Der Zettel

2 20-32 Minuten 0 Kommentare
Der Zettel

Der Zettel

Yupag Chinasky

„Woher kennt die meine Zimmernummer,“ ging es ihm durch den Kopf, als sich die erste Überraschung gelegt hatte. „Meinte die das so, was da geschrieben stand? Was will sie von mir? Vermutlich Geld, alles andere wäre zu schön, um wahr zu sein.“ Er sah auf die Uhr. Es war kurz nach acht. Bis neun hätte er Zeit, Zeit genug, um sein Essen in aller Ruhe zu beenden. Aber, warum dieser Zettel? Warum hatte sie ihn nicht angesprochen. Sie hätten alles in einem kurzen Gespräch klären können. Er hätte sie sogar zum Nachtisch eingeladen. Er würde warten, bis sie von der Toilette zurückkäme und sie dann ansprechen. Aber sie kam nicht und es war schon Viertel vor neun. Er sollte jetzt auf sein Zimmer gehen und sie auf jeden Fall erst einmal empfangen, diese seltsame Frau mit ihrem unkonventionellen Zettel. Er könnte ja dann immer noch sagen, sie solle wieder gehen. Aber wenn es tatsächlich stimmen würde, wenn er ihr tatsächlich gefallen würde, was dann? Er hatte von solchen Vorkommnissen gelesen, dass eine gut betuchte, unabhängige, liberale Frau sich spontan einen Mann für eine Nacht auswählte, ohne finanzielle Absichten, nur der sinnlichen Freuden wegen. So wie unzählige Männer, unzählige Frauen zu jeder Tages- und Nachtzeit auswählten und sie für ihre Liebe bezahlten. Wo gab es solche Situationen, in denen Liebe ohne Geld möglich wäre? Wo traf man solche Frauen? Vielleicht in angesagten Bars oder Diskos. Wo fanden Männer seines Alters, Frauen, die nicht nur wegen des Geldes mit ihm schliefen? Das war wohl nur im Märchen möglich, aber genau solch ein Märchen schien sich anzubahnen und eine der Hauptpersonen wäre er und die andere, diese Frühstücksfrau., Die Möglichkeit, dass ein Märchen wahr werden könnte, beschäftigte ihn sehr und schon die Vorstellung, dass sie tatsächlich kommen würde, machte ihn glücklich. Er bestellte rasch noch einen Whisky, keinen weiteren Rotwein, der wirklich gut war, aber er musste einen halbwegs klaren Kopf behalten und durfte dem süßen Schlaf, der ihn gewöhnlich nach einem solchen Diner, heimsuchte, keinen Zutritt lassen.

Um zehn vor neun ging er in sein Zimmer und wartete ungeduldig. Sollte er noch einmal duschen, für alle Fälle? Nein, dazu hatte er jetzt keine Zeit mehr und es war auch nicht nötig, er roch gut. Noch ein kleiner Whisky aus der Minibar, zur Zähmung er Neugier und zur Beruhigung der nun doch ziemlich aufgewühlten Nerven? Lieber nicht, er musste fit bleiben, schließlich erwartete sie ja etwas. Um neun geschah nichts. Auch um zehn nach neun war sie noch nicht da. Er war enttäuscht. Hatte sie ihn doch nur verarscht? Aber der Zettel war doch da, er vergewisserte sich, dass er in seiner Hosentasche war, und holte ihn heraus. Die Schrift, merkte er erst jetzt, war ziemlich rund und kindlich, jedenfalls sehr weiblich. War das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Er dachte noch darüber nach, als mit etwa fünfzehn Minuten Verspätung, jemand leise an die Tür klopfte. Er öffnete und da stand die Frühstücksfrau, diesmal ohne Schal und sagte, statt einer Begrüßung, „Vielen Dank, dass ich kommen durfte. Mein Name ist Angélique und wie heißt du?“ Aber es schien, als wollte sie weder seinen Namen wirklich wissen noch sonst etwas über ihn. Sie begann sofort und sehr professionell ihn zu umarmen, ihren Körper an seinen zu drücken. Als er den Mund aufmachte, um ein paar Antworten auf seine Fragen zu bekommen, legte sie ihren Zeigefinder auf seinen Mund und sagte, all die Nebensächlichkeiten könnten sie später besprechen, jetzt sollten sie lieber die Zeit nutzen und zum Wichtigsten kommen. Dann begann sie, sein Hemd aufzuknöpfen und seine Hose herunterzuziehen. Ob sie sich selbst ausziehen solle oder ob er es gerne täte, fragte sie ihn, der immer noch ziemlich perplex war, wie rasch und unkompliziert und ohne Verhandlungen und Absprachen und Geldforderungen die Sache ablief. Sie glaubte wohl, er sei etwas verunsichert und so zog sie sich, nachdem sie ihn entkleidet hatte, selbst aus. Nun standen sie nackt nebeneinander und umarmten sich im Stehen. Er merkte, dass seine Erregung sprunghaft anstieg, weil sie sich so an ihn drängte und abtastete, auch dort, wo es das Resultat besonders offensichtlich war. Viel zögerlicher als sie, begann nun auch er sie anzufassen und zu streicheln, erst ihre Schultern, dann den Rücken, den Po und schließlich auch die Brüste. Sie stöhnte, aber es kam ihm etwas gewollt vor. Nur als er sie küssen wollte, sagte sie, dass sie das nicht möge, und fügte gleich hinzu, dass sie ihm auch keinen Blasen würde, das möge sie auch nicht.

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 7549

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Gedichte auf den Leib geschrieben