Der Lolita-Effekt

Darkness is a state of light... Wolfsheim

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Der Lolita-Effekt

Der Lolita-Effekt

BeautifulExperience

Drei Schritte noch, eine allerletzte Anstrengung, meine Lunge zum Zerreißen gespannt. Gelingt es mir? Noch drei Wochen früher wäre es mir gleichgültig gewesen, doch jetzt hängt fast alles davon ab (zumindest scheint es so).
Tatsächlich, ich erreiche den Ball und ziehe mit aller Kraft, die ich noch habe, die Kugel nach innen, ganz in der Hoffnung, den eigenen Mitspieler zu finden, und ich wundere mich, als neben dem Pochen und Tosen in meinen Ohren plötzlich Jubel und Begeisterung zu mir dringt.
Aus dem Augenwinkel heraus, schräg auf der Seite liegend - ich muss weggerutscht sein, spüre ein leichtes Brennen an meiner Hüfte und bemerke klebrige Feuchtigkeit, als ich danach taste - erkenne ich den Torwart der Schülermannschaft, enttäuscht abwinkend und leise fluchend, der Ball hinter ihm im Netz. Frank Rendel und Michael Bönder stürzen auf mich zu, gratulieren mir zum für uns so wichtigen Ausgleichstor, reden von einer "klasse Aktion", doch ich nehme sie kaum wahr. Ich stemme mich hoch, hole tief Luft, wische meine blutverschmierte linke Hand an den Shorts ab und zwinge mich (während meine Augen so beiläufig wie möglich die Zuschauerränge streifen), so locker wie nur möglich in die eigene Spielfeldhälfte zurückzutraben.
Aufgefallen war er mir schon viel früher, so irgendwann im Laufe dieses Schuljahres, das mit dem heutigen Sommerfest nun endlich vorbei war.
Die neunte Klasse war eine einzige Tortur gewesen, beinahe Stress ohne Ende.
Die Boys mit ihren dummen Anmachen waren eine einzige Plage; es gab kaum noch eine Unterrichtsstunde ohne irgendeinen blöden Spruch, den man überhören oder kontern musste. Aber weshalb sich die Mühe machen? Die Jungs meiner Klasse waren mir gleichgültig, unreife Knaben, die jede freie Minute dazu nutzten, aufs Klo zu rennen und sich einen runterzuholen (und dazu noch so blöde waren, damit anschließend untereinander zu prahlen). Die aus der elften oder zwölften Klasse, die uns schon eher interessierten, waren aus anderen Gründen problematisch. Für die waren wir zwar nicht mehr ausschließlich Wichsvorlagen, und sie wussten schon, wie man ein Mädchen anspricht, ohne doofe Fratzen zu schneiden oder allzu coole Sprüche abzulassen.

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