Die fremde Frau auf dem Fährschiff - Teil 1

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Die fremde Frau auf dem Fährschiff - Teil 1

Die fremde Frau auf dem Fährschiff - Teil 1

Grauhaariger

Das erste Mal sah ich sie in einem komfortablen Klappstuhl in der aufgehenden Sonne sitzen. Zuvor hatte sie ihrem Mann nur ein Zeichen gegeben, woraufhin er die Heckklappe des nicht mehr so ganz neuen Range Rovers öffnete, den Klappsessel herauszog und ein wenig abseits des Trubels aufstellte.
Es war früher Morgen und hier im Hafen warteten bereits viele Leute und eine Menge Autos auf das Eintreffen des Fährschiffes. Die „Olympic Champion“ sollte uns von Korfu zurück nach Venedig bringen.
Immer wieder drehte ich meinen Kopf in ihre Richtung, um die Frau zu beobachten. Allzu auffällig wollte ich mich nicht verhalten. Ich schätzte sie auf Mitte/Ende Vierzig bis maximal Anfang Fünfzig. Sie las ein Buch, lies aber auch ihren Blick hin und wieder in die Umgebung schweifen. Ihr Mann lehnte mit einer gewissen Anspannung am Auto.
Ich selbst war als Rucksacktourist unterwegs und nach knapp zwei Wochen on tour auf dem Heimweg. Das Zugticket von und nach Venedig haben meine Eltern spendiert und die Deckpassage, um nach Griechenland zu gelangen, weil das Wetter in Norditalien so schlecht war, habe ich mir einfach gegönnt.
Wiedergesehen habe ich die Frau dann an Deck des Schiffes. Sie saß erneut auf einem Stuhl in der Sonne und las in ihrem Buch. Jetzt traute ich mich, in gebührendem Abstand, die Frau länger anzusehen. Braunes, schulterlanges Haar umrahmte ihr Gesicht. Sie trug ein in den Farben gedecktes, ungefähr knielanges Sommerkleid. Dazu Sandaletten und eine Sonnenbrille. Auch ihr Mann war durchaus modisch schick gekleidet. Man sah beiden an, dass ein gewisser Reichtum vorhanden war.
Ich kann nicht erklären warum, aber diese Frau strahlte etwas aus, was mich magisch anzog. Ich wollte wissen, was sie las Und ich wollte wissen, wie ihr Parfüm roch. Das Kennzeichen ihres Rovers hatte mir bereits verraten, dass sie aus Wien, also Österreich kamen. Meinen Rucksack hatte ich bereits in eine Ecke des Schiffes verfrachtet, wo ich die Nacht verbringen wollte.
Zweimal ging ich nah an der Frau vorbei. Was sie las, konnte ich nicht erkennen. Und durch den Wind, der an Deck herrschte, war auch keine Duftnote eines Parfüms auszumachen. Ich stellte mich dann an die Reling, um noch ein wenig die albanische Küste zu verfolgen.
Mittags, ich gönnte mir ein belegtes Sandwich im Self Service, saßen sie und ihr Mann an einem Tisch. Beide ein Glas Wasser und einen Salat vor sich. Ich verzog mich zu meinem Rucksack, um vielleicht auch eine Mütze Schlaf zu ergattern.
So gegen 16:00 Uhr erschien ich wieder am hinteren Außendeck. Natürlich hielt ich Ausschau nach der Unbekannten. An ihrem alten Platz saß sie nicht mehr.
„Magst Du auch einen Kaffee?“ Ein Mann hatte mich von schräg hinten angesprochen. Ich drehte mich zu ihm hin. Es war Ihr Mann. „Erwischt!“; dachte ich im ersten Moment. Aber was konnte er mir schon vorwerfen? Da ich nicht sofort antwortete, hakte er nach: „Wos is? An Koffee?“
„Ja, gerne!“ entgegnete ich ihm etwas konsterniert.
„Wir san da drübn;“ deutete er mit dem Kopf und drückte mir zwanzig Euro in die Hand. „Für mei Frau und mich an Americano! Schwarz! Und deinen halt!“
Ehe ich antworten konnte, war er bereits wieder in Richtung seiner Frau unterwegs.
„Danke!“ Ein Lächeln huschte über das Gesicht der Frau, als ich den Kaffee auf dem Tischchen vor ihr abstellte. „Bitte gerne!“ beeilte ich mich zu antworten. „Setz Dich doch!“ Die Frau bot mir den freien Stuhl ihr gegenüber an.
Natürlich nahm ich ihre Einladung an.
„Du beobachtest mich schon den ganzen Tag!“, stellte die Unbekannte fest. Müsste ich mich ertappt fühlen? Wurde ich rot?
„Judith;“ stellte sie sich vor. „Und mein Mann Robert.“ Sie sah ihren Begleiter kurz an. „Und wer bist Du?“
„Jonas! Jonas Krimm!“ Und ja, ich fühlte mich ertappt!
„Sag jetzt nicht, ich gefalle Dir!“ Hörte ich da ein Lachen in ihrer Stimme?
„Doch; ja; nein!“ Oh, wie peinlich, was ich da von mir gab!
„Ich fand es irgendwie,“ mit kurzem Zögern sprach ich weiter, „dekadent heute Morgen. Mit dem Campingstuhl. Im Hafen. Und doch stilvoll!“
Judith lachte. „Und die Frau, die ihren Mann so im Griff hat, dass er ihr sogar einen Stuhl aus dem Auto holt, damit sie nicht stehen muss oder im Auto sitzen, möchtest Du kennenlernen?“
„Ja, so ähnlich!“ Ich versuchte mich irgendwie zu erklären.
Alle Drei schlürften wir an unserem Kaffee. „Erzähl doch was von Dir;“ meinte Judith interessiert. „Was machst Du so?“
In den nächsten Minuten erzählte ich in Kurzform aus meinem Leben und warum ich hier mit der Fähre unterwegs war.
Beide hörten mir durchaus aufmerksam zu. Als ich dann die Gegenfrage stellte und nach ihrem Leben fragte, stand Judith auf. „Komm, gehen wir an die Reling!“ Ihre Bitte ließ keinen Protest zu. Sie ging voraus und suchte eine doch eher windgeschützte Stelle. Erst schauten wir, ohne ein Wort zu wechseln eine Weile nebeneinanderstehend aufs Meer hinaus. Dann meinte sie: „Du gefällst mir“, und fragte weiter: „Hattest Du schon einmal eine Freundin in meinem Alter?“ Dabei drehte sie sich um hundertachtzig Grad, so dass sie die Reling im Rücken hatte.
Ich verneinte.
„Wartet denn irgendwo eine junge Frau auf Dich?“ Dieser Punkt schien sie sehr zu interessieren, denn sie sah mir dabei eindringlich in die Augen.
„Nein!“ antwortete ich wahrheitsgemäß. Und nach ein paar Momenten, die ich zum Überlegen brauchte, was ich denn alles preisgeben wollte, merkte ich mit leichter Bitterkeit in der Stimme an: „Meiner letzten Freundin war ich zu unerfahren, nicht aufregend genug.
„Wie das denn?“ Judith schien erstaunt.
„Sie hatte eine Affäre mit einem älteren verheirateten Mann angefangen. Und der konnte einfach alles besser als ich…“
„Während sie mit Dir zusammen war?“
„Nein, so war sie dann doch nicht!“ Jetzt musste ich Lena schon verteidigen. „Unsere Beziehung lief gerade nicht so gut und ich habe mit…“
„…ner anderen gevögelt!“ vervollständigte Judith meinen Satz.
„Ja,“ bestätigte ich ihre Vermutung. „Und dann war dieser verheiratete Schnösel da.“
Judith schien alles wissen zu wollen.
„Mit dem hat sie sich ein paar Mal getroffen. Der hat ihr zugehört, konnte wohl länger als ich und machte alles besser!“ Jetzt war ich wieder sauer auf meine Ex! Oder auf mich selbst? Ach, überhaupt…ist einfach saudumm gelaufen…!
„Habt ihr Kontakt?“ Judith schaute mich fragend an und fasste mit einer Hand in mein Gesicht.
Ich schüttelte den Kopf. „Seit Wochen nicht.“
„Und hier jetzt im Urlaub?“ Judith war echt neugierig. „Ist da nichts gelaufen?“
Sollte ich das wirklich erzählen? Besonders rühmlich war es ja nicht!
„Sag schon?“ drängte die Frau neben mir. Unbewusst kamen wir uns näher. Wirklich unbewusst?
„Ja, mit einer Engländerin.“
Judith grinste. „Und? War es gut?“
„Die Frau war der Hammer…“
„Aber?“ Judith grinste noch immer.
„Naja, der besoffene Ehemann nebenan…“
Jetzt lachte die Frau neben mir laut auf. „Gab es Ärger?“
„Nein. Ich habe zwei Mal mit ihr…“
„Und?“
Judith zog mich sanft noch näher zu sich heran. Unsere Körper berührten sich.
„Dann sind sie abgereist!“
„Willst Du mich nicht küssen?“ Ihre Offerte klang sanft und doch duldete sie keine Zurückweisung. Ich hatte mir genau das schon den ganzen Tag gewünscht. Aber mitnichten geglaubt, dass dieser Wunsch in Erfüllung gehen könnte.
Judith hatte bereits ihre Hand an meinem Hinterkopf. „Dein Mann…;“ gab ich noch zu bedenken, was sie aber mit einer einfachen Kopfbewegung abtat.
Sagt man nicht immer, dass Frauen weiche Knie bekommen würden, wenn sie gut geküsst werden? Diesmal war es umgekehrt. Ich war hin- und weg! Diese Frau küsste himmlisch! Wir tasteten uns langsam heran. Erst sanfte Lippenspiele. Dann der erste Kontakt unserer Zungen. Sofort regte sich etwas bei mir. Ja und dann war jegliche Zurückhaltung dahin! Der Kuss wurde sehr intensiv. Aber auch sinnlich! Und verlangte, nach einem kurzen Verweilen tief in den Augen des Anderen, nach mehr! Nach dem zweiten, dritten brach Judith allerdings ab. „Wir sollten nicht alle Blicke auf uns ziehen!“
Wir lösten uns voneinander und schauten wieder, nebeneinander an der Reling stehend, aufs Meer hinaus. Liebend gerne hätte ich meinen Arm um sie gelegt. Oder, noch viel besser, an ihren Hintern gefasst. Obwohl schon viel von meinem Blut in die untere Region geflossen war, ließ mein Verstand keine dieser Aktionen zu.

„Du könntest dir echt vorstellen mit mir…?“ Judith stellte dies eher fest, als dass es eine Frage an mich war.
Ich musste nicht überlegen und antwortete: „Ich könnte mir das gut vorstellen!“ Nach einem Moment des Schweigens bemerkte ich zweifelnd: „Aber dein Mann…?“
Judith entgegnete gelassen: „Fragen wir ihn halt!“
Ich schluckte. Hatte sie das wirklich ernst gemeint? Trotzdem hörte ich mich sagen: „Okay, warum nicht!“
Ich wollte schon aufbrechen, als Judith mich zurückhielt. „Warte!“
Wir näherten uns erneut an. „Versprich mir, dass Du hinterher keine blöden Bemerkungen fallen lässt und keinesfalls versuchst, Robert lächerlich zu machen?“
„Nein, natürlich nicht! Warum sollte ich das tun?“
„Ich glaube auch nicht, dass Du übermütig wirst;“ meinte Judith beruhigt. „Du bleibst einfach höflich, ja?! Und Robert weiß eigentlich immer, was er tut!“
„Ich werde brav sein!“ beteuerte ich mit Unschuldsmine.
Judith lachte: „Na, hoffentlich nicht!“
Wir gingen zurück und setzten uns wieder zu Robert an das Tischchen. Ich glaubte gesehen zu haben, dass Judith ihrem Mann kurz zunickte. Und dieser zuckte daraufhin kurz mit den Lippen. Dann fragte er: „Wos gibts denn dort drüben zum seng?“
„Leider keine Delfine!“ antwortete Judith. „Aber Jonas hat mir von seinem Urlaubsflirt erzählt!“
„Ich dochte, er flirtet mit Dir mein Liebes?“
„Ja, ich glaub schon, dass er das tut!“ Wieder lachte Roberts Frau. „Darf er auch! Er ist ja Single!“
„Donn is aus dem Flirt nix gworden?“ Robert schien das tatsächlich zu interessieren.
„Leider nein;“ brachte ich mich in die Unterhaltung ein. „Eileen war verheiratet!“
„Ah, ich verstehe;“ bemerkte Robert. „Oba es war doch guat, oder?“
Judith unterbrach unsere Konversation indem sie mich fragte: „Sag mal, willst Du nicht bei uns in der Kabine duschen? Ist sicher angenehmer als in den Gemeinschaftswaschräumen!“
„Oh, gerne!“ Warum überraschte mich ihre Frage jetzt nicht? „Ich muss nur schnell meinen Rucksack holen.“
„Nimm den Kabinenschlüssel gleich mit!“ Sie überreichte mit das gelochte Plastikkärtchen mit der Nummer 10117.
Ob ich ihren Mann fragen sollte? „Nein, bloß nicht!“, gab ich mir gleich selbst die Antwort. Judith hätte sicher eine Anspielung gemacht, wenn sie es für angebracht gehalten hätte. Ich bedankte mich für den Schlüssel und den Kaffee. „Bis nachher!“, rief ich beiden zu und verschwand nach innen.
Die Zugangskarte 10117 war der Schlüssel für eine der Lux-Kabinen. Sehr geräumig. Mit Doppelbett, Fernseher und Kühlschrank. Der Trolley des Ehepaares stand mit offenem Reißverschluss hinter der Eingangstüre auf dem Boden. Ich platzierte meinen Rucksack daneben und nahm mein Waschzeug heraus. „Frischer Slip? Ja klar“ Rauskramen wollte ich diesen jedoch erst später. Ich entkleidete mich. Meine getragenen Sachen fanden ihren Platz auf einem der Sessel. Nach dem Zähneputzen ging es unter die angenehm prickelnde und durchaus nötige Dusche! Ich vergaß auch nicht die Nachrasur meines Intimbereiches.
Erwartete ich jeden Moment, dass die Türe aufging und Judith hereinkam? Ich hoffte es zumindest! Gleichzeitig schalt ich mich einen Narren. Eine Frau mit dieser Klasse läuft einem Jungspund doch nicht in die Dusche hinterher!
Abfrottieren, Deo auftragen und Haare kurz anföhnen. Hatte ich ein Geräusch in der Kabine gehört? Sicherheitshalber band ich mir das Duschtuch um die Hüften und öffnete die Tür der Nasszelle.
„Ordnung halten gehört nicht zu deinen Stärken!“ Judith stand lässig mit ihrem Podex an die kurze Tischplatte der Kombi-Schrankwand gelehnt und grinste verschmitzt. Sie war genauso gekleidet, dasselbe Kleid, die gleichen Schuhe, wie an Deck und spielte auf meine schmutzigen Klamotten, die ich unordentlich auf den Sessel gelegt hatte, an. Der von mir achtlos hingeworfene Slip war dazu auch noch auf dem Boden gelandet. Ich hatte die Badtüre zufallen lassen, war stehen geblieben und zuckte irgendwie entschuldigend mit den Schultern.
Einen Augenblick später wollte ich auf Judith zugehen. Sie ließ mich erneut zögern als sie forderte: „Nimm das weg!“ Gemeint war natürlich das umgebundene Handtuch.
Ich schaute mich noch einmal kurz in der Kabine um. Aber Judiths Mann war scheinbar nicht zugegen. „Robert ist nicht hier;“ bestätigte seine Frau. „Und wenn es dich beruhigt: Beide Schlüssel liegen da.“ Wieder umspielte ein Lächeln ihre Lippen als sie ihrer Erklärung ein erwartungsvolles: „Also…“ anfügte.
Judith schaute natürlich auf meine Körpermitte, als ich das Frottee wegnahm. Nein, hart war er keineswegs. Vielleicht ein klein wenig größer als im Normalzustand...
„Komm!“, hauchte meine Geliebte in Spe. Stilvoll hielt sie mir ein Glas Prosecco entgegen.
„Die Frau hat Klasse!“, dachte ich und ging auf sie zu. Unsere Gläser klirrten leise und wir sahen uns in die Augen. Judith stellte den Prosecco schräg hinter sich auf die Schreibplatte. Ich tat es ihr nach. Und dann, ja, dann küssten wir uns!

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