Wie an fast jedem Freitag saßen wir, mein Mann und ich, in unserer Stammkneipe. Mein Gatte hatte die Idee zu einer Wette. Wer zuerst von einer anderen Person angesprochen wurde und ein Drink spendiert bekommt, darf den ganzen Abend mit ihr verbringen. Er hatte sich schon ein Mädchen ausgeschaut und wollte so auf legitime Weise seinen Anker zum Seitensprung auswerfen. Aber ich, was war mit mir? Wieder wurde ich vernachlässigt von meinem Gatten. Das war so typisch, ich fühlte mich wieder zurück gesetzt, nicht aktuell, unscheinbar, hässlich und betrogen. Doch ich wollte nicht schmollen und spielte ihm eine Komödie vor. Ich ließ mich auf die Wette ein und verhandelte mit ihm die Spielregeln. Keine Eifersucht, kein böses Wort und keinen Streit, das waren meine Bedingungen die ich stellte, denn ich hatte schon eine ganze Zeitlang einen Mann beobachtet und der gefiel mir, wie er redete und wie er sich bewegte. Ich spürte in mir das Verlangen nach diesem Mann für nur eine Nacht. Ich versuchte einen Blickkontakt zu ihm aufzubauen, das gelang mir auch sehr schnell. Da merkte ich erst, dass er mich schon sehr lange zu beobachten schien. Mit meinen Augen versuchte ich eine Kommunikation herzustellen. Nervös rutsche ich auf meinem Barhocker hin und her. Meine Hände schwitzten und ich mußte immer lächeln wenn ich spürte, dass sein Blick auf mich fiel. Mein Mann wurde schon direkt in den ersten zehn Minuten angesprochen, aber das interessierte mich nicht. Ich hatte nur noch Augen für den Mann an der Bar. Sein schulterlanges graues Haar machte ihn noch interessanter und ich konnte dadurch sein Alter nicht einschätzen. Die Figur war sportlich, die Haut war leicht gebräunt und die blauen Augen leuchteten wie kleine Amethysten. Ich hörte sein Lachen, es war fröhlich und unbeschwert. Da nahm er sein Glas und kam langsam auf mich zu. Ich erstarrte vor Schreck und genau in diesem Augenblick sprach er mich an.
“Hi, ich heiße Rene und Du?”.
Vom Thekenlicht geblendet drehte ich mich ein wenig in den Raum hinein. Mit Zittern in der Stimme antwortete ich:
Der Weg in die Freiheit
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