Die Flugbegleiterin - Kapitel 5

Fester Boden unter den Füßen

47 6-10 Minuten 0 Kommentare
Die Flugbegleiterin - Kapitel 5

Die Flugbegleiterin - Kapitel 5

Gero Hard

Was für’n Quatsch! Die Zeit mit dir ist einzigartig, harmonisch, erotisch, einfach perfekt. Von Beginn an, auf den Malediven und auch danach. Einzig Felix passt nicht in das ganze Puzzle. Nicht du oder ich sind das Problem, Felix ist an allem schuld. Und der sitzt im Knast. Und dennoch kann es sein, dass du sein Kind unter deinem Herzen trägst. Können wir auch diese Krise meistern? Längst liege ich - immer noch angezogen - auf meinem Bett, meinen Blick starr an die Decke gerichtet. Schon öfter habe ich dort nach privaten oder beruflichen
Problemlösungen gesucht. Und auch dieses Mal ist es wie sonst auch, es steht dort nichts, was mich weiterbringt. Irgendwo liegen doch diese Tabletten, die einen einschlafen und morgens erholt aufwachen lassen. Hoggar Dingsbums. Die, die einfach nur die Gedanken abschalten. Die brauche ich jetzt!

Kathi trifft eine Entscheidung: Wortlos hast du den Mutterpass wieder auf den Tisch gelegt. ‚Kannst du mich nicht einfach mal anbrüllen? So wie andere Männer das schon vor dir getan haben? Ich halte das aus. Und ich habe es verdient. Ok, schrei mich an, gib mir die Schuld an allem, lass Dampf ab. Und dann ist alles wieder gut, ja? Danach haben wir dann zärtlichen Versöhnungssex, der ist nach einem Streit sowieso immer am schönsten und dann haben wir uns wieder ganz doll lieb. Deal?‘ Das alles sage ich nicht laut. Nur der Wunsch ist Vater des Gedankens.

Deine Reaktion ist das genaue Gegenteil von dem, was mir gerade durch den Kopf geht. Rastest du denn niemals aus, oder schreist einfach mal rum? Nein, sowas kennst du nicht! Du bist die personifizierte Ruhe.
Ohne einen Ton von dir zu geben drehst du dich einfach um und gehst in dein Schlafzimmer, würdigst mich keines Blickes. Was willst du da? Kannst du meine Nähe nicht ertragen? Es tut dir weh, mich so zu sehen, tränenüberströmt und völlig fertig. Alleingelassen mit meinen Gedanken. Aber du schaffst es nicht, mich einfach in den Arm zu nehmen und mich zu trösten? Stattdessen weichst du mir aus und willst selbst deinen Raum für dich. Also gut, dann habe ich hier nichts mehr verloren.
Ohne mich zu verabschieden ziehe ich den Griff aus meinem Rolli und verlasse mit einem letzten Rundum-Blick die Wohnung.
Den ganzen Tag habe ich geweint. Habe auf dein Verständnis gehofft. Aber jetzt habe ich keine Tränen mehr übrig. So habe ich mir unseren Abschied nicht vorgestellt. Jetzt weiß ich, wie du dich gefühlt hast, als wir uns nach unserem Urlaub am BER getrennt haben. Traurig, missverstanden und alleingelassen!

****

In meinem Schlafzimmer räume ich meinen Koffer aus und lege die Sachen zurück in den Schrank. Eigentlich hatte ich gehofft, nach und nach immer mehr meiner Sachen bei dir zu lagern, weil wir die meiste Zeit bei dir sein würden. Der Traum ist wohl leider ausgeträumt.
Jetzt sitze ich hier in der Wohnung, die mich sofort wieder an Felix erinnert. Ein plötzlicher Brechreiz lässt meinen Magen krampfen. Gerade soeben schaffe ich es bis ins Bad. Gegessen habe ich heute noch nichts. Purer Magensaft ergießt sich Schwall auf Schwall in die Toilette. Das ist alles zu viel für meine geschundene Seele und für meinen schlanken Körper. Ohnmächtig breche ich auf den Fliesen zusammen.
Ich habe keine Ahnung, wie lange ich hier gelegen habe. Langsam komme ich wieder zu mir. Frauke kniet über mir und tätschelt mir die Wangen. Frauke, gut dass sie einen Schlüssel zu meiner Wohnung hat. Anstatt mich nach der Sprachnachricht anzurufen, ist sie gleich zu mir gefahren. Weibliche Intuition!
Gott sei Dank! Vorsichtig hilft sie mir auf und stützt mich auf dem Weg zu meiner Couch.
„Frauke, was soll ich bloß tun? Ich möchte Tobi nicht verlieren, aber ich glaube, das habe ich schon.
Er hat mich wortlos stehen lassen und ist in sein Schlafzimmer gegangen. Ich glaube, er hasst mich jetzt endgültig. Erst tue ich ihm das mit Felix an, dann das im Crewraum, und jetzt das noch. Ich kann verstehen, dass er nichts mehr mit mir zu tun haben will.“
„Was für ne Sache im Crewraum?“
Verdammt, jetzt habe ich mich verplappert! Sie weiß ja gar nichts davon.
„Hallo, Schwesterherz, … was für ne Sache im Crewraum?“, wiederholt sich Frauke eindringlich.
Es hilft nichts, ich muss es ihr sagen. Wortlos und mit offenem Mund hört sie mir zu, wie ich ihr alles haarklein beichte.
„Au weia Kathi, das ist echt harter Tobak! Und da wunderst du dich, dass Tobi so reagiert? Jeder andere hätte dich längst zum Teufel gejagt.“
Beruhigend legt sie ihre Hand auf meine Schulter. Ich weiß ja selber, dass sie recht hat.
„Frauke, ich weiß ja selber, dass ich es auf ganzer Linie versaut habe. Ich kann die Uhr aber nicht mehr zurückdrehen und alles ungeschehen machen. Nichts würde ich lieber tun. Aber verdammt nochmal, ich liebe Tobi! Und ich bin mir ziemlich sicher, dass er der Vater von dem kleinen Wurm in mir ist, und nicht Felix. Frau Doktor meint das auch. Wir haben alles nachgerechnet. Außerdem wünsche ich es mir so sehr. Aber er will mich nicht mehr sehen, also ist es wohl besser, wenn ich ihn vergesse.“
Meine letzten Worte flüstere ich nur noch. Liebevoll werde ich von Frauke in den Arm genommen.
„Heute kommst du erstmal mit zu mir. Ich lasse dich hier auf keinen Fall allein. Nicht, dass du mir noch Dummheiten machst.“
Der Tag heute war heftig. Die Nachricht der Schwangerschaft, der Nervenzusammenbruch, die viele Heulerei und zum Schluss die Ohnmacht. Dazu den ganzen Tag ohne feste Nahrung. Kraftlos decke ich mich auf ihrer Couch zu und falle fast augenblicklich in einen tiefen Schlaf.

Tobi am nächsten Tag: Müde habe ich mich zur Arbeit geschleppt. Warum muss es eigentlich immer so sehr weh tun und einem den Schlaf rauben, wenn eine Beziehung so auseinandergerissen wird?
Marco stürmt aufgebracht in mein Büro und macht mich sofort scharf an.
„Frauke hat mich gerade angerufen! Bist du völlig irre? Kathi denkt, du hasst sie und willst sie nicht mehr sehen? Und ist das so? Alter, dass musst du geradebiegen. Du kannst doch die Frau nicht so einfach gehen lassen. Du weißt doch noch gar nicht, wessen Kind sie austrägt. Lass uns reden, alle vier zusammen. Noch heute, keine Widerrede!“ Kopfschüttelnd knallt er die Tür zu und ist auch schon wieder draußen.
‚Was ist eigentlich übriggeblieben, von den vielen Fragen, die mir gestern durch den Kopf gegangen sind.
Das ich sie liebe? Nein, das ist nach wir vor so! Das ich mich um mein Kind kümmern würde? Nein, das wäre selbstverständlich! Ich liebe Kinder! Also bleibt nur eine Frage: Kann ich das Kind eines anderen aufziehen und lieben, als wäre es mein eigenes? Es würde Zeit brauchen, ganz klar! Aber was kann denn das Kind dafür? Nichts!
Wäre es denn so viel anders, würde man ein fremdes Kind adoptieren? Ich denke nicht! Nur eben, dass eine Adoption nach reiflicher Überlegung aus freien Stücken geschähe!
Oder, was wäre gewesen, wenn ich Kathi schon als Mutter kennengerlernt hätte? Würde ich das Kind dann abgelehnt haben? Nein, niemals!
Über was denke ich dann eigentlich noch nach? Warum habe ich gestern stundenlang telefoniert und nach Lösungen gesucht, wo ich doch längst alle Antworten kenne?
Jetzt, wo mein innerer Kampf beendet ist und mein Entschluss gefällt ist, überkommt mich ein Gefühl der Erleichterung! Ich weiß, dass es trotz Kind eine gemeinsame Zukunft geben kann! Ich jedenfalls, bin bereit dazu!
Ich mache zeitig Feierabend. Ich habe noch was Wichtiges zu erledigen, dann kann der Abend kommen …!

Kathi am nächsten Tag: Frauke hat sich heute frei genommen. Sie ist in der Werbung tätig. In der kleinen Agentur herrscht ein familiäres Klima, wodurch auch so kurzfristige Absprachen möglich sind.
Ich höre sie in der Küche telefonieren. Mit wem sie spricht, kann ich leider nicht verstehen. Mit frischem Kaffee kommt sie zurück in die Stube.
„Gut, dass du schon wach bist. Heute Abend fahren wir zu Tobi. Wir alle. Marco, du und ich. Und dann klären wir die Scheisse. Ich habe keinen Bock, dich irgendwann wieder im Krankenhaus zu besuchen. Und jetzt wird gefrühstückt, damit du wieder zu Kräften kommst!“

So energisch habe ich mein kleines Schwesterlein noch nie erlebt! Liegt wohl an der besonderen Situation. Sie hat recht, mit dem was sie sagt. Am besten ist, wir klären das gleich, dann ist der Druck weg und ich kann versuchen, mein Leben neu zu organisieren. Ohne Tobi! Denn nachdem ich drüber geschlafen habe, bin ich mir sicher, dass er sich von mir trennen wird. Darauf bin ich jedenfalls gefasst.
Gut, dass Frauke bei mir ist! Nicht auszudenken, was ich mir allein in meiner Wohnung angetan hätte. Ich habe keine Lust, mein künftiges Leben, als alleinerziehende 40jährige Frau zu verbringen. Ohne Chance, jemals wieder einen vernünftigen Partner kennenzulernen. Was natürlich völliger Blödsinn ist, andere Frauen schaffen das auch.
Den ganzen Tag verbringen wir mit putzen, quatschen und Hartz 4-TV. Wir bringen es sogar fertig, über den einen oder anderen Beitrag herzhaft zu lachen. Wie verkorkst doch das Leben einiger schwangeren 17-jähriger Mädchen ist, die nur zu faul zum Arbeiten sind. Oder diese unfassbar langweiligen Talkshows. Ich bin wirklich heilfroh, dass ich solche Trash-Sendungen nicht jeden Tag ertragen muss.
18 Uhr, Marco holt uns ab. In der letzten halben Stunde habe ein ziemlich flaues Gefühl in meinem Magen. Alleine könnte ich Tobi nicht unter die Augen treten. Doch jetzt stehen wir zusammen vor seiner Tür. Frauke hat ihren Arm um meine Schulter gelegt. Das verleiht mir Kraft und etwas Selbstvertrauen.

Marco zwinkert mir vertrauensvoll zu. Vor drei Tagen waren wir uns einig, dass wir uns alle wiedertreffen werden. Aber so schnell, und unter diesen Umständen, damit hat keiner gerechnet.
Gnadenlos spuckt uns der Aufzug aus. Mein Puls rast und mein Blutdruck lässt meine Halsschlagadern pulsieren. Dann öffnest du die Tür. Tiefe Augenringe zeigen mir, dass du eine schlaflose Nacht hattest und völlig übermüdet bist. Es tut mir entsetzlich leid, dass ich dir das angetan habe.
Mit einer einladenden Handbewegung bittest du uns rein. Auf dem Wohnzimmertisch stehen Gläser und eine Flasche Wasser.
„Setzt euch bitte!“ Warum kniest du dich jetzt vor mich? Was hast du vor?

Tobis überrascht alle: „Leute, bevor hier gleich die Hölle losbricht, muss ich euch was sagen. Vor allem dir Kathi. Wir haben uns auf den Malediven kennen und lieben gelernt, wie es sonst wohl unter normalen Umständen nicht so häufig vorkommt. Und ich bereue keine einzige Sekunde davon. Dann die Höhen und Tiefen danach. Die Missverständnisse, meine Eifersucht und deine Geheimnisse. Alles haben wir hinbekommen. Haben uns gegenseitig unsere Liebe geschworen. Und nun bist du schwanger. Ich habe mir eine Menge Gedanken dazu gemacht! Habe mit Marco und meiner Mutter telefoniert. Frauke hat mir eine Nachricht geschickt. Das alles hat mich nicht weitergebracht, weil ich die Lösung eigentlich schon wusste! Katharina Neumann, möchtest du mich heiraten?“

Deine tränenden Augen, zusammen mit dem aufgerissenen Mund, starren mich an. Deinen Gesichtsausdruck werde ich so schnell nicht wieder vergessen! Du weinst, Frauke weint und hat ihre Hände vorm Gesicht und Marco fehlen die Worte. Alle starren den zierlichen Ring an, den ich dir in einem aufgeklappten Schmuckkästchen entgegenhalte.
Es dauert einen Augenblick, bis du verarbeitet hast, was ich gerade gesagt habe. Doch dann …
„Tobias Rolfes, du bist der verrückteste, spontanste, liebenswerteste Knaller, den ich jemals kennengelernt habe. Wir kennen uns gerade mal fünf Wochen und du fragst mich ernsthaft, ob ich deine Frau werden will, schwanger, vielleicht mit dem Kind eines anderen. Es ist so irre! DU bist so irre! Hast du dir das gut überlegt? Ja, mein Schatz, ich will! Heirate mich!“

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 2809

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Gedichte auf den Leib geschrieben