Dendrophil

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Dendrophil

Dendrophil

Manuela Sauvageot

Sie ging den einsamen Weg hinunter und wandte sich bald seitwärts, um dem schmalen Pfad zu folgen, der sie in jenen Teil des Waldes führte, der selten von jemandem betreten wurde. Es war wie ein Pfad zu immer verlassenen Gründen, Orten, an denen sich die Natur noch austoben durfte und auch fleißig davon Gebrauch machte. Der Wald wurde immer ungepflegter, ungleichmäßiger, wilder. Mit Bäumen, die mit jedem Schritt den sie tat ihr Gesicht zu verändern schienen. Nachdem sie so die letzten Hürden der Zivilisation hinter sich gelassen hatte, und dieser Pfad nur noch ein schmaler, stellenweise kaum erkennbarer Wildwechsel war, zog sie ihre Schuhe aus und hängte sie an die Äste einer Fichte – sie wusste, dass sie später hier wieder vorüber kommen würde. Die nackten Füße tasteten sich mutig über die feuchten Moosposter, und nahmen gierig all die Veränderungen auf, die dieser Weg ihnen bescherte. Das luftige Kleid schwang um ihre Beine, schmiegte sich in die Innenseite ihrer Schenkel, und manchmal musste sie es hochnehmen um über umgestürzte Bäume – gefallene Kreaturen dieses Urwaldes – zu steigen. Zwischendurch lächelte sie nach links oder rechts, nickte wie zustimmend, ja fast als würde sie jemanden begrüßen, während ihr Blick über Stämme, Moose, Pilze und Sträucher glitt. Nur wenige, die sie begleitet hätten, würden vermutlich bemerkt haben, dass diese Gesten tatsächlich den verschiedenen Waldwesen galten, Nymphen, Elfen, Elementarwesen und anderen. Sie lauschte Stimmen und Tönen, die anderen verborgen waren, und die üblichen Geräusche des Waldes hatten einen erregenden Klang, der ihr Inneres vibrieren ließ. Das leichte Kleid tanzte wie hauchdünne Seide auf der Haut, mit jedem Anflug des Windes, mit jedem Schritt. Etwas begann in ihr zu wachsen, etwas das sie bereits hierher getrieben hatte. Es kam von innen und es kam von außen.
Als sie endlich in seine Nähe kam, schlich sie sich weiter, so gut versteckt, wie sie konnte. Sie wollte ihn überraschen, obwohl sie wusste, dass es zwecklos war – er würde sie längst bemerkt haben. Es war noch niemandem je gelungen, sich unbemerkt an ihn heranzuschleichen; aber vielleicht war es gerade dies, was sie es immer wieder versuchen ließ mit ihm zu wetteifern. Der Wind rauschte in den Kronen, als wäre er der Widerhall dessen, was sich allein durch ihre Annäherung in ihr regte - die Fantasie der Begierde ihrer wilden Lust. Ein Beben erschütterte sie und ließ sie unvorsichtig werden wie ein Kind, das die Spannung vor Weihnachten nicht mehr aushalten kann, wie eine Geliebte, die ihrem heimlichen Schatz entgegenstrebt. – Wie wahr!

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