Die Bukowski sticht in See

Auszug

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Die Bukowski sticht in See

Die Bukowski sticht in See

Sophie Andrell

Ich glaube, ich habe mich in ihn verliebt, in dem Moment, als er seine Gitarre hervorholte und zu spielen begann. Dann sang er dazu und seine Stimme war wundervoll. Irgendetwas zwischen einschmeichelnd, weich und liebevoll. Aber auch mit einem Hauch Melancholie. Und er wusste um seine Wirkung auf Frauen, todsicher.
Ich musste ihn sofort anfassen. Wie er so dastand, nackt bis auf die Haut auf seinem Boot. So braun gebrannt, sein Körper so muskulös. Er war nicht schlank, aber auch nicht dick. Vielleicht ein wenig untersetzt. Sein Haar flatterte verwegen im Wind, schwarz mit einzelnen weißen Strähnen. Es hat nicht lange gedauert und wir fingen an, uns gegenseitig zu befummeln. Ich war so erregt.
Nach einer Weile fragte ich ihn:
„Könnte ich vielleicht etwas Musik haben?“
Sehr zu meiner Überraschung ging er nicht zur Stereoanlage. Nein. Er verschwand im Vorschiff und kam mit der Gitarre zurück. Gitarre, das war es dann. Ich gebe zu, ich verliebe mich leicht. Ich bin gern verliebt. Es macht einen so schwerelos. Zumindest am Anfang. Im Grunde kenne ich nur zwei Zustände: Verliebt oder Liebeskummer. Und ich bin entweder auf dem Weg zu dem einen oder dem anderen. Bei Serge hingegen war ich mir nicht so sicher. Es hatte etwas von beidem.
Ich habe ihn in dem Cafe´ in Barcelona kennengelernt, wohin ich nach dem Schauspielunterricht immer ging. Es war beinahe Mittsommer, Juni. Er sah mich die ganze Zeit an mit seinen eindringlichen Blicken, fordernd und schüchtern zugleich. Ich konnte nicht anders, ich musste ihn einfach anlächeln. Dann kam er an meinen Tisch.
„Sie müssen mir erlauben, Sie einzuladen!“
Ich sah ihm direkt in die Augen. Sie waren grün. Oder doch braun? Es war auch ein Schuss grau dabei. Seine Augen waren wie der Sommer. An einem sonnigen Julitag leuchteten sie wie Diamanten, bei bedecktem Himmel wurden sie trüb. Aber das habe ich erst viel später herausgefunden.
Er meinte, er wäre nur auf der Durchreise. Genau genommen sei er immer nur auf der Durchreise.
„Ich bin mit meiner Yacht in Port Balis, das ist draußen bei Mataro´.“, sagte er nach einer Weile.
„Wie wär´s mit ´ner kleinen Segeltour? Wir könnten auch ein paar Tage draußen bleiben. An Bord wird es uns an nichts fehlen. Ich biete Ihnen alles, was das Herz begehrt.“
Er hatte zwei Pasties bestellt, wovon er mir ungefragt einen hinschob. Seinen hatte er in einem Zug ausgetrunken.
Ich steckte mir eine Zigarette an. Er gab mir Feuer. Ich inhalierte in tiefen Zügen.
„Aber ich kenne Sie überhaupt nicht.“, provozierte ich ihn. „Wer weiß. Vielleicht sind sie ein gefährlicher Triebtäter.“
Sein Lächeln war vertrauenserweckend, jungenhaft, offen und ansteckend.
„Ich bin anerkannt friedlich!“, neckte er mich. Dabei hob er zwei Finger seiner rechten Hand zum Peace-Zeichen. Erneut sah ich seinen muskulösen Bizeps. Ich stellte mir vor, wie es wäre, in seinen Armen zu liegen. Dabei durchzuckte ein Schauer der Lust meinen Unterleib.
Er muss gespürt haben, dass er gewonnen hatte.
„Übrigens: Ich kann auch gut massieren“.
Ich gebe zu, ich konnte eine Massage vertragen. Und der Mann, der vor mir saß, sah sehr appetitlich aus. Wer weiß, was Morgen wird. Man muss die Feste feiern, wie die Männer fallen. Also nahm ich ihn mit in meine kleine Wohnung in der Calle de Monteseny. Was sollte schon groß passieren? Zu rauben gab es bei mir nichts. Wie ein Verbrecher sah er nicht aus. Und was die Wollust betrifft; ich schätze, in dieser Disziplin konnte ich manchen Mann locker schlagen.
Irgendwie wurde es dann ganz kuschelig und vertraut mit ihm. So als würden wir uns schon Jahre kennen und gar nicht so, als müssten sich unsere Körper erst aneinander gewöhnen. Unsere Leiber hatten sofort Freundschaft miteinander geschlossen.
Ich genoss jeden Moment. Ich genoss den Liebesakt. Und bei ihm war es genauso. Das spürte ich. Als sich meine Anspannung in einem lauten, langgezogenen Stöhnen entlud, umarmte er mich und bedeckte mein Gesicht mit Küssen.
„Hattest Du jetzt ´nen Orgasmus?“
„Na, wonach sah´s denn aus?“
„Freut mich, dass ich dir so schöne Gefühle verschaffen konnte. Früher, als ich jünger war, war mir das so scheißegal, ob die Frau was davon hatte. Immer rauf, rein und losgehämmert. Jetzt genieß ich das viel mehr.“
Dann bat ich ihn zu gehen. Es war mitten in der Nacht. Ich wollte ihn nicht bis zum Morgen dabehalten. Widerspruchslos ließ er sich fortschicken.
Die Nacht, die Lust, war das eine. Aber ich wollte keine Verpflichtungen, nur Leichtigkeit. Außerdem hatte ich morgen pünktlich acht Uhr im Seminar an der Uni draußen in Cerdanyola de Valles zu sitzen. Das bedeutete gut und gerne eine dreiviertel Stunde Fahrzeit. Ich nahm das Studium nicht wirklich ernst. Es gab Wichtigeres in meinem Leben. Aber dazu später mehr.
Am nächsten Tag war ich schlecht gelaunt. Im Unterricht langweilte ich mich. Die dämliche Dozentin wies mich wegen einer Lappalie zurecht. Anne, ein dürres, deutsches Mädchen mit Silberblick, rückte mir auf die Pelle. Vorige Woche hatte sie im Kurs verkündet, sie wäre so scharf, würde über jeden herfallen. Kein Mann, keine Frau sei vor ihr sicher. Erschrocken rückte ich meinen Stuhl einen halben Meter weiter. Auf der Heimfahrt fiel die Bahn für zwei Stunden aus. Ich hörte nur die Durchsage, wegen eines Notarzteinsatzes sei der Verkehr unterbrochen. Ich wusste sofort, woher der Wind wehte. Vermutlich hatte sich ein Selbstmörder auf die Gleise geworfen. Gott sei Dank hatte ich nicht gesehen, was genau passiert war. Als wir langsam an den Posten der Guardia Civil vorbei rollten, die die Unfallstelle sicherten, streifte mich ein eisiger Hauch der Erinnerung. Schnell scheuchte ich die dunklen Wolken weg.
Endlich zurück in der aufgeheizten Wohnung blinkte mein Anrufbeantworter. Es war Sergey. Er sei noch ganz berauscht von der letzten Nacht. Unverhofft, aber schön. Baden fahren wollte er, später auf sein Boot, vielleicht dort übernachten. Er ließ nicht locker. Ich fühlte mich überrumpelt von so viel Anhänglichkeit. Dennoch: Ich wollte ihn wiedersehen. Also schrieb ich ihm eine E-Mail:
„Bitte bedräng mich nicht. Ich melde mich, sobald ich Zeit habe.“ Er schrieb zurück: „Ich werde warten. Kuss!“
Zwei Tage später war Fabian zurück in der Stadt. Der schöne, charismatische Fabian…

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