Der Zettel

2 20-32 Minuten 0 Kommentare
Der Zettel

Der Zettel

Yupag Chinasky

Der Aufzug war nicht groß und schon ein bisschen alt. Zum Glück hatte er nur eine Tasche dabei. „Wie man hier mit Koffer reinkommen soll?“, fragte er sich und drückte auf die Nummer drei. Der Aufzug rumpelte los und hielt mit einem Ruck. Das Zimmer war gar nicht so schlecht. Es war auch ziemlich klein, aber die Einrichtung war akzeptabel, wenn ihm auch die Tapete, ein stilisierter Wald mit vielen Stämmen, nicht so recht zusagte. Auch der Schnitt des Zimmers war eine problematische L-Form, weil ein Teil der eingebauten Nasszelle geopfert worden war: Waschbecken, Klo, Dusche mit Schiebetüren um die Ecke, nicht mehr neu, aber funktional. Die restliche freie Fläche des Zimmers wurde fast vollständig von einem breiten Bett eingenommen, wahrscheinlich wurde es auch als Doppelzimmer vermietet. Somit blieb gerade noch Platz eine Garderobe an der Wand, seltsamerweise gab es keinen Schrank, sowie vor dem Fenster mit Blick auf die breite Durchgangsstraße ein kleiner Schreibtisch. Zum Glück schien das Fenster solide zu sein, ein Doppelfenster mit extra Schallschutz vermutete er, denn er hörte den Straßenlärm gar nicht, erst wenn er das Fenster öffnete oder kippte, war er natürlich deutlich vorhanden. Mit einem Stoßgebet hoffte er, leise Nachbarn zu haben, keine schwerhörigen Alten mit unbezähmbarer Lust auf Dauerfernsehen, aber auch keine sexgeilen Jungen, die die ganze Nacht hindurch vögelten und ihre Emotionen nicht beherrschen konnten. Die Wände waren vermutlich dünn und hellhörig, da war er sich sicher, denn diese Art von Zimmern kannte er. Eine Nacht oder gar mehrere in einem Zimmer, in dem man alles hörte, konnte eine Tortur sein. Um so mehr wunderte ihn, dass es so teuer war, durchaus vergleichbar mit den Hotels, in denen er normalerweise übernachtete, die aber um Klassen besser ausgestattet waren. Er verließ das Zimmer und wollte noch einen kleinen Verdauungsspaziergang machen, die Gegend erkunden, aber sie war so trostlos und dermaßen uninteressant und es war natürlich auch schon dunkel, sodass er rasch wieder zurückkehrte. Die Nacht war wider Erwarten ruhig und er schlief sogar ganz gut, kein Straßenlärm, keine Geräusche aus den Nachbarzimmern und die Matratze des Betts schien von guter Qualität zu sein.

Beim Frühstück sah er sie zum ersten Mal. Er war spät aufgestanden und das Büfett, ohnehin nicht besonders ausgesucht, er hatte schon bessere, reichhaltigere erlebt, war bereits reichlich geplündert. Es waren noch ein paar Gäste da, nur ältere Männer, die ihn aber nicht interessierten. Er aß bedächtig, dann holte er sich eine der ausgelegten Zeitungen und begann konzentriert zu lesen. Als er wieder den Kopf hob, sah er sie. Sie saß an einem der Nebentische. Er hatte gar nicht gemerkt, dass sie gekommen war. Als sie sah, dass er sie überrascht anschaute, lächelte sie an,, wünschte ihm einen guten Morgen und sagte zu seiner Überraschung, dass er am Abend wohl noch nicht dagewesen sei. Er schüttelte den Kopf, aber sie vertiefte das Gespräch nicht weiter, sondern wandte sich ihrem Frühstück zu. Sie hatte schwarze lockige Haare, ein etwas mediterraner, fast schon maghrebinischer Typ. Ziemlich dunkle Haut und etwas streng drein schauende, aber nicht unfreundliche Augen. Auffallend an ihrer Kleidung waren die weinrote Bluse und ein sehr großer, beigefarbener gestrickter Schal, der um ihre Schultern drapiert war. Sie wirkte etwas abwesend, als sie ihr Müsli löffelte und im Joghurt herumstocherte und etwas verloren, als sie mit beiden Händen die Kaffeetasse umklammert hielt und von Zeit zu Zeit daran nippte. Sie schaute ihn nicht mehr direkt an, aber er warf ihr öfters verstohlene Blicke zu, wie um sich zu vergewissern, dass sie immer noch da war, denn irgendwie interessierte ihn diese Frau. Als sie später aufstand und an ihm vorbei zur Tür ging, hatte sie ein seltsames, wissendes Lächeln im Gesicht und sagte ziemlich beiläufig, „man sieht sich.“. Er war überrascht, antwortete aber nicht, sah ihr nur nach, sah nun, dass sie eine ganz gute Figur hatte, jedenfalls einen ausgeprägten Hintern in ihrer schwarzen, weiten Hose.

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 7213

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Gedichte auf den Leib geschrieben