Kapitel 59: Der Jutesack des Nikolaus’
„Heike lässt nachfragen, ob ihr ihr morgen Nachmittag helfen möchtet, die Nikolausstiefel in der Firma zu verteilen?“ Patricia hatte im letzten Jahr damit angefangen und konnte ihre Sekretärin dazu bewegen, in ihrem Auftrag diese kleine Anerkennung den Angestellten zukommen zu lassen. Pat selbst war in Brasilien unabkömmlich.
„Klar helfen wir!“ kam fast einstimmig von den beiden Andersson-Kindern. „Da brauchen wir wieder den Bollerwagen!“ Leon konnte sich noch gut an die Aktion im letzten Jahr erinnern.
Im brasilianischen Belem kamen in diesen Tagen die letzten Container mit Anlagenteilen an. Patricia Baumüller überwachte höchstpersönlich die Verladearbeiten, damit ja keiner der Container falsch geleitet wurde. Man wollte unbedingt noch vor Weihnachten die letzten Aufbereitungsanlagen fertigstellen.
In den vergangenen Tagen gab es im Nordosten Brasiliens sehr viel Regen bei Tageshöchsttemperaturen von um die dreißig Grad. Die Zusammenarbeit mit der hiesigen Transportfirma und der Gassner GmbH funktionierte nach anfänglich leichten Autoritätsproblemen inzwischen sehr gut. Auch hier konnte sich „Sra. Baumüller“ mit Kompetenz und überzeugendem Auftreten Respekt verschaffen.
Patricia, völlig durchnässt, stieg in den ersten LKW zu, der den Konvoi aus den drei Fahrzeugen anführen würde. Ihre kleine Reisetasche mit Wechselsachen lag im Pajero, der im Hafen mal wieder nicht anspringen wollte. Thomas würde, wenn er wieder läuft, damit nachkommen. Doppelt ärgerlich, da man u. U. einmal würde irgendwo Übernachten müssen. Patricia fühlte sich nicht so gut, da sich trotz eines BHs ihre Brüste doch sehr gut unter dem nassen Herrenhemd abzeichneten. Die einheimischen Männer arbeiteten überwiegend mit freiem Oberkörper. Diesem Vorbild schlossen sich mehr und mehr der männlichen Angestellten der Gassner GmbH an. Und die wenigen Frauen hatten auf den Baustellen dasselbe Problem wie auch Patricia mit dem Wet-Shirt-Effekt.
Natürlich bemerkte Pat, dass der Fahrer mehr auf sie und ihre Oberweite schielte als auf die Straße. Sie herrschte ihn an: “Olhe para frente, apenas para frente!” Was so viel heißt wie „Schau nach vorne, nur nach vorne!“
Der Fahrer grinste deutlich sichtbar in sich hinein. Er nahm sein Mobiltelefon und rief irgendwo an. Bei der Geschwindigkeit, wie ihr Fahrer mit seinem Gegenüber sprach, verstand Patricia kein Wort. Trotz der schwülen Wärme, die überall herrschte, fröstelte es Pat.
Etwa zehn Minuten später bog der Fahrer rechts ab. Nicht ohne zuvor mit der Hand die nachfolgenden Laster geradeaus zu lotsen.
„Não!”, protestierte Pat. “Direto em frente!” Patricia wollte auch geradeaus weiter.
Der Fahrer schüttelte nur kurz mit dem Kopf, sagte aber nichts. Die anderen beiden LKW fuhren weiter. “Was hat der vor?” Pat wurde mulmig. “Ich hab den bestimmt geil gemacht, so wie meine Titten sich zeigen!” Patricia überlegte schon: stillhalten oder sich nach Kräften wehren, sollte der Mann versuchen, sie zu vergewaltigen.
Zielstrebig fuhr der Fahrer ein etwas heruntergekommenes Haus an und hielt an. Er deutete Pat an, ruhig zu bleiben. Er stieg aus und ging in das Haus hinein.
Die wildesten Gedanken gingen Patricia durch den Kopf. “Deutsche Projektleiterin in Brasilien verschwunden!” war noch das Harmloseste. Bis zu vergewaltigt, gequält und zerstückelt war alles dabei. Dann kam der Mann wieder. In Begleitung einer Frau, einer älteren Frau. Sie hatte eine Jeans und auch ein typisches Arbeiterhemd auf dem Arm. Eine tonnenschwere Last fiel von Patricia ab. Die ältere Frau lachte und brabbelte fortwährend in ihrer heimischen Sprache. Im Haus konnte sich Patricia umziehen. Selbst ihr Slip war mehr als feucht. Dafür gab es aber keinen Ersatz. Sie hatte ein Handtuch bekommen und war sofort wieder ein anderer Mensch. Hemd und Hose waren zwar etwas groß, aber trocken! Ihre Kleidung wurde in ein Tuch eingewickelt, welches sie mitbekam. Nach einer Tasse Tee und x-maligem Bedanken ging die Fahrt weiter. Pat hatte der Frau 100 Real zugesteckt. Diese behielt das Geld erst nach einem bestimmenden Kopfnicken und “Por favor” von Patricia.
Jetzt hatte Pat auch nichts dagegen einzuwenden, dass der Fahrer gelegentlich zu ihr herüberschaute. “Schöne Frau...!” meinte er spitzbübisch in sehr gebrochenem Deutsch.
*****
Im Betrieb allein losziehen durften Leon und Clara mit dem Bollerwagen nicht. Aber überall, wo sie in Heikes Begleitung hinkamen, wurden sie freudig begrüßt. Wie schon im Jahr zuvor gab es Gummibärchen, Schokolade, jede Menge Münzen und auch einige Fünf-Euro-Scheine. Heike musste nichts machen. Die Kinder kannten sich aus. Und sie verteilten die Stiefel großzügig. Aber mindestens ein Drittel der Belegschaft war noch im Ausland bei den beiden großen Projekten beschäftigt. “Die lagern wir in Pats Büro!” antwortete Clara auf Heikes Frage, wohin mit den übriggebliebenen Geschenke-Stiefeln. Leon sicherte sich nicht nur seinen Nikolausstiefel, sondern einen zweiten. “Für meinen Freund Jannik!”, meinte er mit umwerfend liebenswerten Blick.
Martin brauchte, um die österreichische Dependance auf den technischen Stand der Firmenzentrale hier zu bringen noch zwei größere Maschinen und jede Menge an Investitionsmitteln für eigentlich jeden Bereich. Er hatte seine Bereichsleiter, wie wir wissen sechs an der Zahl, Wochenweise nach Österreich abgestellt, um den Betrieb schnellstmöglich in der selben Rentabilität betreiben zu können wie den Hiesigen.
Extrem vorteilhaft hatte sich die Übernahme zur Jahresmitte erwiesen, da durch geschickte Produktionsaufteilung die Großaufträge, die Pat, Andreas Gerstmeier und der Firmenchef selbst an Land gezogen hatten, beschleunigt fertiggestellt werden konnten. Dies wiederum sparte der Firma extrem viel Geldmittel, die sie nun zusätzlich investieren konnten.
Martin wollte aber langfristig den Standort Hallbergmoos eigenständig halten. Das hieß, dass man nicht auf Zulieferungen aus der österreichischen Dependance angewiesen wäre, sondern alle Komponenten weiterhin selbst produzieren würde. Seine Idee war, Standardaufträge in Österreich abzuarbeiten und die kniffligeren Sachen hier in der Firmenzentrale zu bearbeiten. Die Versuchsabteilungen wären damit in der Dependance nicht mehr, wie bei einer eigenständigen Firma, von nöten.
Patricia war mit Martin vollkommen einer Meinung. “Wir werden noch konkurrenzfähiger!”, schwärmte sie und nahm Martins Dank, die Übernahme so forciert zu haben, nur zu gerne entgegen.
Zwei Wochen noch, dann sollten die Arbeiten in Brasilien abgeschlossen sein und die Anlagen laufen. Das wäre der letzte Zeitpunkt für einen Rückflug der ganzen Truppe, um rechtzeitig noch vor Weihnachten wieder im heimischen Bayern zurück zu sein. Patricias Drohung, gemeinsam “Last Christmas” fernab der Heimat zu singen, anstatt die Feiertage im Kreis der Familie zu verbringen, stand noch immer im Raum. Dass der Rückflug für alle Angestellten bereits gebucht war, behielt Pat für sich. Aber auch der leitende Ingenieur Thomas Müller war zuversichtlich, die Arbeiten im Laufe oder noch vor dem 21. Dezember abgeschlossen zu haben.
*****
Wie zufällig waren am Abend auch Daniela und Gerhard bei den Anderssons in der Villa zu besuch. Es war schon dunkel draußen, als es an der Haustüre dreimal klingelte und irgendjemand ungeduldig gegen die Türe klopfte.
“Gehst Du mal...?” Nein, Olivia fragte nicht! Sie drückte ihren Wunsch aus, dass Clara die Haustüre öffnen sollte.
“Das ist bestimmt der...,” Clara und ihrem Bruder war durchaus bewusst, dass auch in diesem Jahr der Nikolaus ihnen einen Besuch abstatten könnte. Schon seit sie zu Hause waren drückten sie sich ein wenig schüchtern herum.
“Ich geh nicht!” beschloss die Sechsjährige und setzte sich demonstrativ auf das Sofa.
“Dann geh halt ich!” Leon schien furchtlos, dachte aber in diesem Moment nicht daran, dass draußen wirklich der Nikolaus stehen würde.
Der Junge riss die Türe auf und erstarrte. “Ho, ho!”, polterte der stattliche Mann mit dem weißen Bart gleich los. “Du bist Leon!”
Von unten herauf schaute der Vierjährige den heiligen Mann an und nickte.
“Keine Angst mein Junge!”, meinte der Nikolaus und fragte, ob er ihn nicht hereinbitten möchte.
Leon nickte erneut und lief voraus in das sehr geräumige Wohnzimmer. “Mama...!” Er kam dicht an Livia heran.
Der Nikolaus sollte den Kindern keinesfalls Angst einjagen. Und so lobte der stattliche Mann die positiven Seiten der Kids. “Du kennst Dich gut aus im Straßenverkehr!”, meinte er mit tiefer Stimme an Leon gewandt. Dieser hatte eine Standpauke erwartet, wegen seines Ausreißens. Ermahnt wurde er nur wegen des Hochkletterns auf den Baum, was ihm einen Anbruch seines Handgelenkes eingebracht hatte. “Wir wollen doch nicht, dass Dir etwas schlimmeres passiert!”
Danach war Clara an der Reihe. Der Nikolaus sprach davon, wie gut sie in der Schule ist und wie toll sie singen konnte. “Einen lieben Gruß soll ich Euch von eurer Mama ausrichten! Sie freut sich so sehr, dass ihr so brav seid!” Auch in diesem Jahr wollten die Anderssons die leibliche Mutter der Kinder nicht unerwähnt lassen.
“Sag ihr auch einen schönen Gruß! Und dass wir sie vermissen!” Leon nickte nur zu den Worten seiner Schwester.
“Und dass es uns gutgeht!”, fügte Clara noch hinzu.
Der Nikolaus strich beiden Kindern mit der Hand über die Wangen. “Nein, schimpfen muss ich nicht!” Man merkte, dass das Schicksal der Kinder auch den Menschen hinter der Verkleidung nicht kalt ließ.
“Ich weiß, dass ihr ein Gedicht gelernt habt! Wollt ihr das aufsagen? Ihr müsst aber nicht!” Beide, Clara und ihr Bruder, schüttelten den Kopf. Ihre Mama beschäftigte vor allem die ältere Clara. Und Leon war heilfroh, denn soo gut konnte er das Gedicht nicht!”
“Kannst Du, mein Kind,” er sprach Gerhard an, “meinen Stab mal kurz festhalten? Dann...”
Aus dem mitgebrachten Sack holte der Nikolaus für jedes Kind eine Tüte mit Nüssen und Süßigkeiten, und überreichte ihnen jeweils ein Päckchen mit, wie sich später herausstellte, einem heißersehnten Spielzeug darin.
Aber anstatt nun zu gehen, richtete der Nikolaus das Wort an Gerhards Frau. “Du bist also die gute Freundin der beiden Kinder?” Dabei ergriff er beide Hände der sitzenden Daniela und veranlasste sie aufzustehen.
“Ja, bin ich!”
“Du weißt, dass die Zwei dich lieben!”
Daniela nickte.
“Ich habe auch etwas für Dich!” Der Nikolaus holte einen Umschlag aus seinem Sack heraus und überreichte ihn der überraschten Frau.
“Clara und Leon möchten sich gerne ansehen, wo Du mit deinem Mann zukünftig leben willst...”
Daniela war kurz davor zu protestieren.
“Mein Kind;” sprach der großgewachsene Mann mit dem weißen Bart und der Mitra, “Der junge Mann,” er deutete auf Leon, “hat gesagt: Eine Tante in Finnland ist doch auch cool!”
“Stimmt das?” Daniela schaute ihren kleinen Freund eindringlich an. Dieser nickte nicht nur einmal.
“Du magst mir nicht glauben schenken...,” meinte der heilige Mann. “Frag die Kinder! Frag deine Freunde und hör auf deinen Mann!”
Mit einem lauten ”Ho, ho;” verabschiedete sich der Nikolaus. “Ich werde anderswo auch noch erwartet!”
Daniela war baff. Olivia ging auf sie zu und nahm sie kurz in den Arm. “Wir haben noch einmal Rat gehalten...!” Clara gab ihrer Mama recht. Und Leon auch.
“Mach auf!” Olivia deutete auf den Umschlag. Daniela setzte sich zuerst. Mit zittrigen Fingern entnahm sie sechs Flugtickets. Ziel: Helsinki. Datiert auf den 27. Dezember. Jeweils ein Ticket für Clara, für Leon, für Olivia, für Martin und natürlich für sie und ihren Mann. Gerhard würde allerdings einen Tag früher fliegen.
“Und ihr wollt wirklich, dass wir auswandern?”
“Nur wenn wir sagen, dass es dort schön ist!”, trötete Leon. “Und Du musst ein Zimmer für uns haben, dass wir Dich besuchen können!”, fügte Clara an.
*****
“André hat angerufen;” erzählte Olivia ihrem Mann, als sie nach dem ins Bett bringen der Kinder wieder im Wohnzimmer erschien und sich an Martin ankuschelte.
“Trefft ihr euch?”
Ich fliege am Montag wieder nach Vancouver. Er hat versucht mich mit Versprechungen heiß auf ihn zu machen.
“Was hat er denn versprochen?” Seine Frau hatte ihn nun neugierig gemacht. Nein, Martin war nicht eifersüchtig. Ein kleines bisschen vielleicht...?
“Eigentlich hat er mich gefragt. Er möchte mit mir Essen gehen und würde es scharf finden, wenn ich ihm dabei ganz offen am Tisch mein Höschen rüberreichen würde.
“Du machst das natürlich...”
Spätestens da wisse er dann, dass ich ihn mit aufs Zimmer nehme und...” Liv grinste verschmitzt, setzte sich Angesicht zu Angesicht auf Martins Schoß, schlang ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn sehr leidenschaftlich.
“Aber wenn Du nicht willst...” Olivia schaute ihren Mann fragend an.
“Was sagt denn seine Frau dazu?” Jetzt war es Martin, der grinste.
“Ich habe das Gefühl, er will es ihr nicht sagen!” Livs Mimik war umwerfend.
“Willst Du es ihr sagen?”, spekulierte Martin.
Olivia schüttelte mit kurzen Bewegungen ihren Kopf. “Vielleicht bekommt sie irgendwann einmal einen Tipp...?”
“Du findest ihn gut...?”
Liv überlegte kurz und antwortete: “Er hat was, im Bett...! Es war richtig geil mit ihm!”
Küssend drehte Martin ihre beiden Körper so, dass seine Frau unter ihm zu liegen kam. Er schob ihr Shirt über ihre Brüste hinweg nach oben. BH trug seine Pilotin keinen. “Du bist schön!” stellte Olivias Mann zum unendlichsten Male flüsternd fest. Das Ehepaar beschloss, nach oben zu gehen. “Aber erst ausziehen...!” war Martin Forderung!
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