Der Lehrling

Der Lehrling - Teil 1

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Der Lehrling

Der Lehrling

Darian Valberg

Immer wieder hörte man Annes hohes Kichern, wenn der Meister ihr irgendwas ins Ohr flüsterte. Als Anne einmal besonders Laut auflachte, schaute ich zu Marie hinüber. Ich wollte irgendwie wissen, wie sie reagierte.
Marie saß relativ entspannt auf ihrem Stuhl und nippte von dem Wein in ihrem Glas. Marie schaute jedoch gar nicht zu ihrem Mann und die Magd. Ihre Augen schauten über das Weinglas hinweg direkt zu mir. Der Blick war dermaßen intensiv, dass ich kurz wegschauen musste. Aber wie magisch angezogen wanderte mein Blick wieder zu ihrem. Sie hatte das Glas an ihrem Mund angesetzt und lasziv spielte sie mit ihrer Zunge an dem Glasrand. Ich war wie gebannt von dieser Frau. Aber ich riss meinen Blick wieder von ihr los und schaute auf meine Hände hinab.
Einen Moment später stand der Meister auf und alle anderen erhoben sich ebenfalls. Man verabschiedete sich zur Nacht und jeder ging seines Weges. Auch ich stieg die Treppe hinauf und verschwand in meiner Kammer. Ich zog mich aus, legte meine Kleidung über einen Stuhl und kroch in mein überaus bequemes Bett. Der Tag war lang und diese ganzen Ereignisse hatten mich müde gemacht. Schon kurz nachdem ich mich hingelegt hatte, war ich eingeschlafen.
Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen hatte. Irgendwann jedoch wachte ich auf, weil meine Blase voll war. Ich zog meine Schuhe an und suchte mir den Weg zum Abort, um mich zu erleichtern. Als ich zurückkam und leise die Treppe hinaufstieg, sah ich im blassen Licht, welches durch das Flurfenster fiel, den Umriss von meinem neuen Meister.
Er stand vor meiner Tür…nein… er stand vor Annes Tür, schaute kurz in Richtung von Maries Zimmer, öffnete die Tür und verschwand in das Zimmer.
Ich versuchte keine Geräusche zu machen, als ich in mein Zimmer ging und legte mich wieder in mein Bett. Mir gingen viele Gedanken über das heute Erlebte durch den Kopf. Kurz bevor ich einschlief, begann das rhythmische Klopfen an meine Zimmerwand. Nicht sehr laut, aber regelmäßig mit wechselnden Geschwindigkeiten. Schon nach wenigen Augenblicken wurde das Klopfen zusätzlich vom Stöhnen einer Frau untermalt. Sowohl das Klopfen als auch das Stöhnen wurden von Mal zu Mal lauter…oder vielleicht auch nur deswegen, weil ich immer intensiver hinhörte.
Ich merkte, wie meine Fantasie sich ausmalte, was nebenan vor sich ging. Gelegentlich habe ich schon gesehen, wie ein Mann bei einer Frau lag. Ich selbst jedoch hatte noch keinerlei Erfahrungen.
Mein Schwanz wurde hart bei all den Vorstellungen und ich stellte mir vor, ich wäre der Glückliche, der jetzt die zarte Haut einer Frau spüren durfte, die festen Schenkel, die sich um meine Taille legten und mich zu intensiveren Bemühungen anspornten. Ich versuchte mir vorzustellen, wie Annes Gesicht aussah, während ich auf ihr lag… und sah: Marie!
Überrascht riss ich die Augen auf! Die Ereignisse des Tages hatten mir wohl den Verstand verwirrt. Wie könnte ich auf diese Art an die Frau meines Meisters denken?
Die Überraschung wirkte tief und ich merkte, dass die Härte meines Schwanzes deutlich nachgelassen hatte und da Nebenan inzwischen ebenfalls Ruhe eingekehrt war, beschloss ich meinen Schlaf fortzusetzen. Die Nacht war kurz und der nächste Tag wird vieles von mir abverlangen.
Die nächsten Wochen waren erfüllt mit Arbeit. Meister Timm war eins mit seiner Arbeit. Er war streng, aber fair. Aber auch wenn er ein Riese von Mann war, konnte er selbst die feinsten Arbeiten mit einer Perfektion umsetzen, die einen in Erstaunen versetzten… und ich lernte viel. Auf der anderen Seite zeigte sich, dass Meister Sierich mich gut ausgebildet hatte. Nur selten musste Meister Timm eingreifen und wenn er dies musste, zeigte er mir den richtigen Weg, um die Aufgabe zu lösen. Es dauerte nicht lange und viele Handgriffe wurden gemacht, ohne dass der andere etwas sagen musste. Es war eine gute Zeit. Ich genoss das Vertrauen des Meisters und mein Selbstbewusstsein stieg mit jedem Hammerschlag, den ich auf das glühende Eisen schlug.
Frau Timm war eine Woche nach meiner Ankunft überraschend abgereist. Meister Timm erzählte mir, dass eine Nachricht von seinem Schwiegervater gekommen war. Er hatte einen Unfall und musste das Bett hüten. Marie Timm ist daraufhin zu ihrem Vater gefahren, um ihn zu pflegen und die Geschäfte zu führen.
Eines Abends nahm mich Meister Timm zur Seite und legte mir seine riesige Pranke auf die Schulter.
„Marie hat mir einen Brief geschickt.“, sagte Meister Timm und wedelte mit eine Stück Papier, „Ihrem Vater geht es wieder gut und sie möchte wieder zurückkommen. Sie bat mich, dass ich Conrad mit dem Pferdewagen nach Breitenbach schicke, um sie abzuholen. Ich habe jedoch Conrad, wie du weißt, vor drei Tage zur Eisenhütte geschickt, damit er die Bestellung abholt. Der wird mindestens noch zwei Wochen unterwegs sein.
Ich selbst habe gar keine Lust drei Tage nach Breitenbach zu fahren, Marie von ihrer buckeligen Verwandtschaft abzuholen und dann wieder drei Tage zurückzufahren…und dass noch mit Marie!“
Ich schaute Meister Timm ins Gesicht und sah, wie sein Grinsen immer breiter wurde.
„Als ich darüber so nachdachte, ist mir eben beim Essen eine blendende Idee gekommen!“, fing er an zu erläutern.
„Da wir momentan sowieso zu wenig Roheisen haben und wir Däumchen drehen, bis Conrad wieder zurück ist, habe ich entschlossen, dass du Marie abholen wirst!“
Meister Timm lachte auf und drückte mir die Schulter, sodass ich befürchten musste, dass mein Schlüsselbein gleich bricht.
„Morgen früh fährst du los!“, sagte er, drehte sich lachend um und ließ mich sprachlos stehen.
Ich lag in der Nacht lange wach. Ich war aufgeregt. Ich hatte so eine Fahrt noch nie allein gemacht. Aber auch, weil ich Frau Timm wiedersehen würde. Ich wusste es nicht wirklich. Vielleicht waren auch beide Gründe verantwortlich.
Ich stand am nächsten Morgen früh auf und spannte ein Pferd vor die Kutsche, packte ein paar Sachen ein, frühstückte und fuhr zeitig los.
Der Tag begann mild und versprach ein warmer, aber nicht zu heißer Tag zu werden. Genau das richtige Wetter, um eine Reise zu unternehmen.
Meister Timm hatte mir am Vorabend noch genau erklärt, wie ich nach Breitenbach fahren musste. Auch hat er nicht mit Informationen gespart, was ich tun sollte und was nicht. Ich genoss die Fahrt und verbrachte drei ereignislose, aber wirklich schöne Tage an der frischen Luft.
Am dritten Tag kam ich in Breitenbach an, als schon die Sonne unterging. Es war nicht sonderlich schwer, das Haus von Frau Timms Vater zu finden. Er besaß ein großes Anwesen direkt am Marktplatz des Ortes.
Ich fuhr durch das offene Tor in den Hof, stelle das Gefährt unter und versorgte das Pferd. Als alles zu meiner Zufriedenheit fertig war, fragte ich eine ältere Frau nach Frau Timm.
„Geh dort in die Schreibstube!“, erwiderte die Frau und deutete quer über den Hof auf eine Tür, „Sie geht gerade die Bücher ihres Vaters durch. Putz dir aber deine Stiefel gründlich ab… ich habe da vorhin erst gründlich sauber gemacht!“. Sie drehte sich um und ging ihrer unterbrochenen Beschäftigung nach.
Ich überquerte den Hof und als ich die Schreibstube erreichte, klopfte ich an die offenstehende Tür, um auf mich aufmerksam zu machen.
„Frau Timm?“, rief ich in die Stube, die um diese Zeit schon recht schummrig war.
Ich schaute mich um und sah im hinteren Bereich das flackernde Licht einer Laterne, welches sich zwischen den Regalen bewegte, die hier überall standen.
Der Lichtkegel wurde größer und aus einem Gang kam Frau Timm hervor. Das gelbliche Licht der Laterne beleuchtete ihr anmutig geschnittenes Gesicht und ich war einen Augenblick einfach nur überwältigt.
„Wer ist da?“, fragte Frau Timm und hob die Laterne über ihren Kopf um besser sehen zu können.
„Ich bin’s, Frau Timm! Jonas!“, antwortete ich und nahm meine Mütze vom Kopf.
„Jonas? Was machst du hier?“
„Meister Timm schickt mich! Er meinte, ich soll Sie nach Hause bringen. Conrad ist mit dem großen Wagen zur Eisenhütte und kommt erst in 2 oder 3 Wochen wieder. Der Meister selbst hat…“, ich zögerte einen Moment, „… hat eine wichtige Arbeit zu beenden, bei der ich ihm nicht helfen kann.“
Frau Timm schaute mir ins Gesicht. Das Licht der Lampe spiegelte sich lebhaft in ihren Augen und ich schaute mit offenem Mund hinein. Ich war so vertieft, dass ich gar nicht bemerkte, wie sie mir eine Hand auf die Wange legte.
„Du bist ein wirklich netter Kerl!“, sagte sie lächelnd, „Aber ich weiß ganz genau, dass mein Mann mich nicht abholen würde. Ich bin ihm egal. Also brauchst du mich auch nicht anlügen… auch wenn du es nur lieb meinst.“
Sie schaute mich noch einmal kurz lächelnd an und schob mich dann durch die Tür nach draußen. Sie schloss die Tür ab und ging hinüber zum Haupthaus.
„Weißt du schon wo du schlafen wirst?“, fragte sie mich im Gehen.
„Ich habe mir schon mein Bett auf der Ladefläche des Wagens gemacht. Da habe ich die letzten Nächte auch geschlafen. Es ist schön mit dem Blick in die Sterne einzuschlafen und da das Wetter zu dieser Jahreszeit einfach herrlich dafür ist, habe ich die Gelegenheit genutzt. Naja, heute wird der Stall mir den Blick verwehren, aber das ist nicht schlimm!“, erklärte ich.
Plötzlich überkam mich jedoch der Übermut.
„Ich habe eben zwei unvergleichliche Sterne gesehen, die werden ganz sicher reichen für heute Nacht!“
Marie Timm blieb abrupt stehen, drehte sich zu mir um und leuchtete mir mit der Laterne ins Gesicht.
Von mir selbst überrascht, schlug ich mir die Hand über den Mund. Ich stand mit weit aufgerissenen Augen vor Frau Timm und wartete auf das folgende Donnerwetter.
Frau Timm schaute mich an und legte ihren Kopf leicht schräg. Ohne Vorwarnung brach sie plötzlich in ein fröhliches Lachen aus. So sehr, dass sie sich an meinem Arm festhalten musste.
„Das war jetzt wirklich das Süßeste, was ich seit langer Zeit gehört habe!“, sagte sie, als sie wieder etwas Luft bekam. „Du bist ja ein wahrer Charmeur!“
Sie hakte sich bei mir ein und zog mich weiter. Ich war froh, dass es schon dunkler war und Frau Timm meinen hochroten Kopf nicht sehen konnte.
„Wir werden mal schauen, ob wir für dich noch etwas zu essen finden und dann sollten wir uns zur Nachtruhe begeben. Morgen haben wir zeitig loszufahren.“
Ich bekam noch ein schönes Stück kalten Braten, etwas Gemüse, reichlich Soße und einen Kanten Brot. Erst als ich alles verschlungen hatte, bemerkte ich, dass Frau Timm mir gegenüber Platz genommen hatte und mich beobachtete.
Mir war das unangenehm und ich wusste nicht, wohin ich schauen sollte.
Frau Timm stand jedoch einfach auf und ging zur Tür.
„Wir sehen uns dann morgen früh!“, sagte sie und fügte dann mit einem Augenzwinkern hinzu: “Träume schön!“
Am nächsten Tag stand ich wieder früh auf und bereitete den Wagen vor. Ich holte das Gepäck von Frau Timm aus dem Haupthaus und verstaute es sicher auf der Ladefläche. Ich hatte erwartet, dass es mehr Taschen werden würden, aber Frau Timm meinte, dass sie nur für die Tage unterwegs etwas braucht. Sie habe hier auch genügend Kleidung, die auf sie wartet.
Nachdem Frau Timm sich von allen verabschiedet hatte, half ihr auf den Kutschbock, setze mich neben sie und fuhr los.
Wie schon die letzten Tage war auch dieser Tag herrlich. Es war warm, fast schon zu heiß. Frau Timm hatte einen kleinen Schirm aufgespannt, um sich vor der Sonne zu schützen.
Wir redeten nicht viel und dieses Schweigen machte mir ihre Nähe nur umso deutlicher. Obwohl wir uns nicht berührten war mir ihrer Präsenz nur zu bewusst.
Gegen Mittag hielten wir an einem Gasthaus und aßen etwas von dem Eintopf, der hier angeboten wurde. Immer wieder erwischte ich mich, wie ich mit dem Essen innehielt und einen Blick auf Frau Timm warf. Ich war fasziniert von ihr. Ich schaute ihr Gesicht an und hatte das Gefühl, dass ich schon nach wenigen Blicken jede Nuance, jede noch so feine Kurve ihres Gesichtes kennen würde. Ich wollte meine Hand heben um ihr Gesicht zu berühren und nannte mich im selben Moment einen Narren. Meine Gedanken überschlugen sich. Ich musste akzeptieren, dass sie die Frau eines anderen Mannes war… die Frau meines Meisters. Marie Timm war mir so nah…und doch unerreichbar fern. Ohne weiter aufzublicken beendete ich mein Mahl und schon bald waren wir wieder unterwegs nach Hause.
Als wir so dem Weg folgten schaute mich Frau Timm plötzlich an beugte sich dann etwas zu mir hinüber und schnupperte vorsichtig in meiner Nähe.
„Wie lange trägst du die Kleidung schon?“, fragte sich mich plötzlich.
Ich schaute an mir hinab, überlegte kurz und sagte: „Erst seit 5 Tagen!“
„Aha…erst seit 5 Tagen! Naja, dann wundert mich nichts mehr.“, erwiderte Frau Timm. „Hast du noch frische Kleidung in deinem Gepäck?“
Ich schaute kurz an mir hinab und sagte dann: “Ich habe noch ein sauberes Hemd in meinem Beutel!“
„Das muss wohl reichen!“, antwortete Frau Timm, „Dort vorn… vor der Kurve, geht rechts ein kleiner Weg ab. Fahr dort rein!“
„Aber…!“. setzte ich an, wurde jedoch sofort unterbrochen.
„Wenn du nicht machst, was ich dir sage, werde ich den Wagen nehmen und du gehst zu Fuß! Du riechst so schlimm, dass mir die Augen tränen und die Luft wegbleibt!“, brauste Frau Timm auf.
Erschrocken sah ich sie kurz an und lenkte den Wagen in den angewiesenen Weg. Wir fuhren noch ein gutes Stück durch einen lichten Wald, der sich nach einer Weile öffnete und einem wunderschönen See Platz machte.
Wir hielten auf einer Wiese direkt am Ufer des Sees, ich spannte das Pferd aus, rieb es ab und band ihm die Vorderläufe zusammen. So konnte das Pferd fressen, aber nicht weglaufen.
„Such noch Feuerholz und entfach ein Feuer!“, wies Frau Timm mich an, „Wir werden heute hierbleiben. Ich werde uns etwas zu Essen aus unseren Vorräten machen!“
Sie kramte in einer der Taschen, holte ein Stück Seife hervor und warf sie mir zu.
„Und du wirst in der Zeit zum See gehen und ein Bad nehmen. Verwende die Seife ausgiebig. Ich denke, du kannst es gebrauchen!“

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