Die Geschichte nimmt ihren Anfang 1991, als es noch Brüste gab. Selbstverständlich existiert es auch heute noch, dieses zauberhafte, paarig angelegte Organ, das die Welt in Atem hält. Offen oder versteckt auch in Werbung, bei der es überhaupt nicht um weibliche Brüste geht: Die Verkaufszahlen, egal von was, steigen rasant, wenn Titten im Spiel sind. Aber eben. 1991 waren die Brüste noch unter uns, nämlich in sämtlichen öffentlichen Badeanstalten der Stadt, durch die sich ein breiter Fluss schlängelt. Sie lieben das Wasser, die Menschen. Sie lieben es, sich auf ihren bunten Badetüchern zu fläzen. Aber noch viel mehr lieben sie es, und zwar nicht nur die Männer, einen Nachmittag im Schatten einer Platane zu verbringen, gemeinsam mit der Arbeits- Schul- oder Studienkollegin, die sich vollkommen unbeschwert, oben ohne, wie man damals sagte, auf ihrem Badetuch räkelt. Damals handelte es sich oft um Batiktücher. Im Vor-Internet-Zeitalter waren die Frauen erdiger als heute, auch sexuell unbeschwerter, und es war kein Ding, die Dinger herzuzeigen, weil man noch nichts von Ozonlöchern und Handykameras wusste. Die Handykameras, noch viel eher als die Ozonlöcher, sind der eigentliche Tod des unbeschwerten Oben-Ohne-Badespasses. Ist man einmal halbnackt im Internet, entzieht sich einem die Kontrolle über den eigenen Körper, über die persönliche Sphäre, komplett. Daher ist all den Frauen, die sich heutzutage wieder hinter Bikini-Oberteilen verstecken, volles Verständnis entgegenzubringen.
Rainer, damals in seinen frühen Zwanzigern, war einer der Nutznießer. Er konnte sein Kopfkino locker zuhause lassen, denn was ihm seine Schulkolleginnen boten, übertraf alles, was er sich unter der Bettdecke erträumt hatte. Es gab sie in den abenteuerlichsten Formen. Birnen. Äpfel. Pfirsiche. Hängend. Keck aufgerichtet. Vollmondartig. Das Besondere daran: Jede Frau hatte exakt die Brüste, die zu ihr passten. Womöglich gibt es, irgendwo hinter einer Wolke versteckt, eben doch einen Gott, oder, vielmehr, eine Göttin, die das ganze Geschehen unter Kontrolle hält. Es muss sich dabei um eine begnadete Gestalterin handeln. Denn Beatrice König musste einfach genau diese Hängebrüste haben, die sie eben hatte. Genau diese Art von Titten verlieh ihr diese gewisse Herzklopf-Dynamik, von der Rainer im Geheimen schwärmte. Und Cornelia Berger? Ihre Bienenstich-Tittchen passten perfekt zu ihrer blonden Kurzhaarfrisur und ihren hervortretenden Hüftknochen.
Rainer liebte sie alle. Aber da war vollkommene Unschuld. Klar war es den Frauen bewusst, dass die Männer, aber auch die Kolleginnen, hinschauten. Wenngleich Frauen unter sich voneinander schon längst wussten, wie die Pultnachbarin oben- und untenrum aussah.
Da war diese angenehme Spannung, und alle Männer hofften, dass die Erinnerung an Karins, Linas und Gerlindes Titten niemals verblasste. Die damaligen Festplatten hießen Disketten, und die blieben schön im Büro. Das Hinschauen und Bewundern war eine rein mentale Sache. Begriffe wie „Pornosurfen“ waren komplett unbekannt, Pornohefte etwas für ü50-Wirrköpfe, die sich verstohlen umsahen, bevor sie den Beate Uhse Laden betraten. Es gab noch weit und breit keine Cloud, und gespeichert wurde nichts.
Dann rasten die Jahre vorbei, und im Nu war Rainer fünfundfünfzig Jahre alt. Alles war an ihm vorbeigezogen, der Klimawandel, die globalen Konflikte, die Art, wie man heutzutage Frauen und Männer daten kann. Seine Erinnerung an damals, an Eleonoras Pfirsiche, war vollständig verblasst. Doch, Rainer verfügte über einen Laptop, aber er hatte sich schon immer schwer damit getan, ihn frauenorientiert zu nutzen. Noch immer hatte er dieses Nokia-Handy mit dem Mäusedisplay, aber er wusste sich in guter Gesellschaft. Nicht alle mochten einen gigantischen Kommunikationsriegel mit sich herumschleppen. Rainer hatte einfach, was er hatte. Aber in ihm köchelte eine nicht zu bändigende Sehnsucht nach einer Eleonora, Beatrice, Cornelia oder wie sie alle hiessen. Kurz: Die Sehnsucht nach einer Frau.
Dann bekam er den Tipp eines seiner Kollegen aus dem Schiessklub. Noch am selben Abend steuerte er diese eine, ganz bestimmte Homepage an. Frauen aus der näheren Umgebung. Und da waren sie, in Viererreihe gegliedert, ein Porträt hübscher als das andere. Alle Fotos zeigten den weiblichen Ausschnitt, mehr nur gegen Bezahlung. Und Rainer zahlte. Und zahlte. Und zahlte. Er wurde Opfer eines fiesen Coin-Systems. Da waren zuerst 100 Coins, und pro Kontaktaufnahme verschwanden 30 davon. Weil aber Rainer alleinstehend war, konnte er es sich leisten, ausgenutzt zu werden. „Du musst dich nur eine einzige Frau konzentrieren, du Idiot“, lachte ihn sein Kollege aus dem Schiessklub aus. Frauen gibt es wie Sand am Meer, alle haben geile Titten, aber du kannst Deine Abogebühr geradesogut in den Wind schiessen.
So fand Rainer Karin. Karin war, so man dem Bild Vertrauen schenken konnte, eine ausgesprochen hübsche, etwa 20jährige Studentin der Krankengymnastik. Tatsächlich tat sich ein Chat-Fenster auf, und Karin antwortete auf Rainers Kontaktanfrage innert Minuten. Sie war also, genauso wie er, online. Rainer war des Schreibens nicht besonders mächtig, ganz im Gegensatz zur eloquenten Karin. Diese schrieb ihm, dass sie kein flüchtiges Date suche, sondern eine richtige Beziehung, dass aber diese Suche via Internet wesentlich anonymer möglich sei, als das angequatscht werden in einer Bar. Rainer hatte volles Verständnis für die junge Frau, die zwei Tage später mit ihm via „zoom“ Kontakt aufnehmen wollte.
„Zoom was?“, fragte Rainer etwas unbedarft. Karin griff sich kurz an den Kopf. Gab es da draussen tatsächlich Männer, für die Online-Videotreffen ein Fremdwort waren? Was für ein Höhlenbewohner sass da am andern Ende? Sie blieb aber höflich und zeigte auch Verständnis, als Rainer sich mit einer geschickten Wendung versuchte. Er teilte ihr mit, dass geschriebene Worte ihrer erst aufkeimenden Beziehung mehr Tiefe geben würden. Also geduldete sich Karin und schickte Rainer von sich ein paar Fotos. Keine Nacktbilder, dazu war Karin zu intelligent. Aber in Unterwäsche und im Nachthemd durfte er sie schon begutachten, klar, denn nur mit Bildern konnte eine Frau einen Mann online an sich binden. Rainer googelte verzweifelt nach einem etwa 25jährigen Mann, dessen Porträt er Karin schicken konnte. Er selbst war früh ergraut und vermutete, dass sein Aussehen die junge Frau abspenstig machen könnte. Schliesslich suchte sie einen Lover, nicht einen Papa.
Nach langem Hin und Her entschlossen sich Rainer und Karin zu einem ersten Date. „Wie ich aussehe, weisst du ja nun“, lachte Karin und reservierte einen Bistrot-Tisch am Ende der Bührenheimstraße, einem Industriequartier, das in der Nähe von Rainers und Karins Wohnort lag. Rainer sah sich auf der Verliererseite, denn nun würde es an den Tag kommen, dass er die süße Karin mit einer nicht korrekten Identität, einem falschen Foto, betrogen hatte. Er holte alles aus sich heraus, was möglich war. Er zog einen schwarzen Rollkragenpulli an, von dem er glaubte, dass er ihn jünger machte, und selbst einen Friseurbesuch nahm er auf sich. All das um den Kampf für jüngere Jahre Willen.
Auch Karin liess sich nicht lumpen. Sie schob ihre Brüste in einen Push Up BH, obwohl ihr Cup C doch ganz Okey war. Alle Krankengymnastinnen haben Cup C Brüste. Ideal für Sport, und doch stromlinienförmig attraktiv, um die Patienten zum Mitmachen zu animieren. Karins Blumenkleid stand ihr sehr gut ins Gesicht, ihr, die sonst immer Jeans, T-Shirts und Trainingsanzüge trug. Karin spritzte sich ein wenig weissen Moschus unter die Achseln, legte einen Hauch Lipgloss auf und war bereit.
Als sie Egons Bar betrat, war der Bistrot-Tisch, den sie reserviert hatte, noch leer. Sie war auch zehn Minuten zu früh und aufgeregt wie ein Teenager. Ein erstes Date mit einem Unbekannten. Von ihren Freundinnen hatte sie nur zu oft gehört, wie solche Treffen ins Auge gehen konnten, zu was für einem Monster oder zu was für einer peinlichen Losen sich das Gegenüber entpuppen konnte. So, dass Frau nur noch eins wollte. Abhauen, und zwar rasch. Dann sperrte Karin ihre Augen sperrangelweit auf und brachte den Mund nicht mehr zu. Sven, der Klassenprimus aus dem Gymnasium, betrat die Bar. Er sah sie sofort, strahlte und setzte sich zu ihr. Die beiden hatten kurz mal etwas zusammen gehabt, der Klassenprimus und die Klassenhübscheste, und zwar in der nicht abgeschlossenen Lehrergarderobe. Sven war also einer, der Karins Körper genau kannte und wusste, dass sie mit dem Push Up BH ein bisschen mogelte. Unverhohlen schaute er zuerst auf ihre Brüste, senkte dann aber doch höflich den Blick und fragte seine ehemalige Mitschülerin, was sie in Egons Bar zog.
Die sonst gar nicht mundtote Karin wurde verlegen. „Ich genieße hier den Feierabend“, lächelte sie und bestellte bei der Kellnerin eine Cola mit einem Schuss Rum. „Für mich dasselbe“, sagte Sven und setzte diesen Blick auf, der Karin schon zur Gymnasialzeit den Boden unter den Füßen weggerissen hatte. Dann ging die Tür auf, und ein graumelierter Typ betrat die Szene. Suchend irrte sein Blick durch die Bar und blieb am Bistrot-Tisch hängen. Weil Karin niemals vermutete, dass es sich bei diesem älteren Herrn um ihre Internetbekanntschaft handeln könnte, beachtete sie ihn nicht weiter und amüsierte sich mit Sven und tauschte mit ihm Erinnerungen an die gemeinsame Schulzeit aus. Sven studierte mittlerweile im 5. Semester Medizin, und so hatten die beiden sofort ein gemeinsames Thema. Die Krankengymnastin und der angehende Arzt.
Rainer, der Karin wegen der Photos sehr wohl erkannt hatte, liess sich an einen Nebentisch sinken und bestellte einen Prosecco. Es versetzte ihm einen Stich ins Herz, die junge Frau so glückstrahlend sehen zu müssen, mit einem anderen Mann, den sie offenbar zufällig getroffen hatte. Also blieb Rainer nichts übrig, als sich in die Rolle des Beobachtenden, um nicht zu sagen, in die Rolle des Spanners zu versetzen.
Karin und Sven kamen sich immer näher, lachten beide schallend, schienen denselben Humor zu haben und dieselbe Vergangenheit aufleuchten zu lassen. Nach etwa einer Stunde erhoben sich die beiden, Sven bezahlte, und sie verliessen gemeinsam Egons Bar. Rainer bezahlte auch, und er war in ausgesprochen trüber Stimmung. Er hatte sich bereits vorgestellt, Karins Apfelbrüste streicheln zu dürfen, denn unter dem Nachthemd, in dem sie auf einem ihrer Fotos zu sehen war, vermutete er dralle, kecke Apfeltitten. In Rainer waren auf dem Weg zu Egons Bar Erinnerungen aufgebrandet, Erinnerungen an die Zeit damals, in der Badeanstalt, als er seine eigenen Schulkolleginnen unbeschwert betrachten durfte, wie sie fröhlich ihre Kronjuwelen preisgegeben hatten.
Die kalte Nachtluft tat Rainer gut. Karin hatte sich bei Sven eingehakt, und sie spazierten gemächlich die Bührenheimstraße hinunter, in Richtung des Häuserquartiers, in dem Karin in einer kleinen Wohnung im Erdgeschoß lebte.
In einem unbedachten Moment, so war es Karin bewusst, hatte sie Rainer ihre Wohnadresse preisgegeben. Eine absolute Todsünde bei Internet-Erstbekanntschaften mit Männern, wie sie eigentlich wusste und auch von ihren Freundinnen eingetrichtert bekommen hatte.
Lachend verschwanden die beiden im Hauseingang, bald darauf ging im Erdgeschoß, in einem Wohnzimmer, das Licht an. Rainer hatte genau zwei Möglichkeiten. Er hätte sich höflich entfernen und Karin und Sven sich selbst überlassen können. Oder er entschied sich fürs Spannen. Rainer entschied sich fürs Spannen. Der Abend war zwar kühl, aber nicht kalt, und hinter der Tujahecke hatte Rainer einen ausgezeichneten Blick in Karins Wohnung. Vorhänge hatte sie keine, offenbar war sie erst frisch eingezogen. Rainer musste nicht lange warten. Den Apéro hatten Karin und Sven bereits in Egons Bar genossen. Rum Cola.
Bevor Rainer auf fünf zählen konnte, nestelte Karin an ihrem BH. Das Blumenkleid hatte sie schon abgestreift.
Bis nach draussen konnte Rainer spüren, wie heiß Karin und Sven aufeinander waren. „Alte Liebe“, seufzte er und spürte, wie sich sein Zentralorgan regte. Kurz darauf versanken die beiden in einem Zungenkuss, während dem Sven Karins dichtes, langes Haar zerzauste. Rainer hätte mehrere Leben dafür gegeben, an Svens Stelle zu sein. Aber offenbar waren ihm in diesem Leben kein Frauenatem, keine Frauenaugen, kein Frauenhaar, keine Frauenlippen, kein Frauenhals, keine Frauenhände, keine Frauenfüße, kein Frauenbauch vergönnt.
Rainers Hals wurde trocken, als Sven sich komplett auszog, Karin an den Hüften hochhob und sie auf den Wohnzimmertisch setzte. Diese jungen Leute aber auch. Karins Slip war das letzte Hindernis; Sven fetzte ihn einfach weg, und da war sie, Karins intime, hübsch beflaumte Pracht. Karins Muschi. Karins Lustzentrum. Karins Mumu. Svens und Rainers Begehren. Sven fackelte nicht lange, mit Lecken oder so, und anscheinend mochte Karin es direkt. Wie lustvoll Sven seine Schulkollegin in den siebten Himmel vögelte, lässt sich nicht in Worte fassen. Mit jedem seiner Stöße entfernte Karin sich einen weiteren kleinen Schritt von Rainer, dem nichts anderes blieb, als in die Tujahecke zu spritzen, was ihm nun wirklich niemand verdenken kann.
Immerhin hatte er Gelegenheit, Karins Figur zu studieren, und er sah sich, was ihre Apfelbrüste angeht, in seiner Fantasie bestätigt.
Irgendwann erlosch das Wohnzimmerlicht, die beiden Turteltauben verzogen sich wohl in Karins Bett, wo es so richtig, richtig gemütlich war und so richtig, richtig zur Sache ging, wie Rainer sich problemlos vorstellen konnte. In frisch duftender Bettwäsche.
Er verzichtete nach diesem verunglückten Abend auf weitere Online-Kontakte zu Karin. Er hatte sie jetzt real, in freier Wildbahn, erlebt, sozusagen.
Aber Rainer hatte Hunger. Weiterhin einen unstillbaren Hunger nach einer Frau, die eines Tages bei ihm klingeln würde. Und sei es nur auf eine Tasse Tee.
Date zwischen Rainer und Karin
18 7-12 Minuten 0 Kommentare
Zugriffe gesamt: 5188
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.