Dunkelheit hat mich eingehüllt und die Wärme, die sich langsam in meinem Bett ausbreitet lässt mich meine eingerollte Position verlassen. Die Müdigkeit legt sich auf meine Lieder und ein letzter Blick auch die Radiouhr verrät mir, 22:47 Uhr....
Die Nacht ist noch nicht zu Ende, als ich die Augen öffne, um mich zu orientieren. Mein Schlaf war tief und ungestört. Die Trockenheit in meinem Mund sagt mir, dass ich bestimmt wieder heftig geschnarcht habe. Vielleicht bin ich auch davon erwacht, denn als mein suchender Blick die Ziffern des Weckers erkennt, stelle ich fest, dass ich kaum 4 Stunden geschlafen habe. Das nervt mich, denn ich fühle mich ausgeruht und jetzt bereits aufzustehen, mag ich nicht. Ich weis aber ganz genau, wenn ich versuche weiter zu schlafen, wird mich um halb sechs das Weckerklingeln wie ein Hammerschlag treffen und meine gute Morgenstimmung ist dahin. So hänge ich noch meinen Gedanken nach und Bilder der Vergangenheit ziehen an meinem inneren Auge vorbei.
In solchen Situationen werde ich dann richtig ärgerlich, wenn sich Situationen aus meinem Arbeitsleben immer wieder in den Vordergrund drängen. Ich habe da eben so meine Probleme mit dem Abschalten. Nur gut, dass die Bürobilder nun endlich durch meinen Sohn überlagert werden. Stolze Väter behaupten ja immer, dass die Kinder in die Fußstapfen der Eltern treten. Ich will dieses Klischee nicht bedienen, denn Fußstapfen sind ausgetretene Wege und so etwas war für mich schon langweilig. Nein mein Sohn ist in einigen Sachen schon viel besser als ich, denn ich sehe ihn in seiner (ehemals meiner) Wohnung herumhantieren.
Mit Mut zur Farbe hat er jedem Raum ein eigenständiges Flair gegeben und so den Charakter des Plattenbaus verbannt. Es freut mich auch, wenn er sich an mich wendet, wenn er Hilfe braucht.
Glücklich bin ich auch, als Bilder meiner Tochter auftauchen. Ihre Stimme und ihr Lachen lassen erneut Wärme in mir aufsteigen und zu einem Glücksgefühl anschwellen. Eigentlich ist es ja bis in die Schweiz nun nicht sooooo weit, doch bisher gab es immer gewisse "Begründungen" die Fahrt nicht auf sich zu nehmen, um so die Angst vor dem Wiedersehen und möglichen Vorwürfen zu unterdrücken. Irgendwie war es ja auch verständlich, dass sie als Tochter mehr von der Mutter beeinflusst wird, wenn eine Ehe nach fast 25 Jahren auseinander geht.
Um so lieber sind mir jetzt die Bilder von unserem ersten Zusammentreffen nach 4 Jahren. Ich will sie festhalten, doch sie verlieren sich und fallen wie welkes Herbstlaub in die Schwärze der Nacht.
Ein heller Punkt steigt auf und wird immer größer. Gleichzeitig profiliert sich das Schwarz der Fläche zur glänzenden Oberfläche eines Körpers. Der helle Punkt ist schon längst zum Weißblond einer Kurzhaarperücke geworden. Die wohl geformten Rundungen des Körpers, der gestreckte Rücken und die leicht gespreizten Beine, lassen gespannte Haltung erkennen. Fasziniert wandert mein Blick vom Nacken abwärts. Jeden Lichtreflex, der von dem schwarzen Leder ausgeht, welches diesen Frauenkörper straff umspannt, will ich in mir aufnehmen. Eine Linie auf den Oberschenkeln deutet den Rand der Stiefel an, in denen die Frauenbeine stecken. Absätze von schwindelerregender Höhe tragen den Körper und verleihen ihm ein majestätisches Aussehen.
Als sich die Stiefelspitzen mir zuwenden, vernehme ich das Pfeifen eines Peitschenschlages durch die Luft und ich weiche zurück. Als ich aufschaue erwarte ich das vertraute Gesicht meiner großen Liebe zu erkennen, doch ein Schleier verhüllt das Antlitz der Dame.
Von ihrem beherrschenden Blick getroffen, senke ich meine Augen. Abwärts wandernd sauge ich das Bild ihres Busens in mir auf. Von den Schalen des Korsetts geformt presst er gegen die schwarze Hülle des Leders und droht sie zu zersprengen.
Die Taille ihres Körpers wirkt durch die enge Schnürung zerbrechlich. Wie die Enge einer Sanduhr trennt sie den üppigen Oberkörper von den wohlgeformten Rundungen ihrer Hüften und Schenkel. Die faszinierende Stabilität des Ganzen erwächst aus der straffen Hülle de Korsetts und des handschuhweichen Leders, welche diesen eleganten Körper umschließt. Von diesem Anblick erfüllt, kann ich förmlich den Geruch des erwärmten Leders wahrnehmen. Aber es ist mehr in der Luft, als nur der animalische Dunst, welcher dem Leder entströmt. Immer stärker wird darin der Duft der Frau, die mich so fasziniert und mich immer weder magisch anzieht. Jede Sequenz diese Bilder nehme ich in mir auf und ich spüre die Erregung im wahrsten Sinne wachsen. Wie gern würde ich die Zeit zurück drehen und vorschnell getroffene Entscheidungen rückgängig machen wollen.
Wie lange ist es her, dass wir als Zaungäste dem strengen Dresscode folgend "unseren" Club besuchten. Zu spät habe ich erkannt, dass es eigentlich nur "meiner" war und Du nur aus Liebe zu mir "mitgespielt" hattest.
Ich weis, dass ich kein Fetischist bin, doch mich reizt das Besondere, das nicht Alltägliche, wo und in welcher Form es auch immer es zu finden ist.
Du wolltest mir folgen, doch ich hatte zu wenig Geduld und nun ist leider zu spät um Vergangenes aufzuwärmen. Wie sagst Du immer, "Wer sich für rechts entscheidet, entscheidet sich gegen links".
Doch irgendwann verblassen auch diese Bilder, weil sie trotz aller Wärme von Wehmut begleitet werden.
Ja ich bin ein Morgenmensch und Frühaufsteher. Gern sehe ich die Sonne aufgehen und genieße die Ruhe in der Stunde des Erwachens.
So hänge ich noch meinen Gedanken nach und spüre plötzlich eine Veränderung in mir aufsteigen. Meine Füße krümmen und strecken sich. Wie eine verkrustet Hülle fällt meine menschliche Gestalt von mir ab und wo eben noch meine Zehen waren erkenne ich die scharfen Krallen eines Raubvogels, mein sonst glatt rasierter Körper ist in ein dichtes Federkleid gehüllt und als ich erschreckt mit den Armen um mich schlage, wirft mich der Wirbel des Windes, den meine Schwingen dabei erzeugen fast um. Ein Schauder läuft mir über den Rücken, als ich im Halbdunkel des Schafzimmers in den Spiegeln der Schranktüren das Abbild eines sich putzenden großen dunklen Raubvogels erkenne. Mit dem mächtigen gebogenen Schnabel glättet er das Federkleid an der Spitze seiner rechten Schwinge. Als meine Zähne den Druck auf das weiche Etwas verstärken, ziehe ich erschreckt die Finger meiner rechten Hand zurück. Ich kann es kaum fassen und frage mich kopfschüttelnd noch einmal, ob ich wirklich wach bin. Mit einem kräftigen Ruck stoße ich mich ab und mit zwei Flügelschlägen erreiche ich das weit geöffnete Fenster. Ich kann es immer noch nicht fassen, denn eben noch fallend, tragen mich die Schwingen in einem sanft gebogenen Schwung durch den Garten und hinauf in die Lüfte.
Ich weiß nicht wie weit ich geflogen bin und wie lange ich schon unterwegs bin. Das Gefühl ist jedoch überwältigend. Ich hab das Meer und die Berge gesehen, bin über endlose Wälder gezogen und den Läufen der großen Flüsse gefolgt, bis mir dieses Haus auffiel zu dem es mich magisch hinzog.
Meine erste Landung war etwas holprig auf dem Dach gegenüber, doch es hat ja niemand gesehen, denn es ist noch dunkel für die Menschen. Nur ich kann alles bereits taghell wahrnehmen. Ein Fenster steht offen und ich schwinge mich mit Leichtigkeit hinauf. Vorsichtig teile ich die Gardine und gleite vorsichtig vom Fensterbrett. Überrascht erkenne ich, dass meine menschliche Gestalt zu mir zurückkehrt, als mein Fuß den Boden berührt.
So trete ich ganz vorsichtig ein und setze mich ganz still in eine Ecke und schaue mich um. Oh verdammt der Stuhl knarrt leise und jemand dreht sich im Bett um. Ich reibe mir die Augen und erkenne unser Schlafzimmer. Doch ich hab Glück und Du schläfst weiter. Leise und gleichmäßig höre ich Dich atmen. Dein Duft liegt in der Luft und ich sauge ihn tief in mich auf. Der Mond, der leider schon wieder am abnehmen ist, wirft aber genügend Licht ins Zimmer. Meine menschlichen Augen haben sich an die Dunkelheit gewöhnt und ich kann nicht nur die Umrisse Deines Körpers sehen. Ab und an bemerke ich ein leichtes Zucken Deiner Augäpfel unter den geschlossenen Liedern. Dein Gesicht ruht in Deiner Hand, nicht in der Pose des Nachdenkens oder abstützend, sondern schützend und irgendwie zärtlich Deine Wange streichelnd. Du streckst Dich und als sich Deine Lippen nur einen Spalt öffnen, werden sie von Deiner Zunge benetzt. Ich weis nicht wohin Dich Deine Träume tragen, doch ich sehe, dass es Dir gefällt und Dich innerlich bewegt. Von Neugier getrieben würde ich gern mehr erfahren und Dich in Deinen Träumen begleiten, doch Du hast Deine Decke bis zu den Ohren hochgezogen und Dich fest eingewickelt, so als gilt es sich zu schützen. Ich erkenne das Zeichen und stehe leise auf. So wie ich gekommen bin, verlasse ich Dein Zimmer ohne den Blick von Dir zu wenden. Wie gern hätte ich Deine Hand berührt, oder zärtlich Dein Gesicht gestreichelt, doch ich weis, jede noch so leise Berührung würde dich hochschrecken und das Schöne, was Dich umgibt vertreiben. Ich liebe Dich und so verlasse ich Dich auf leisen Sohlen und schwinge mich wieder in die Lüfte.
Noch dem Gedanken an ferne Welten folgend, die ich mit Dir erobern möchte, ruft mich der schrille Klingelton meines Weckers in die Realität zurück ......
Der Nachtfalke
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