Es waren aber nicht nur die Mädchen, die ihm Probleme bereiteten und ihn in Wut versetzten. Es waren andere Dinge, die ihm regelrecht Angst machten. Schon im Spätsommer, als die Welt noch in Ordnung schien und die glückliche Zeit mit Jessi gerade angefangen hatte, die für ihn zu einer Insel der Seligkeit geworden war, hatten sich dunkle Wolken zusammengebraut, die langsam sein Leben immer mehr verdüsterten. Die gesamte Konjunktur war eingebrochen, die Bankenkrise hielt die Welt in Atem und die Auswirkungen dieser Turbulenzen erfassten auch seine Firma. Deren Geschäftsmodell basierte auf der Entwicklung, Einrichtung und Pflege von EDV-Programmen für kleinere Unternehmen und Banken und naturgemäß traf die Krise eine solche Firma besonders hart und besonders früh. Die Geschäftsleitung führte Anfang November die ersten Maßnahmen durch, um die neue Situation in den Griff zu bekommen. Ein Team bewertete und kategorisierte alle laufenden Projekte. Manche wurden sofort sang- und klanglos aufgegeben, andere wurden auf Eis gelegt und wieder andere sollten, auf Teufel komm raus, durchgezogen werden, um wenigstens noch etwas Geld in die Kasse zu bekommen. Die Einteilungen hatten weitreichende Konsequenzen für die Mitarbeiter. Diejenigen mit Projekten in der ersten Kategorie mussten bangen und hoffen, nicht gleich entlassen zu werden, ansonsten traf für sie dasselbe zu, wie für diejenigen mit Projekten in der zweiten Kategorie. Ihnen wurde Kurzarbeit angeordnet und sie wurden verdonnert, ihren restlichen Urlaub noch im laufenden Jahr zu nehmen. Diejenigen mit Projekten in der dritten Kategorie mussten dagegen alle Urlaubspläne absagen und sich bereit erklären, Überstunden zu machen. Eine schizophrene Situation, wie viele fanden, die einen wurden zum Nichtstun verdonnert, die anderen kamen vor lauter Arbeit um. Anscheinend kam niemand in der Geschäftsleitung auf die naheliegende Idee, den restlichen Kuchen gleichmäßig und gerecht zu verteilen. Aber so war es nun mal, der Vorstand hatte entschieden und auch der Betriebsrat war trotz seiner Proteste weitgehend machtlos. Sein Projekt, das angeblich so dringend war und ihn so viel Kraft und Zeit gekostet hatte, landete zu seinem Glück, aber auch zu seinem Ärger in der zweiten Gruppe. Ihm blieb noch die Hoffnung, aber er musste postwendend seinen ganzen Jahresurlaub beantragen, da er bisher wegen der angeblichen Dringlichkeit seines Projektes noch keinen einzigen Tag Urlaub genommen hatte. Nun stand er also vor dem Problem, volle sechs Wochen so rasch wie möglich zu verbraten, denn was nach dem Jahresende noch übrig war, verfiel. Seine Frau war naturgemäß unabkömmlich und eine gemeinsame Ferienreise, sofern er sie überhaupt in Erwägung gezogen hätte, stand gar nicht zur Diskussion. Er wollte aber auf keinen Fall sechs Wochen lang untätig zu Hause herumsitzen, konfrontiert mit der permanenten Unsicherheit und dem Neid auf die überbeschäftigten Kollegen. Er kam zu dem Schluss, dass er unbedingt eine Ablenkung brauche, dass er möglichst weit wegmüsse, um dem ganzen Scheiß hier für eine Weile zu entfliehen. Deshalb traf es sich günstig, dass ihm ein Zettel am Schwarzen Brett der Kantine auffiel. Ein Kollege aus der Kategorie drei, also einer mit Urlaubsverbot, suchte verzweifelt jemanden, der seinen bereits gebuchten und bezahlten Urlaub übernehmen könnte. Er sprach den Kollegen an und ließ sich ein paar Einzelheiten schildern. Fünf Wochen Thailand, eine Woche Rundfahrt, dann vier Wochen Strandurlaub in Pattaya. Er wisse doch, was ihn da erwarte, fragte ihn der Kollege vorsichtshalber. Nicht so recht, war seine Antwort. Das würde er vor Ort schnell merken, meinte der Kollege, der einerseits wegen seines entgangenen Urlaubs sichtlich enttäuscht, andererseits aber froh war, dass er noch Arbeit hatte und weiterhin gutes Geld verdienen würde und vor allem, dass er doch noch jemanden gefunden hatte, der seinen Urlaub übernahm. Er sei schon einmal in Thailand gewesen, vier Wochen Pattaya, das sei einfach umwerfend gewesen und deswegen wollte er unbedingt wieder hin. Er wolle ihm nur sagen Stress pur, aber Superstress von der angenehmsten Sorte und er wünsche ihm dasselbe Vergnügen, das er dort gehabt hatte und dass er halt im nächsten Jahr nachholen würde.
Noch am selben Tag veranlasste der Kollege die Umbuchung der Reise und er informierte sich im Internet, wie der Stress aussehen würde. Die Aussichten schienen in der Tat verlockend, aber die rechte Freude wollte in ihm dennoch nicht aufkommen. Die Ungewissheit, was er nach seiner Rückkehr vorfinden würde, trieb ihn um und neben der Angst, machten sich Wut und Ärger breit. Wut über die Ungerechtigkeit der Arbeitsverteilung, dieses alles oder nichts. Ärger wegen der Erkenntnis, dass sein Projekt, in das er so viel Gehirnschmalz und Zeit investiert hatte, von jetzt auf nachher nichts mehr galt. Und, so schloss er messerscharf, dass auch er nicht mehr viel gelten würde.
Als er seiner Frau die Reisepläne mitteilte, vorsichtshalber erst, als sie schon unter Dach und Fach waren, war diese alles andere als begeistert. Sie fühlte sich von ihm schlicht und einfach im Stich gelassen, in einer Situation, die ihr über den Kopf zu wachsen drohte. Ihre Eltern kamen mit ihrem Alltag nicht mehr zurecht, anscheinend hatte Alzheimer sie synchron erfasst. Fehler, Missverständnisse, sogar gefährliche Situationen häuften sich. In der Wohnung herrschte Chaos, sie aßen kaum noch und mehr als ein Mal berichteten ihr Nachbarn, dass der eine oder die andere orientierungslos im Ort umhergeirrt sei. An einem Heim führte kein Weg mehr vorbei, obwohl sich die beiden Alten vehement dagegen wehrten. Ausgerechnet in dieser kritischen Phase, in der viele Entscheidungen anstanden, in der sie Rückendeckung und Zuspruch nötiger denn je brauchte, wollte ihr Mann sie allein lassen. Bisher war er wenigstens noch da und sie konnte mit ihm reden, auch wenn er sie meistens schroff abwies und ihr klar machte, dass er selbst genug Probleme habe, was ja auch stimmte. Doch diese Flucht, diese Feigheit, wie sie fand, ärgerte und kränkte sie, sie fühlte sich verschaukelt und in keiner Weise verstanden. Ihre Beziehung litt massiv und sank auf einen noch nie da gewesenen Tiefpunkt. Doch dieser sollte nochmals unterschritten werden, allerdings war er da schon weg, auf Rundreise in Ostasien. Auslöser der, wie sich zeigen sollte, existentiellen Beziehungskrise war ein technischer Defekt. Sie konnte ausgerechnet an einem Wochenende ihren Laptop nicht mehr starten, der Akku war leer und das Ladegerät hatte den Geist aufgegeben. In ihrer Not, sie musste dringend einige e-mails im Zusammenhang mit der Heimsuche für ihre Eltern erledigen, nahm sie den Laptop ihres Mannes, was sie normalerweise nicht getan hätte, denn beide respektierten die Privatsphäre des anderen, aber dies war ein Notfall. Sie bearbeitete ihre Mails, surfte eine halbe Stunde im Internet und wollte den Laptop schon wieder ausschalten, als ihr ein Thumbnail auffiel, eines dieser winzig kleinen Vorschaubilder. Es zeigte zweifelsohne das Gesicht ihres Mannes, aber nicht nur sein Gesicht. Sie klickte darauf und öffnete das Bild. Da lag er, auf einer roten Decke, grinste etwas dämlich in die Kamera und hielt mit einer Hand offensichtlich ein Handy mit dem anderen Arm hielt er eine Frau umklammert, eine kleine, schwarze Frau, fast noch ein Kind. Beide waren nackt. Ihr erster Gedanke ging in Richtung Kinderprostitution, aber es war kein Kind, das sich eng an ihn kuschelte und fröhlich, wenn auch etwas angestrengt in die Linse schaute. Sie klickte noch ein paar weitere Bilder der Serie an, dann schloss sie wütend den Deckel des Laptops.
Der Urlaub in Thailand war nicht so, wie er ihn sich vorgestellt hatte. Die Rundfahrt am Anfang war noch interessant und abwechslungsreich, aber Pattaya war schon nach kurzer Zeit langweilig. Der von seinem Kollegen angekündigte Superstress hielt sich in Grenzen, obwohl die Möglichkeiten in der Tat zahllos waren und er auch keineswegs vorhatte, wie ein Mönch zu leben. Aber es trat ein, was schon mit Naomi passiert war, an die er manchmal dachte, aber mehr noch dachte er an Jessi und an die rote Couch und an die unbeschwerten, langweiligen Stunden am Samstagnachmittag. Er konnte nicht richtig abschalten, die Probleme, die ihn daheim erwarteten, ließen ihn nicht los, die Arbeit, die Schwiegereltern, der Zoff mit seiner Geliebten. Von wegen Entspannung, von wegen Abschalten, Vergessen, neue Kräfte sammeln, neuen Mut tanken. Hinzu kam, dass er nicht der Typ war, der saufend, bumsend und pennend den Urlaub verbrachte, jedenfalls hatte er das noch nie gemacht. Aber hier, in diesem bescheuerten Pattaya, konnte man kaum etwas anderes tun und er fragte sich, warum er sich auf diese Reise, auf diesen Blödsinn eingelassen hatte. Die Sonne war zu heiß, schon am ersten Tag hatte er sich einen kräftigen Sonnenbrand geholt, der ihn lange plagte. Hinzu kamen allerlei sonstige Ausschläge und allergische Reaktionen auf die zahlreichen Mückensticke in den Abendstunden. Das Essen mochte er nicht, nicht einmal das angeblich kontinentale Frühstück. Nachts konnte er schlecht schlafen, weil es immer noch heiß war und ihn Alpträume plagten. Die Klimaanlage hatte er nur in der ersten Nacht angeschaltet, danach hatte er eine satte Erkältung, die ihn längere Zeit begleitete, genauso wie die Durchfälle, die sich regelmäßig einstellten, obwohl er sich mit dem Essen sehr in Acht nahm und fast immer nur gebratene Hühnchen mit Pommes bestellte, ein Gericht, bei dem man eigentlich nichts falsch machen konnte. Sein einziger Trost war das Bier. Es schmeckte gut, war immer und überall schön gekühlt erhältlich und zudem außergewöhnlich billig. Am Anfang hatte er Mädchen mit auf das Zimmer genommen, aber diese kleinen, schmalen Asiatinnen waren nicht sein Typ. Er bildete sich ein, dass ihre Vagina zu klein für einen mitteleuropäischen Schwanz sei, obwohl die Erfahrung mit seiner Jessi ihn eines anderen gelehrt haben sollte. Jedenfalls hatte es mit den Girlies einfach nicht richtig funktioniert. Sein Fleisch blieb schwach, die Kondome rutschten herunter, er war immer darauf bedacht, diesen Schutz zu benutzen, und die orgiastischen Höhepunkte wollten sich einfach nicht einstellen. Die Versuche blieben unbefriedigend, und weil er keine Lust auf spöttische Blicke, dumme Fragen oder scheinheilige Mitleidsbekundungen hatte, unterließ er weitere Versuche.
So blieb er weitgehend abstinent, aber der Anblick der vielen, scheinbar glücklichen Paare, die vielen Daddys mit ihren minderjährigen Töchtern, die Händchen haltend vor den Bars saßen und alle so zufrieden in die Welt schauten, ließen ihm dann doch keine Ruhe. Er ging noch einmal auf Suche und fand auch eine Thailänderin, die schon etwas älter war, aber immer noch ganz gut aussah, eine die nicht gar so schmal war, sondern eher stämmig, ein hübscher Busen und einen strammen Hintern hatte und auch noch ganz passabel Englisch sprach. Es war eine der Frauen, die mit ihrem Körper für ihren eigenen Lebensunterhalt und den ihrer schon fast erwachsenen Tochter sorgen musste, ohne dass man sie voreilig als Prostituierte bezeichnen sollte. Eine Frau, weniger auf der Suche nach ihrem Glück, als nach einem Weg, zu überleben. Sie kam auf sein Zimmer und wieder war das Ergebnis mäßig, aber Sweet Cherry, so nannte sie sich, hatte eine Idee. Sie bot ihm an, zuzuschauen, wie sich selbst befriedigte, wie sie sich einen Finger nach dem anderen in die Scheide steckte, intensiv rieb und fummelte und dabei laut stöhnte und mit ihren Beinen heftig zuckte. Als Höhepunkt der Show spritzte sie Urin in kräftigen, wohldosierten Stößen in den Raum, aber nur wenig, nur um ihren echten oder gespielten Orgasmus, er fand nicht heraus, was sie tatsächlich empfand, sichtbar zu machen. Am nächsten Abend variierte sie die Show, indem sie eine Bierflasche als Dildo benutze und nicht nur den Hals einführte. Eine Steigerung der Biershow bestand darin, den Kronkorken mit den Schamlippen zu öffnen, ohne dass die Flasche umfiel, und ihm die Hälfte des Biers zum Trinken anzubieten. Dann umfasste ihre starke Vagina den Flaschenhals, sie legte sie sich auf den Rücken und schüttete das restliche Bier in die Scheide. Auf elegante Weise stieß sie die Flasche ab und presste dann das Bier aus ihrem Körper, dass so ähnlich wie ihr Urin mehrfach in kräftigem Strahl in den Raum gespritzt wurde. Es war eine weibliche Ejakulation, die völlig ohne den Einsatz ihrer Finger zustande kam. Sie kannte vieler dieser Tricks, denn sie hatte in diesen Nachtklubs gearbeitet, in denen die Kunden so unterhalten wurden. Sie begann immer mit einem gekonnten Striptease und es war interessant zu sehen, auf welch vielfältige Weise sie die paar Kleidungsstücke, die sie trug, ablegen konnte. Er lernte im Laufe der Zeit ihre sämtliche Garderobe und Unterwäsche kennen, aber es war wirklich nicht viel. Auch die Tricks mit der brennenden Kerze beherrschte sie. Erst verrenkte sie sich so, dass ihre Vagina als Kerzenhalter diente. Die Beine waren durchgestreckt, der Körper stark nach unten abgewinkelt. So lief sie dann im Zimmer ein paar Schritte umher. Dann nahm sie die Kerze wieder heraus, stellte sie auf einen Stuhl und sich selbst in eine geeignete Position davor. Mit kräftigen Druckluftstößen aus dem „Kerzenhalter“ löschte sie die Flamme noch aus einem Meter Entfernung. An einem anderen Abend brachte sie Ping-Pong-Bälle mit, stopfte mehrere in ihre Röhre, bückte sich dann und presste sie gekonnt und mit sehr viel Druck so hinaus, dass sie durch den Raum flogen. Einer der Höhepunkte aber war die Henne und das Ei. Sie legte ein gekochtes Ei in einen Eierbecher. Dann hockte sie sich darüber und führte es, unter vielen beschwörenden Ritualen, aber wieder ohne Hilfe der Hände in ihre wundersame Höhle. Sie musste eine Weile fummeln, ehe es erfolgreich verschwunden war. Dann begann sie herumzulaufen, herumzuturnen und sich auf die unmöglichste Weise zu verrenken. Schließlich presste sie ihre Bauchmuskeln, als hätte sie die die allergrößte Verstopfung und dann hörte man tatsächlich, wie es knackte. Zum Schluss hockte sie sich wieder über den leeren Eierbecher, gackerte, wie ein thailändisches Huhn und legte das zerbrochene Ei gekonnt zurück in den Behälter. Nach einem lauten Triumphgeheul musste sie nur noch die Schalen abpellen und dann konnten sie es gemeinsam mit Genuss aufessen. Er fand diese Art von Sexspielchen interessant und anregend. Das Wichtigste aber war, dass es für ihn völlig stressfrei ablief. Er saß in seinem Korbstuhl, stopfte Nüsse in sich hinein und spülte sie mit schön gekühltem Bier hinunter. Manchmal war er versucht, es im Anschluss mit Sweet Cherry doch noch zu treiben oder sich wenigstens einen herunterzuholen oder einen herunterholen zu lassen, ihre manuellen Dienstleistungen bot sie gerne und wortreich an, aber er war dann doch zu faul oder zu schwach oder zu müde, auf jeden Fall aber regelmäßig zu besoffen, und deshalb legte er sich nach der Privatshow einfach nur auf das breite Bett und die Artistin legte sich zu ihm, kuschelte sich an ihn und beide schliefen friedlich ein und wachten am nächsten Morgen mit dem Gefühl auf, dass der Abend zufriedenstellend verlaufen war.
Desaster
Hochhausromantik - Teil 3
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