Der Weg in die Freiheit

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Der Weg in die Freiheit

Der Weg in die Freiheit

Reneé Hawk

Wie an fast jedem Freitag saßen wir, mein Mann und ich, in unserer Stammkneipe. Mein Gatte hatte die Idee zu einer Wette. Wer zuerst von einer anderen Person angesprochen wurde und ein Drink spendiert bekommt, darf den ganzen Abend mit ihr verbringen. Er hatte sich schon ein Mädchen ausgeschaut und wollte so auf legitime Weise seinen Anker zum Seitensprung auswerfen. Aber ich, was war mit mir? Wieder wurde ich vernachlässigt von meinem Gatten. Das war so typisch, ich fühlte mich wieder zurück gesetzt, nicht aktuell, unscheinbar, hässlich und betrogen. Doch ich wollte nicht schmollen und spielte ihm eine Komödie vor. Ich ließ mich auf die Wette ein und verhandelte mit ihm die Spielregeln. Keine Eifersucht, kein böses Wort und keinen Streit, das waren meine Bedingungen die ich stellte, denn ich hatte schon eine ganze Zeitlang einen Mann beobachtet und der gefiel mir, wie er redete und wie er sich bewegte. Ich spürte in mir das Verlangen nach diesem Mann für nur eine Nacht. Ich versuchte einen Blickkontakt zu ihm aufzubauen, das gelang mir auch sehr schnell. Da merkte ich erst, dass er mich schon sehr lange zu beobachten schien. Mit meinen Augen versuchte ich eine Kommunikation herzustellen. Nervös rutsche ich auf meinem Barhocker hin und her. Meine Hände schwitzten und ich mußte immer lächeln wenn ich spürte, dass sein Blick auf mich fiel. Mein Mann wurde schon direkt in den ersten zehn Minuten angesprochen, aber das interessierte mich nicht. Ich hatte nur noch Augen für den Mann an der Bar. Sein schulterlanges graues Haar machte ihn noch interessanter und ich konnte dadurch sein Alter nicht einschätzen. Die Figur war sportlich, die Haut war leicht gebräunt und die blauen Augen leuchteten wie kleine Amethysten. Ich hörte sein Lachen, es war fröhlich und unbeschwert. Da nahm er sein Glas und kam langsam auf mich zu. Ich erstarrte vor Schreck und genau in diesem Augenblick sprach er mich an.
“Hi, ich heiße Rene und Du?”.
Vom Thekenlicht geblendet drehte ich mich ein wenig in den Raum hinein. Mit Zittern in der Stimme antwortete ich:
“Ich heiße Barbara.”, flüsterte ich mehr verlegen als deutlich.
“Ich habe Dich schon öfters hier gesehen und du gefällst mir.“, sagte er lächelnd und schaute mir in die Augen.
“Darf ich dich auf einen Drink einladen?”, fragte er mich und innerlich schrie ich: JA.
„Ja, sehr gerne.“, antwortete ich.
„Ist das dein Mann?“, wollte Rene wissen.
Ich nickte und schaute in Augen die mich jede Vernunft vergessen ließen.
„Hat er nichts dagegen?“
„Er muß eine Wette einlösen, er hat soeben verloren.“, antwortete ich strahlend und siegesbewusst. In mir brannte das Herz, ich fühlte mich selbstbewusst, interessant, reizend, sexy und als Mittelpunkt der kleinen Welt in der ich lebte. Zu meinem Mann rübergebeugt sagte ich:
„Das ist Rene, er hat mich zu einem Drink eingeladen. Du hast, glaube ich, die Wette verloren.“
Mein Mann verzog das Gesicht zu einer hässlichen Grimasse, ich hasste es wenn er lachte. Er nickte nur und wünschte mir viel Spaß. Doch den ganzen Abend über spürte ich die eifersüchtige Blicke meines Mannes in meinem Rücken.
Am Freitag darauf hoffte ich natürlich Rene zu treffen. Ich machte mich besonders hübsch zurecht. Kurzer Mini und kurze Bluse. Ja, ich sah sexy aus. Und er war da. Wir unterhielten uns über Gott und die Welt. Ich hatte nur noch Ohren für seine Stimme. Meinen Mann hatte ich an diesem Freitag nicht mitgenommen, er wollte mit Freunden ausgehen. Das war mir natürlich recht.
“Du, ich will nächste Woche auf ein Musikfestival, hast du Lust mitzukommen?” fragte mich Rene und das Lächeln ließ einfach kein Nein zu.
Ich stimme zu und wir verabredeten einen Treffpunkt außerhalb der Stadt, wo uns keiner kannte. Mein Mann, so wußte ich, wollte nächstes Wochenende seinen Bruder besuchen. Das würde bedeuten, dass ich ein ganzes Wochenende alleine mit Rene verbringen könnte, theoretisch.
Der Samstag war da. Endlich konnte ich mit Rene etwas erleben. Ich war bereits dreißig Minuten vor der verabredeten Zeit an unserem Treffpunkt und trank schon die dritte Tasse Kaffe. Unter meinem Sommerkleid hatte ich nichts außer meine nackte Haut und ein Hauch Parfüm.
Als Rene zur Tür herein kam dachte ich mein Körper erbebte. Nach einer weiteren Tasse Kaffee fuhren wir gemeinsam zu der Veranstaltung. Die Kneipe war dunkel, dreckig und der Geruch von Hasch lag schwer in der Luft. Wir tranken jeder ein Bier und schauten uns verlegen und schüchtern in die Augen. Von der Musik war kaum etwas zu hören und die Leute waren unangenehme Zeitgenossen. Rene schlug vor, zu ihm nach Hause zu fahren, er hätte noch eine Flasche Wein im Keller und es wäre bestimmt angenehmer, sich in gemütlicher Atmosphäre zu unterhalten. Ich stimmte zu, denn ich konnte es kaum erwarten, mit ihm allein zu sein.
Seine Wohnung war eine stillgelegte Ziegelei und in seinem Atelier befand sich die Küche. Die karge Einrichtung hatte etwas von einem Abenteurer, Weltenbummler - der niemals zur Ruhe kam. Die Statuen standen herum, der Staub lag dick um den Holzblock in der Mitte des gigantisch großen Raumes. Die Halle war erfüllt mit Düften, ein Gemisch aus geschlagenem Stein, gehacktem Holz und glühend heißem Eisen. Mein Blick glitt über die einzelnen Arbeiten, Figuren aus Marmor, Holz und schmiedeeiserne Kunstobjekte. Boote, Menschen, Tiere und Alltagsgegenstände wie Stuhl, Spiegel oder auch Telefon und so weiter standen überall verteilt.
Rene rief mich zu sich in einen Teil der Küche, wir saßen am Küchentisch und sprachen über Träume, Vergangenheit und verlassene Liebe. Wir versanken in unser Gespräch und merkten nicht wie die Zeit verging.
Mit meinem Augen dirigierte ich ihn zu mir. Er nahm sein Stuhl und kam um den Tisch. Nun sahen wir uns Auge in Auge. Mein Verlangen nach ihm wuchs mit jedem Augenblick ins unendliche. Seine Hände wanderten von meinem Knie hinauf zu meinem Schultern, ich schloss die Augen und spürte seine Berührung wie einen Windhauch. An meinen Wangen entlang folgten seine Hände einer gerade Linie bis zu meinem Hals. Zärtlich zog er mich zu sich heran und küsste mich mit Leidenschaft. In meinem Kopf klang noch seine Stimme, die zärtliche Wortspielereien in mein Ohr hauchte. Gefühlvoll umstreichelte er mit einer Hand meine Wangen und glitt langsam mit der anderen Hand zu meinem Busen. Ich spreizte meine Beine und erlag einem Gefühl der Unwiderstehlichkeit. In seinen Armen konnte ich mich fallenlassen, auch wenn es nur für eine Nacht war. Langsam knöpfte er mein Kleid auf und seine Lippen lösten sich von meinen, dann streiften sie meinen Hals hinunter zu meinem lüsternen Busen. Mit Gier begann er an ihnen zu saugen und sie zu massieren. Ich knöpfte sein Hemd auf und ging weiter, viel weiter als ich hätte dürfen. Ich öffnete seine Hose und wollte alles von ihm. Der Glanz in meinem Blick verriet ihm, dass er mich hemmungslos nehmen durfte. Vergessen waren alle Alltagsgedanken. Keine Sekunde dachte ich an meinen Mann, ich war im Begriff ihn zu betrügen und ich genoss es. Die Zärtlichkeit von Rene brachte mich zur Ekstase und weit darüber hinaus. Wir lagen uns in den Armen und überließen uns der Lustbarkeit des Augenblickes. Ich spürte den kalten Steinboden und den Staub in meinen Haaren während wir uns der hemmungslosen Liebe hingaben, inmitten des Ateliers umgeben von Marmorfiguren und Handwerksgeräten. Diese Atmosphäre beflügelte mich, ich fühlte mich von der Muse geküsst. Ich ließ mich fallen, fallen in warme, weiche Arme. In meinem Körper begann sich eine Explosion anzukündigen. Gedankenverloren überließ ich mich der Wildheit meines Körpers. Das Blut brodelte und pulsierte immer heftiger mit jeder Berührung seiner feingliedrigen Hände. Behutsam nahm er mich zu seiner Geliebten. Sanft wiegte er mich zum Ausbruch meiner innersten Gefühle. Ein Sturm der Leidenschaft überfiel mich und ich spürte seine Männlichkeit mit jeder Bewegung tiefer und zärtlicher in mir. Dieser Akt der Lust und Gier wiederholte sich immer wieder, wir fanden keine Ruhe voneinander. Ich musste ihn besitzen, immer und immer wieder. Mein Kopf war frei, das erstemal seit langer Zeit frei von Gedanken an die Zukunft und an Zuhause. Ich fühlte mich in dieser Nacht befreit.
Am nächsten Morgen saßen wir gemeinsam am Küchentisch und lächelten uns über den Tassenrand hinweg zu. Er fragte mich nach meinen Gedanken, lächelnd stellte ich die Tasse zur Seite und überlegte, ob ich ihm wirklich alles erzählen sollte. Ja, Rene befreite mich von einem inneren Zwang, die vergangene Nacht machte einen anderen Menschen aus mir. Ich fühlte meine Freiheit, mit jedem weiteren Blick spürte ich, dass ich aus allen konservativen Räumen brechen müsse. Ich nahm eine Zigarette, zündete sie an und zog den Rauch tief ein.
„Ich werde mich scheiden lassen.“
Rene schaute mich entgeistert an, er war sichtlich geschockt und zog sich etwas zurück.
„Wegen mir?“, fragte er.
„Nein.“, antwortete ich knapp.
„Und warum?“, wollt Rene wissen.
„Du zeigtest mir gestern, dass es mehr im Leben gibt als meinen täglichen Zwang, meine Ehe, mein trostloses Leben an der Seite eines Mannes, von dem ich nie genau wusste, ob er mich wirklich liebt. Du zeigtest mir den Weg in meine Freiheit.“
Im Rückblick auf diese Nacht kann ich sagen, sie hat mir die Freiheit gebracht. Ich verwirklichte meine Scheidung und ging nach Deutschland zurück. Meine innere Ruhe wurde noch einmal durch eine heftige Beziehung aufgewühlt doch mein einziger Hoffnungsschimmer der Zufriedenheit war immer der Gedanken an diese eine Nacht in Rotterdam.

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