Der Japaner

8. Der dritte Anruf des Engels

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Der Japaner

Der Japaner

Sweet Gwen

Onakin drängelt sich mit den Passagieren durch das enge Treppenhaus. Wann wird dieser Flughafen endlich fertig werden? In den letzten Monaten ist er hier schon durch jedes schmutzige Treppenhaus geschickt worden, das der Frankfurter Airport aufzuweisen hat. Der Beamte kontrolliert lustlos seinen deutschen Pass und blickt für 2 Sekunden zum Inhaber des Ausweises hoch. Ob es an der merkwürdigen Kombination von japanischem Vornamen und dem urdeutschen Nachnamen liegt, verrät er nicht. Onakin Mueller nimmt seinen abgegriffenen Ausweis zurück und geht in Richtung der Gepäckausgabe weiter. Den Nachnamen und die Statur vom Vater, das pechschwarze Haar, die Mandelaugen und den Vornamen erhielt er von der Mutter. Sein Vater lebt seit nun seit fast 35 Jahren in Japan und könnte sich nicht vorstellen, je wieder in Deutschland zu arbeiten. Als aber der Sohn gebeten wurde, das Kontaktbüro in Deutschland zur Deutschen Bank aufzubauen, war er ein glühender Fürsprecher. Also hat Onakin sich aufgemacht in das Land der Großeltern umzuziehen. Bei der Wohnungssuche und dem Möbeltransport hat ein Servicedienst geholfen. Für die Suche nach passenden Geschäftsräumen hat sich der Japaner selbst mit Maklern getroffen. Die Räume sind inzwischen angemietet und werden noch umgebaut.
"Feuerbachstraße", knapp bekommt der Taxifahrer seine Anweisung. Der Fahrgast faltet seine 1,95 Meter auf dem Rücksitz zusammen. Mit seiner Körpergröße hat er schon in der Schulzeit Aufsehen erregt. Aber nach jahrelangen Neckereien als Langnase und Sauerkrautfresser ist ihm das irgendwann egal geworden. Die Fahrt in die Innenstadt dauert lange und die Taxameteranzeige wird dreistellig. Schließlich öffnet der neue Hausbewohner seine Wohnungstür und trägt die beiden Koffer hinein. Es riecht nach frischer Farbe und neuen Möbeln. Angewidert öffnet Onakin die Fenster und lässt frische Luft herein. In dem weitläufigen Wohnzimmer stehen einige Kartons mit seinen Habseligkeiten herum. Unter den Schuhen knirscht Bohrstaub, als er in Richtung Essecke geht und an die Decke sieht. Die Handwerker haben ihre Aufgabe gut erfüllt. Im Beton stecken 4 Ösen aus zentimeterdickem Stahl in der Decke. Sauber in einem Quadrat von 2 Meter Seitenlänge angeordnet. Onakin öffnet einen der beiden Koffer, die er mitgebracht hat und wühlt im Inneren herum. Er klinkt den gefundenen Karabinerhaken mit einem kurzen Seil daran in eine der Ösen ein und lässt sein volles Körpergewicht schwungvoll daran baumeln. Diesen Haltbarkeitstest wiederholt er an allen Ösen, bis er sich lächelnd auf das Ledersofa fallen lässt und nach dem Poststapel greift. Die Musikanlage reagiert auf das Kommando der Fernbedienung und Mozarts 40. Sinfonie erschallt aus den mannshohen Lautsprechern. Unter den Klängen prüft Onakin die Absender der Briefe, von denen die meisten achtlos auf den Tisch zurückfliegen. Den Umschlag mit Absender "Belle de Jour" öffnet er interessiert.

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