Schriftsteller zu sein. Der Schriftsteller konstruiert Geschichten.

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 3254

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Gedichte auf den Leib geschrieben